Neue Entscheidung des BSG: Pflegekräfte auf Honorarbasis in stationären Pflegeeinrichtungen sind regelmäßig sozialversicherungspflichtig

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veröffentlicht am 17. Juni 2019; Autoren: Daniel Finsterer, Lorenz Bonkhoff

 

Das Bundessozialgericht (BSG) hat jüngst entschieden, dass Pflegekräfte auf Honorarbasis, die in einer stationären Pflegeeinrichtung tätig sind, regelmäßig nicht als Selbstständige, sondern als abhängig Beschäftigte nach § 7 SGB IV anzusehen sind. Die betroffenen Einrichtungen müssen hier aktiv werden. Andernfalls drohen empfindliche Nachforderungen und strafrechtliche Konsequenzen für die Verantwortlichen.

 

Das BSG hat sich in einer jüngst ergangen Entscheidung (B 12 R 6/18 R) zur Abgrenzung von selbständiger und unselbständiger Arbeit nach § 7 Abs.1 SGB IV geäußert. Streitgegenständlich war vorliegend die Beurteilung, ob Leistungen der Behandlungspflege in stationären Alten- und Pflegeheimen wegen der hohen gesetzlichen Anforderungen hinsichtlich Arbeitszeit, -ort, -dauer und –ausführung und wegen gesetzlicher Dokumentationspflichten nur durch Beschäftigte im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV oder – insbesondere im Rahmen von Kurzzeiteinsätzen – auch durch so genannten freiberufliche Pflegekräfte erbracht werden. Hier wurde die abhängige Beschäftigung bejaht bzw. die Selbständigkeit verneint. Unternehmerische Freiheiten seien bei der konkreten Tätigkeit in einer stationären Pflegeeinrichtung nach Ansicht der Richter des Bundessozialgerichts kaum denkbar. Entscheidend sei nach Ansicht der Richter des BSG, inwieweit sich die Arbeit von angestellten Pflegekräften unterscheidet und inwiefern sie vom Arbeitgeber persönlich abhängig sind. Dabei müssten eine Reihe von Indizien, wie der Einsatz von eigenen Betriebsmitteln, das Bestehen eines Unternehmerrisikos und die Eingliederung in die Arbeitsorganisation in jedem Einzelfall geprüft werden. Bloße Freiräume bei der Aufgabenerledigung, zum Beispiel ein Auswahlrecht der zu pflegenden Personen oder bei der Reihenfolge der einzelnen Pflegemaßnahmen, reichen nach Ausführung des BSG hierfür jedoch nicht aus.

 

Zwar wird man bis zur abschließenden Bewertung des genannten Urteils die Veröffentlichung der Urteilsgründe abwarten müssen. Aus der Pressemitteilung des Gerichts lassen sich aber schon die nachfolgenden Schlüsse ziehen. Das Gericht hat demnach strikt die gesetzlichen Anhaltspunkte für die abhängige Beschäftigung nach § 7 Abs.1 Satz 2 SGB IV durchgeprüft und die abhängige Beschäftigung bejaht. Das Gericht führt auch aus, dass Pflegekräfte in stationären Pflegeeinrichtungen regelmäßig so eng in der Ablauforganisation eingebunden wären, dass eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation der stationären Pflegeeinrichtung bestünde. Unternehmerischen Freiraum sieht das Gericht dabei bei den Honorarpflegekräften nicht.

Erwartungsgemäß ist das Gericht auch der Meinung, dass ein etwaiger Fachkräftemangel im Gesundheitswesen keinen Einfluss auf die sozialrechtliche Bewertung der Versicherungspflicht hat. Eine gegenteilige Argumentation wird daher abgelegt.

 

Bewertung

Für die stationären Pflegeeinrichtungen schafft die vorliegende Entscheidung zumindest Rechtssicherheit, setzt diese aber auch in Zugzwang. Nach dieser Entscheidung wird man kaum noch einen Anwendungsbereich für die selbständige Tätigkeit von freiberuflichen Pflegekräften in stationären Pflegeeinrichtungen finden. Die Pflegeeinrichtungen werden daher auf alternative Gestaltungsmöglichkeiten ausweichen müssen um den bestehenden kurzfristigen Personalmangel entgegenwirken zu können. Eine kurzzeitige Beschäftigung oder Arbeitnehmerüberlassung ist hier eventuell ein brauchbares Modell. Welche Konstellation für die betroffenen Einrichtungen bzw. Pflegekräfte interessengerecht ist, wird vom Einzelfall abhängen.

 

Für die stationären Pflegeeinrichtungen sollte nun aber zunächst der Fokus darauf liegen, die negativen Konsequenzen einer fehlerhaften sozialversicherungsrechtlichen Einordnung der freiberuflichen Pflegekräfte zu begrenzen. Für die betroffenen Unternehmen könnte es hier zu erheblichen Nachforderungen seitens der Deutschen Rentenversicherung und zu Lohnsteuernachforderungen seitens des Finanzamtes kommen. Für die betroffene Pflegedienstleitung bzw. die jeweiligen Geschäftsführer stehen potenzielle strafrechtlichen Vorwürfe wegen Sozialversicherungsbetrug nach § 266a StGB bzw. wegen Steuerhinterziehung im Raum. Es kann hier also nur davon abgeraten werden, die Hände in den Schoß zu legen und die Angelegenheit auf sich zukommen zu lassen. Darüber hinaus können sich aus möglichen Nachforderungen je nach Umfang der Einsatzzeiten von Honorarkräften auch erhebliche betriebswirtschaftliche Auswirkungen ergeben, welche ggf. auch rückwirkend aufgrund des Vorsichtsprinzips in der Rechnungslegung in Form von Rückstellungen bzw. Verbindlichkeiten zu beachten sind.

 

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Daniel Finsterer

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