Kabinett beschließt erneute Novellierung des Eisenbahnregulierungsgesetzes (ERegG)

PrintMailRate-it

​veröffentlicht am 10. März 2021


Die Novellierung des ERegG soll das deutsche Eisenbahnrecht näher an die Idee des Deutschlandtakts führen - zumindest schrittweise. 

Dass das ERegG innerhalb von zwölf Monaten zweimal von der Bundesregierung „angefasst” wird, ist unterschiedlichen Komplexitätsgraden der Änderungen und den verschiedenen Interessenslagen geschuldet. Die letzte gesetzgeberische Anpassung im Juni 2020 beinhaltete eine Limitierung der Steigerung der Trassen- und Stationspreise auf diejenige der jährlichen Erhöhung der Regulierungsmittel, die der Bund an die Länder zur Finanzierung des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) ausreicht. Eine klare Causa: Der Erhalt der „Kaufkraft” der Regulierungsmittel für die Bestellungen der Aufgabenträger im SPNV-Markt. Verbunden mit klaren Regelungen in § 37 ERegG führte dies schnell zu einem übergreifenden Konsens. Allein die DB Infrastrukturgesellschaften verloren an Gestaltungsmacht. Die jetzt anstehende Reform ist anders gelagert.

Seit einigen Jahren hat sich die deutsche Eisenbahnpolitik dem „Deutschlandtakt” verschrieben: Ein deutschlandweites Netz aus sog. Systemtrassen soll dazu führen, dass in ausgewählten Taktknoten überall im Land Fahrgäste künftig innerhalb eines engen Zeitkorridors zwischen allen Zügen SPNV und des Schienenpersonenfernverkehrs (SPFV) über Betreibergrenzen hinweg umsteigen können. In der Gesamtreisekette sollen also nicht wertvoll durch teuren Hochgeschwindigkeitsverkehr „ersparte” Reiseminuten durch Warten auf den Anschlusszug wieder „verloren” gehen. Dazu müssen möglichst alle Züge zu ähnlichen Zeiten an einem Bahnhof ankommen (im Idealfall zur Minute '00 oder zur Minute '30) und, nach Gewährung von Umsteigezeiten, auch fast gleichzeitig wieder abfahren. Damit dies möglich wird, müssen den Zügen für das Gesamtsystem relevante Zugtrassen zugewiesen werden, die innerhalb bestimmter Kantenzeiten von einem Bahnhof zum nächsten führen. Dies erfordert einerseits eine Investitionspolitik in Infrastruktur und Fahrmaterial, die sich am geplanten Idealfahrplan orientiert. Schließlich sind Fahrzeiten von jeweils etwas unter 30 oder etwas unter 60 Minuten gefordert, damit die einzelnen Züge ideal in den jeweiligen nächsten Netzknoten geführt werden. Dazu dienen u.a. die Festlegungen im aktuellen Bundesverkehrswegeplan 2030. Zugleich müssen beispielsweise die Wagen schnelle Fahrgastwechselströme gewährleisten.

Flankierend muss das Eisenbahnregulierungsrecht entsprechend angepasst werden. Der Paradigmenwechsel von der simplen bisher herrschenden „open-access”-Logik hin zu einem netzweit-integrierten Verständnis von Eisenbahnregulierung erfolgt nur schrittweise. Die nun dem Parlament vorgeschlagenen Änderungen am Gesetz macheneutlich, dass man alle Beteiligten, von der DB zu den Wettbewerbsbahnen, vom Personen- bis zum Güterverkehr, vom SPNV bis zum SPFV, „mitnehmen” muss und will. Die zentralen Anpassungen mit Bezug zum Deutschlandtakt sind:

Eine Definition von „Deutschlandtakt” und „integralen Taktfahrplänen” öffnet das ERegG (neue Absätze 28 und 29 des § 1) für das Konzept des integrierten Taktfahrplans. Die Systemtrassen als zentrales Merkmal für die künftige Zuweisung von Fahrwegkapazität sind damit benannt, ebenso wird die Umkehrung der bisherigen Fahrplanlogik festgelegt: Nicht der Infrastrukturbestand und der verfügbare Fuhrpark bedingen den Fahrplan, sondern der Idealfahrplan bedingt die künftigen infrastrukturellen Maßnahmen und die Fahrzeugbeschaffungspolitik.

Rahmenverträge gewähren einem Schienenwegzugangsberechtigten die Sicherung von Fahrwegkapazitäten über die Netzfahrplanperiode (ein Jahr) hinaus. Dies dient insbesondere der rechtssicheren Einbindung von über mehrere Jahre laufenden Verkehrsverträgen im gemeinwirtschaftlich erbrachten SPNV. Allerdings werden dadurch nicht minutengenaue Trassen vertraglich gebunden, sondern sogenannte Bandbreiten, die im § 49 Abs. 1 nun „Zeitrahmen” genannt werden. Die wohl relevanteste Änderung mit Blick auf den Deutschlandtakt: Rahmenverträge werden durch die Regulierungsbehörde BNetzA genehmigungspflichtig (§ 49 Abs. 3) und änderbar bzw. einschränkbar (§ 49 Abs. 4), wenn es „im Interesse einer besseren Nutzung des Schienennetzes” ist.

Im neuen § 52a findet sich das vorläufige Kernstück des D-Taktes in regulierungsrechtlicher Hinsicht. Mit dem sog. Pilotierungsverfahren sollen durch noch zu erlassende „Rechtsverordnung Strecken [festgelegt werden], auf denen Pilotprojekte zur Erprobung neuer Konzepte zur Nutzung der Kapazitäten und zur
Fahrplanerstellung durchgeführt werden. Dies dient insbesondere der Erprobung von Modellen im Hinblick auf den geplanten Deutschlandtakt (…)”(Abs. 1). Dazu hat der Betreiber der Schienenwege, also etwa DB Netz, einen nicht näher spezifizierten Kapazitätsnutzungsplan aufzustellen (Abs. 2).

 

Bewertung für die Praxis

Die Etablierung des Deutschlandtaktes im deutschen Eisenbahnverkehr durch ein sich abzeichnendes diesbezügliches Einverständnis über alle Marktakteure hinweg – von Politik über Unternehmen, Verbände, Wissenschaft bis hin zur Zivilgesellschaft – kann so etwas wie die kopernikanische Wende im öffentlichen Verkehr sein, wie es etwa in der Schweiz seit den 1980er Jahre der Fall war und istmit verbundenen rechtlichen Herausforderungen sind auch in der vorliegenden Novelle des ERegG nur angerissen. Rechtlich mindestens ebenso spannend für Zugangsberechtigte und sonst Marktinteressierte ist daher, was gesetzgeberisch noch fehlt, aber absehbar notwendig sein wird, wenn eine Verkehrswende im Eisenbahnsektor ein ernstgemeintes Anliegen sein soll.

 

 

Besuchen Sie unser Webinar!

Aus dem Newsletter

Kontakt

Contact Person Picture

Oliver Ronnisch

Rechtsanwalt

Senior Associate

+49 30 810795 99

Anfrage senden

Wir beraten Sie gern!

Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu