Keine Abzugsbeschränkung für Betriebsausgaben bei einer Notfallpraxis im Wohnhaus

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 ​veröffentlicht am 30. September 2020


Ein als Behandlungsraum eingerichteter und nachhaltig genutzter Raum, der durch Patienten nur über einen dem privaten Bereich zuzuordnenden Flur erreichbar ist, unterliegt gemäß § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG keinen Abzugsbeschränkungen für geltend gemachte Betriebsausgaben.
 
Während ein häusliches Arbeitszimmer den Abzugsbeschränkungen nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG unterliegt, sind die anfallenden Aufwendungen für ein nicht häusliches Arbeitszimmer unbeschränkt abzugsfähig.


Das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 29. Januar 2020, VIII R 11/17 gibt nun Gewissheit, ob ein im privaten Wohnraum eingerichteter Notbehandlungsraum als ein betriebsstättenähnlicher Raum behandelt wird, selbst wenn der Behandlungsraum nicht durch einen separaten Zugang zu erreichen ist oder ob der Behandlungsraum ein häusliches Arbeitszimmer darstellt.

 

Ausgangslage

Eine Augenärztin (Klägerin) unterhielt neben einer Gemeinschaftspraxis mit zwei weiteren Kollegen im Keller ihres privaten Wohnhauses einen Behandlungsraum für Patienten in Notfällen. Der Keller in dem der Behandlungsraum lag, war nicht durch einen separaten Eingang, sondern nur durch den privaten Hausflur, erreichbar. Der Notbehandlungsraum wurde ausschließlich für ärztliche Behandlungen genutzt und war als solcher ausgestattet (Klappliege, Spaltlampe, Instrumente etc.). Die hierfür angefallenen und von der Klägerin geltend gemachten Sonderbetriebsausgaben wurden vom Finanzamt verweigert. Das Finanzamt machte vom Abzugsverbot gem. § 4 Abs. 5 S.1 Nr. 6b EStG Gebrauch. Demnach würde es sich aufgrund des fehlenden leichten Zuganges nicht um einen betriebsähnlichen Raum sondern um ein häusliches Arbeitszimmer handeln. Die Betriebsausgaben seien somit nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG nicht abziehbar. Ebenso greife auch nicht die Ausnahmeregelung des § 4 Abs. 5 Nr. 6b Satz 2 EStG, wonach der Betriebsausgabenabzug auf 1.250 Euro im Jahr beschränkt ist, insofern dem Steuerpflichtigen kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Unstrittig unterhält die Klägerin eine Praxis.

 

Urteil des Finanzgerichts

Laut Urteil vom Bundesfinanzhof stellt der von der Augenärztin betriebene Behandlungsraum einen betriebsstättenähnlichen Raum dar. Es handelt sich nicht um ein häusliches Arbeitszimmer, das gem. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG einer Abzugsbeschränkung unterliegt bzw. vom Abzug ausgeschlossen wird.

Ein häusliches Arbeitszimmer ist aufgrund seiner Lage, Funktion und Ausstattung in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden. Der Raum dient dem gedanklichen, schriftlichen, verwaltungstechnischen oder organisatorischen Arbeiten. Zudem ist das Arbeitszimmer idealerweise mit Büromöbeln, insbesondere mit einem Schreibtisch, ausgestattet.

Die Aufwendungen für Räume innerhalb des privaten Wohnbereichs eines Steuerpflichtigen, die nicht in die Kategorie eines häuslichen Arbeitszimmers fallen, dürfen unbeschränkt als Betriebsausgaben/Werbungskosten abgezogen werden. 
 
Dabei ist im Einzelfall zu prüfen, ob der mit dem Wohnraum des Arztes in räumlichem Zusammenhang stehende und zur Notfallbehandlung eingerichtete Raum als betriebsstättenähnlicher Raum anzusehen ist. Grundlage hierfür ist die betriebliche/berufliche Nutzung des Raumes und die Widerspiegelung des betrieblichen/beruflichen Charakters. Werden diese Aspekte erfüllt, so stellt die Notfallpraxis kein häusliches Arbeitszimmer dar. Die hierfür anfallenden Aufwendungen gelten dann laut dem Bundesfinanzhof als Betriebsausgaben und sind ohne Beschränkungen abziehbar. Dabei sei der leichte Zugang nach § 4 Abs. 5 S.1 Nr. 6b EStG nicht von Belang, da sich aufgrund der Ausstattung und/oder des Zugangs durch dritte Personen die private (Mit-)Nutzung praktisch ausschließen lässt.

Die Merkmale (Ausstattung und Zugänglichkeit) sind somit grundlegend entscheidend für die betriebsstättenähnliche Zuordnung eines Behandlungsraumes. Demnach sei die Erreichbarkeit des Behandlungsraumes ausschließlich durch den privaten Flur irrelevant, da sich die private Mitbenutzung aufgrund der Ausstattung und/oder wegen der Zugehörigkeit ausschließen lässt. Die Abzugsbeschränkung nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG greift somit nicht und die Aufwendungen sind vollumfänglich abziehbar.

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