Schiedsspruch der Schiedsstelle Brandenburg zur Festsetzung des Pflegebudgets

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​veröffentlicht am 29. April 2021, Autorin: Christiane Kraus

 

Die Schiedsstelle Brandenburg hat eine Entscheidung zur Festsetzung des Pflegebudgets nach § 6a KHEntgG getroffen. Die im Verfahren vorzunehmende rechtliche Würdigung befasst sich mit vielfältigen Fragen bei der Bemessung des Pflegebudgets. Bei der Frage, welches Krankenhauspersonal als pflegebudgetrelevant anerkannt werden kann, gibt es keine Einschränkung auf bestimmte Berufsgruppen. Welche Anteile derer Tätigkeiten als pflegebudgetrelevant anerkannt werden können, ist zwischen den Berufsgruppen zu differenzieren. Sie hat ferner die Voraussetzungen pflegepersonalentlastender Maßnahmen dargestellt. 
 
Im letzten Monat wurden mehre Schiedssprüche aus unterschiedlichen Bundesländern veröffentlicht, die sich im Wesentlichen mit den gleichen Themen beschäftigt haben und auch zum gleichen Ergebnis kamen. Im Artikel soll jedoch insbesondere auf die Aussagen der Schiedsstelle nach § 18a KHG des Landes Brandenburg bezüglich ihres Schiedsspruch zur Festsetzung des Pflegebudgets eingegangen werden. Die Entscheidungen der Schiedsstelle betreffen 

  • welches Krankenhauspersonal bzw. welche Tätigkeiten des Personals als pflegebudgetrelevant anerkannt werden kann,
  • in welchem Ausmaß bzw. zu welchen Anteilen die Tätigkeiten als pflegebudgetrelevant anerkannt werden können,
  • welche Anforderungen an die Plausibilisierung der Forderung gestellt werden,
  • welche Voraussetzungen pflegepersonalentlastende Maßnahmen haben müssen und
  • wie die Tabelle der Anlage 1.1 bzw. 1.2 der Pflegebudgetverhandlungsvereinbarung auszufüllen ist.

 

1. Anerkennung des pflegebudgetrelevanten Krankenhauspersonals bzw. der Tätigkeiten des Personals

Es besteht grundsätzlich keine Einschränkung auf bestimmte Berufsgruppen. Dies ergibt sich aus der Pflegepersonalkostenabgrenzungsvereinbarung sowie der Pflegepersonalkostenverhandlungsvereinbarung. Hier kann keine Einschränkung auf bestimmte Berufsgruppen entnommen werden. Ein Ansatz ist somit für alle Berufsgruppen bzw. deren Leistungen, sofern sie in der unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen tätig sind und soweit sie typische pflegerische Tätigkeiten ausüben, wie auch Pflegekräfte sie ausüben, zumindest anteilig möglich.


2. Anerkennung des pflegebudgetrelevanten Ausmaßes bzw. des Anteils der Tätigkeiten

Hierbei gibt es zwei Sachverhalte: Personen bzw. Berufsgruppen deren gesamte Tätigkeit als pflegebudgetrelevant anzuerkennen sind und Personen bei denen nur ein Anteil zu den pflegebudgetrelevanten Tätigkeit gezählt werden. Dieser Anteil muss auf Grundlage plausibler Darlegungen konkret bestimmt werden (siehe hierzu 3. Anforderungen an die Plausibilisierung der Forderung).

 

Vollständige Zurechenbarkeit zum Pflegebudget

Vollständig anerkannt wird der Pflegedienst auf Normalstationen, auf Intensivstationen und Dialyseabteilungen. Dazu gehören auch die Pflegedienstleitung und das Pflegehilfspersonal im stationären Bereich sowie auch die Schüler und Stationssekretär:Innen, diese allerdings nur insoweit, als sie auf die Besetzung der Stationen mit Pflegepersonal angerechnet werden.

Des Weiteren argumentiert die Schiedsstelle, dass die vollständige Ausgliederung sich nur auf solches Pflegepersonal erstrecken kann, das „überwiegend” in der unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen tätig ist. Die überwiegend in der unmittelbaren Patientenversorgung Tätigen werden nicht nur mit diesem überwiegenden Tätigkeitsanteil dem Pflegebudget zugeordnet, sondern darüberhinausgehend mit ihrer gesamten Tätigkeit; bei diesem Pflegepersonal wird sozusagen „aufgerundet”, was wohl aus Gründen der Praktikabilität auch sinnvoll sein dürfte. Diese Regelung gilt ebenfalls für Pflegehilfspersonal.

 

Anteilige Zurechenbarkeit zum Pflegebudget

Beim sonstigen Personal erfolgt die Anerkennung als pflegebudgetrelevant nur entsprechend dem Ausmaß bzw. Anteil der unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen, wie auch Pflegekräfte sie ausüben. Eine Voraussetzung ist somit, dass typische Tätigkeiten, wie auch Pflegekräfte sie ausüben, erforderlich sind. Es sind daher pflegerische von medizinisch-behandelnden Leistungen abzugrenzen.

Eine Abgrenzung tritt besonders bei Physio- und Ergotherapeuten hervor. Es muss plausibel begründet werden, dass diese Personengruppen neben den von ihnen erbrachten medizinischen Behandlungsleistungen noch pflegerische Tätigkeiten erbringen, wie sie typischerweise von Pflegekräften erbracht werden. An diese Plausibilisierung sind hohe Anforderungen zu stellen, da es vom Standard her ungewöhnlich ist, dass sie auch allgemeine typisch-pflegerische Tätigkeiten durchführen. Wenn vorgebracht wird, dass die Therapeuten nicht nur in absoluten Ausnahmefällen, sondern in nennenswertem Umfang oder gar in gewisser Regelmäßigkeit pflegerische Tätigkeiten übernähmen, bedürfte die Plausibilisierung eine entsprechende substantiierte Darlegung. Ein anteiliger Ansatz pflegerischer Tätigkeit kann nicht damit belegt werden, dass die Ausbildungsordnungen für die Therapeuten auch Regelungen über das Kennenlernen pflegerischer Tätigkeiten enthalten.

Bei anderen Berufsgruppen ist es jedoch denkbar, dass sie zu einem Anteil in der unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen tätig sind und dabei auch typische pflegerische Tätigkeiten ausüben, wie auch Pflegekräfte sie ausüben, und zu einem anderen Anteil nicht-pflegebudgetrelevante Tätigkeiten ausüben. Es sind wiederum keine Berufsgruppen von vornherein ausgeschlossen. Auch Personen ohne Berufsabschluss und solchen mit nur geringer Ausbildung(sdauer) ist ein Ansatz möglich, solange die genannten Voraussetzungen zum Ansatz im Pflegebudget erfüllt werden. Hierunter fallen zum Beispiel Personen im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes oder im sozialen Jahr, aber auch sonstige Helfer ohne Berufsabschluss. Bei diesen besteht die Möglichkeit, dass sie anteilig in der unmittelbaren Patientenversorgung und andernteils nicht-pflegebudgetrelevant tätig sind. Es bedarf der konkreten Feststellung, welcher Anteil die pflegebudgetrelevante Tätigkeit ausmacht. Für den Fall einer anteiligen Zurechnung obliegt es dem Krankenhaus bzw. seinem Träger, das jeweilige Tätigkeitsspektrum plausibel darzustellen.

Des Weiteren können Ausgaben für die Hinzuziehung Dritter, also solcher Personen, die nicht Personal des Krankenhauses sind, bei Vorliegen der erforderlichen Voraussetzungen dem Pflegebudget zuzuordnen sein. Dies erfordert zunächst die allgemeinen Voraussetzungen und sodann dürfen die Leistungen nicht schon durch das DRG-Vergütungssystem abgegolten sein. Außerdem muss aus den schriftlichen Rechnungen erkennbar sein, dass es sich um Ausgaben für Dienstleistungen für das Krankenhaus gehandelt hat und die Rechnungen müssen plausibel sein. Darin muss der Einsatz konkret umrissen dargelegt sein und es muss ausgewiesen sein, um welche Art von Dienstleistungen, für wen und in welchen Zeiträumen es sich gehandelt hat. Dem Krankenhaus steht es frei, die Zuordnung zum Pflegebudget oder zu den pflegepersonalentlastenden Maßnahmen geltend zu machen, eine Doppelfinanzierung ist jedoch ausgeschlossen.

Patiententransporte und -begleitungen, die von Dritten durchgeführt werden, können weder dem Pflegebudget noch den pflegeentlastenden Maßnahmen zugeordnet werden, wenn es sich um Wege außerhalb der bettenführenden Stationen handelt. Die Einsätze hinzugezogener Dritter können nur dann, wenn sie innerhalb bettenführender Stationen erfolgen als pflegeentlastende Maßnahmen anerkannt werden.

Bei Leiharbeitnehmern ist zu beachten, dass alle Ausgaben über dem tariflich vereinbarten Arbeitsentgelt außer Betracht bleiben. Die Höhe des für die Leiharbeitskraft im Pflegebudget zu berücksichtigende Arbeitsentgelt hat unter der Berücksichtigung der tarifvertraglichen Regelung zur Qualifikation und Berufserfahrung einer entsprechenden beim Krankenhaus beschäftigten Arbeitskraft zu erfolgen. Die Höhe ergibt sich nicht aus den Durchschnittsgehältern anderer Mitarbeiter. Es darf auch daher keine Umsatzsteuer oder Vermittlungsprovision zum Ansatz kommen.

 

3. Anforderungen an die Plausibilisierung der Forderung

Bei nur anteiliger Tätigkeit muss der Krankenhausträger den Anteil der unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen anhand von z.B. Tätigkeitsbeschreibungen plausibel machen. Ferner muss der Träger auf Anforderung der Krankenkassen zusätzliche Unterlagen und Auskünfte vorbringen. Dies aber nur, wenn es im Einzelfall erforderlich ist und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.

Die Menge an Unterlagen, die die Krankenkassen anfordern können, ist bei alledem durch die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des gegenseitigen Vertrauens begrenzt. In Einzelfällen können weitergehende Unterlagen eingefordert werden. Dies setzt voraus, dass dafür ein konkreter Anlass vorliegt, den die Krankenkassen auf Anforderung auch darstellen müssen. Die Anforderung ergänzender Unterlagen darf nicht der Regelfall sein.

Bei Personal, bei dem eine anteilige Tätigkeit außerhalb der unmittelbaren Patientenversorgung infrage steht, kommt der Vorlage von Tätigkeitsbeschreibungen besondere Bedeutung zu: Diese werden als geeignet dafür angesehen, dass die Vertragspartner auf ihrer Grundlage die Bemessung der verschiedenen Anteile erörtern und gemeinschaftlich zu sachgerechten Anteilsschätzungen gelangen. Die Anforderung von Tätigkeitsbeschreibungen kann nicht als unverhältnismäßig angesehen werden.

4. Voraussetzungen der pflegepersonalentlastenden Maßnahmen

Eine Voraussetzung für die Berücksichtigung im Pflegebudget 2020 ist die Erfordernis, dass das Krankenhaus die Maßnahme ab dem 1. Januar 2019 ergriffen und im Jahr 2020 weiter fortgesetzt hat. Wurde eine Maßnahme schon vor dem 1. Januar 2019 ergriffen, so scheidet eine Anerkennung aus (Stichtagsregelung).

Inhaltlich kommt es darauf an, ob die Maßnahme auch die Voraussetzung einer Entlastung des Pflegepersonals in der unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen erfüllt. Dabei ist zu beachten, dass es nicht ausreicht, wenn sich eine Entlastung auf Vorgänge bezieht, die nicht der unmittelbaren Patientenversorgung dienen. Im Pflegebudget sind nicht nur Maßnahmen, die eine Entlastung bei der Fürsorge direkt am Patienten bewirken, sondern auch andere Maßnahmen, die zur Entlastung bei der unmittelbaren Patientenversorgung führen. Dies betrifft z.B. Einsparungen bei Wegezeiten, jedoch nur Wegezeiten innerhalb einer bettenführenden Station und nicht solche, die einen Weg von der Station hin zu anderen Räumen betreffen.

Von der Schiedsstelle wurde eine beschaffte ISO-Modulschrankwand sowie ein Blutgasmesssystem nicht als pflegeentlastend anerkannt, da die Zeitersparnis nur eine mittelbare Wirkung ist und nicht ausreicht für die Anerkennung. Ein zentralisiertes digitales Archivsystem für alle Aktenvorgänge, wurde von der Schiedsstelle akzeptiert, da eine direkte Entlastung in der unmittelbaren Patientenversorgung vorliegt. Im Allgemeinen kann man wohl jegliche Maßnahmen zur Digitalisierung der Patientenakte als geeignet ansehen. Diese müssen jedoch realitätsnah und von einer Doppelfinanzierung ausgeschlossen sein.


5. Ansatz in der Tabelle der Anlage 1.1 bzw. 1.2 der Pflegebudgetverhandlungsvereinbarung

Bei der Anlage 1.1 bzw. 1.2 der Herleitung der pflegebudgetrelevanten Kosten sind in der Zeile 1 sämtliche Kosten für Pflegepersonal der Dienstart 01 entsprechend der KHBV – unabhängig von der Kostenstelle – zu erfassen. Dann ist in den Zeilen 5 ff. eine entsprechende Abgrenzung vorzunehmen. Es ist somit in Zeile 1 das gesamte Personal zu erfassen. Eine Abgrenzung solchen Personals, das nicht im Anwendungsbereich des KHEntgG tätig ist, erfolgt erst durch den Eintrag in den Zeilen 5 ff.

 


Sind die betrachteten Zeiträume der Verhandlung schon teilweise oder ganz abgelaufen, sind bereits vorliegende IST-Werte einzubeziehen.

Die Schiedsstelle nimmt auch nochmals Bezug auf die Bundesempfehlung für das Pflegebudget 2020, bei der nur Pflegehilfskräfte mit mindestens einjähriger Ausbildung berücksichtigt werden sollen. Bei dieser Empfehlung handelt es sich um keine Rechtsnorm und hat somit keinen verbindlichen Charakter. Die Anwendung der Empfehlung steht den Vertragspartnern somit frei.

Für Fragen bezüglich des Pflegebudgets stehen wir für Sie gerne bereit.

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