ERegG-Novelle – Interview mit Tobias Heinemann, Sprecher der Geschäftsführung der Transdev GmbH

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​veröffentlicht am 21. April 2021

 

Am Mittwoch, den 14.04.2021, hat sich der Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages im Rahmen einer Sachverständigenanhörung mit der Novellierung des Eisenbahnregulierungsgesetzes befasst. Die Reform des Gesetzes geht auf eine entsprechende Verabredung im Koalitionsvertrag zurück. Kurz vor dem Parlamentstermin wurde ein vertraulicher Bericht des Bundesrechnungshofs bekannt, der streng mit dem Vorhaben ins Gericht geht. Tobias Heinemann, seit über drei Jahren Geschäftsführer der Transdev GmbH, dem größten privaten Mobilitätsdienstleister in Deutschland, äußert sich zu den Plänen der Bundesregierung im Interview mit Oliver Ronnisch, Rechtsanwalt im Team Mobilität bei Rödl & Partner.

 

Rödl & Partner (RP): Herr Heinemann, Sie haben in einem LinkedIn-Beitrag anlässlich eines Rechnungshofberichts zur ERegG-Novellierung scharfe Kritik an der Eisenbahnpolitik der derzeitigen Bundesregierung geäußert. Was läuft Ihrer Ansicht nach in die falsche Richtung?

 

Tobias Heinemann (TH): Man muss sich zunächst vor Augen halten, was die gesetzgeberischen Ziele bei Erlass des ERegG im Jahr 2016 waren. Es sollte der Wettbewerb auf der Schiene gesichert werden, um insgesamt mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Dies sollte dann schließlich für einen höheren Anteil des öffentlichen Verkehrs am Gesamtverkehrsaufkommen führen, Stichwort: Verkehrswende. In Anbetracht dieser Ziele bezieht sich meine Hauptkritik insbesondere darauf, was in der Novelle nicht aufgegriffen wurde.

 

RP: Dann kommen wir doch zu dem, was Ihrer Ansicht nach fehlt. Transdev nutzt in der Regel die Infrastruktur der DB Infrastruktursparte DB Netz, wo sind da die Problemlagen?

 

TH: Die fehlende Trennung zwischen Infrastruktur und Betriebsgesellschaften innerhalb des DB-Konzerns  stellt seit der Bahnreform ein großes Problem dar. Ich nenne als Beispiel das Winterchaos nach dem Sturmtief „Tristan” in Norddeutschland im Februar 2021. Dort hat es bis zu sieben Tage gedauert, bis die Schienen der Regio-S-Bahn Bremen/Niedersachsen für die Züge unserer Tochter Nordwestbahn vollständig wieder befahrbar waren. Hier wird mindestens ein massives Desinteresse eines Infrastrukturbetreibers an der Erledigung seiner ureigenen Aufgabe Infrastrukturbewirtschaftung deutlich, was letztlich Ausdruck seiner mangelnden Unabhängigkeit innerhalb des DB Konzerns ist.

 

RP: Wie schaut es aus mit den Kosten der Infrastrukturnutzung, müsste dort stärker reguliert werden?

 

TH: Wir zahlen für die Nutzung der DB Infrastruktur einen deutlich zu hohen Preis, dies in zweierlei Hinsicht. Zum einen zahlen wir schlicht zu viel für das, was wir bekommen. Das liegt an den fiktiven Kapitalkosten, die DB Netz bei der Ermittlung ihrer Infrastrukturnutzungsgebühren einkalkulieren darf. Hier setzt die DB einen üblichen Zinssatz für Fremdkapital an. Für eine Infrastruktur, die wohlgemerkt in den letzten 100 Jahren maßgeblich vom Steuerzahler finanziert wurde, nicht vom Kapitalmarkt. Dies liegt auch am Kostenansatz für sich: Bei der DB gilt der Vollkostenansatz, nicht die Grenzkosten. Das heißt wir finanzieren beispielsweise mit unseren Trassengebühren, die wir für die Fahrleistungen der Regio-S-Bahn Bremen/Niedersachsen zahlen, nicht allein die durch deren Verkehr anfallenden Aufwände.

 

Wir finanzieren damit anteilig das Gesamtsystem der DB-Infrastruktur, überall im Land. Zum anderen konterkarieren die dadurch entstehenden hohen Kosten die selbstgesetzten verkehrspolitischen Ziele. Jeder Euro, der ineffizient in überhöhte Infrastrukturnutzung gesteckt wird, fehlt bei der Finanzierung von Mehrverkehren. Die wir aber organisieren müssten, wenn wir beispielsweise bis 2030 die Fahrgastzahlen im Schienenverkehr verdoppeln wollen. Vollends absurd wird es dann, wenn etwa der konkurrierende Verkehrsträger Straße diese Kosten nicht tragen muss. Die Autobahn GmbH kann jedenfalls diese Kostenansätze gegenüber dem Fernlastverkehr nicht durchsetzen, was diesem natürlich einen klaren Preisvorteil verschafft. Ordnungspolitisch korrekt müsste der Infrastrukturbereich der DB aus dem Konzern ausgegliedert und einer nicht gewinnwirtschaftlich orientieren Einheit überantwortet werden. Denn die Infrastruktur hat eine dienende Funktion, als solche gehört sie in die öffentliche Hand. Dann wären auch Kapitalkosten nicht mehr fällig.

 

RP: Wie sieht es denn mit der Qualität der bereitgestellten Infrastruktur aus, gäbe es da gesetzgeberischen Nachbesserungsbedarf?

 

TH: Dem ERegG fehlen Haftungsregelungen zur Durchsetzung von Minderungsansprüchen bei Schlechtleistungen, die etwa durch Folgeschäden entstehen. Derzeit ist es so, dass bei infrastrukturbedingten Fahrtausfällen oder Verspätungen bei mit Aufgabenträgern vertraglich vereinbarten Fahrten von diesen sofort eine Entgeltminderung uns gegenüber erfolgt. Wir konnten diese bisher nicht an den eigentlichen Verursacher bei der DB weiterreichen und blieben damit auf dem Delta sitzen. Zwar hat inzwischen der BGH eine klare Schadensersatzpflicht von DB erkannt, hier müsste allerdings der Gesetzgeber eingreifen, in dem er zivilrechtliche Schadensersatzansprüche gesetzlich klar formuliert.

 

RP: In welchen Bereichen fehlen denn sonst noch gesetzliche Regelungen?

 

TH: Die Bereiche Fahrgastinformation und Fahrkartenvertrieb sind unserer Ansicht nach weiterhin klar zu schwach reguliert. Insbesondere zu bahn.de und dem DB-Navigator, der DB-App für das Smartphone, haben wir als Wettbewerber kaum Zugang, diese Kanäle werden aber immer zentraler für die Beziehung Eisenbahnunternehmen-Kunde. Das nächste große Zukunftsthema ist auch noch nicht angepackt: Der Umgang mit Daten – wer speichert welche Daten und – vor allem – wer hat welchen Zugriff darauf. Allein dass das neue, ausschließlich digitale Zugsicherungssystem ETCS immer weiter ausgebaut wird, verlangt hier klare Regelungen. Das sieht im Übrigen die Bundesnetzagentur genauso wie wir.

 

RP: Welche Themen scheint der Gesetzgeber den überhaupt sinnvoll im Entwurf anzugehen?

 

TH: Dass der Begriff des Deutschlandtaktes erstmals im Gesetz auftaucht, ist ein Fortschritt. Allerdings nur ein kleiner: Neben der bloßen Nennung wird zum Deutschlandtakt nämlich nicht viel geregelt, es fehlen insbesondere die Prinzipien seiner Verankerung im Gesetz. Auch hier wird wieder deutlich, dass dem Bund nicht klar ist, welche Rolle er eigentlich spielen will: Die des Regulierers, der allen Betreibern von Schienenverkehr dienend seine Infrastruktur zur Verfügung stellt oder die des Eigentümers der DB AG, welche mit anderen Verkehrsunternehmen in Konkurrenz steht. Als Positivbeispiel, wie es in der Verkehrspolitik auch laufen kann, möchte ich auf den ÖPNV-Rettungsschirm aus 2020 verweisen: Der hat funktioniert, weil es eine Branchenlösung war, keine Unternehmenslösung.

 

RP: Herr Heinemann, wir danken für das Gespräch.

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