E-Infrastruktur: Wie gelingt der Aufbau der Ladeinfrastruktur?

PrintMailRate-it

​veröffentlicht am 26. Januar 2022


Die Errichtung von Ladeinfrastruktur für den ÖPNV ist ein komplexer Prozess, mit langen Vorlaufzeiten. Für anstehende Vergabeverfahren wird dies zu einer Entkoppelung der Vergaben von Betriebs- und Infrastrukturleistung führen. Zudem kann Ladeinfrastruktur eine „wesentliche Einrichtung” sein, zu der der Betreiber einen diskriminierungsfreien Zugang zu gewähren hat.  

 
Die neue Bundesregierung verfolgt im Verkehrssektor ähnliche Ziele wie die Vorgängerregierung: Massiver Ausbau des ÖPNV, auch ergänzt um neue Formen von Mobilität, auch kollektiver Art, eine Verdoppelung der Personenverkehrsleistung (in Pkm) auf der Schiene und eine „deutliche Steigerung” im übrigen ÖPNV bis 2030 soll helfen, die bisher von allen klimarelevanten Sektoren am geringsten realisierten Reduktionen klimaschädlicher Emissionen im Mobilitätssektor deutlich zu steigern. Der Einspareffekt durch Wegfall von Abgasen aus Pkw durch Umsteiger wird allerdings erst dann nachhaltig, wenn der ÖPNV selbst CO2 und Co. reduziert. Dazu muss der Antrieb der Fahrzeuge, egal ob Bus, Kleinbus, Großraumtaxi oder ähnliches, klimafreundlich umgestellt werden. Nicht zuletzt durch die Clean Vehicle Directive (Richtlinie (EU)
2019/1161), welche zum 2.8.2021 in Deutschland, durch das Gesetz über die Beschaffung sauberer Fahrzeuge, umgesetzt wurde.

Die Umstellung auf neue Antriebe, sei es Elektro oder Wasserstoff, stellt den ÖPNV-Markt vor größere Herausforderungen. Zunächst müssen die infrastrukturellen Bedingungen für das Laden/Betanken der Fahrzeuge geschaffen werden. Während bei Wasserstoff primär entsprechende Betankungseinrichtungen errichtet bzw. umgebaut werden müssen und die eigentliche Herausforderung in einer absehbar global organisierten Produktionsorganisation für Wasserstoff besteht, muss bei Umstellung auf Elektroantrieb ein geeignetes Mittelmaß aus Zentralisierung und räumlicher Verteilung gefunden werden. Zentralisierung, weil geeignete Stromerzeugungs- und -verteilungsanlagen vorhanden sein müssen – Strombedarfe für mittelgroße Städte werden bei nächtlicher Gesamtaufladung eines durchschnittlichen Betriebshofes benötigt. In einem von Rödl & Partner betreuten Vergabeverfahren für ein künftig mit E-Bussen betriebenes Stadtbusnetz in Frankfurt am Main war die räumliche Nähe des Chemieparks in Höchst mit räumlicher Verfügbarkeit von Abstellflächen zur Errichtung eines Betriebshofes samt Ladeinfrastruktur bei gleichzeitiger Nutzbarkeit von überschüssiger Prozessenergie aus der chemischen Produktion ein entscheidendes Argument für die Wahl der Elektromobilität. Zugleich muss wegen der nach wie vor bestehenden Reichweitenbeschränkung von E-Fahrzeugen eine gewisse Verteilung von Lademöglichkeiten über ein Netz hinweg gewährleistet sein, sei es durch einen weiteren Betriebshof oder durch im öffentlichen Straßenraum vorhandene Lademöglichkeiten für ein (Teil-)Laden „unter rollendem Rad” (bzw. an einer Haltestelle). Entsprechende Ladestrategien zu entwickeln wird künftig zu ganz neuen Netzgestaltungen und Umlaufplänen in Busnetzten führen. Die Personaldisponibilität wird als zentraler Bestimmungsfaktor zurücktreten müssen. Im Ergebnis eines solchen Prozesses müssen Linienführungen absehbar neu gestaltet werden, auch auf die Genehmigungsbehörden für die Liniengenehmigungen nach PBefG kommt neue Arbeit zu.

Der zentrale Engpassfaktor in der jetzt anstehenden Übergangsphase wird die Finanzierung neu zu errichtender Infrastruktur sein. Der öffentlichen Hand wird dabei eine noch stärkere Rolle als heute bei der Finanzierung des ÖPNV zukommen. Während der Aufbau von Wasserstoffproduktionskapazitäten im globalen Rahmen absehbar nur vom Bund oder der EU unterstützt werden können – etwa durch koordinierte Rohstoffstrategien – wird die Elektromobilität insbesondere von Kommunen und Verbünden beteiligendes Engagement abverlangen. Wenn die Kommunen schnell einen eigenen Klimabeitrag leisten wollen, dürfte neben der Kofinanzierung des Busbetriebs auch der finanzielle und ggf. strategische Einstieg in ortsgebundene Infrastruktur notwendig werden. Die Herausforderung besteht darin, dass die Investitionsvolumina derart hoch sind und die Abschreibungszeiträume derart lang, dass eine (Mit-)Finanzierung durch die öffentliche Hand nicht im Rahmen der Laufzeit „normaler” öffentlicher Dienstleistungsaufträge im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 (VO 1370) von 10 in Ausnahmefällen von 15 Jahren abbildbar ist. Eine bloße Integration von Infrastruktur in Verkehrsverträge, egal ob ausgeschrieben oder direkt vergeben, ist daher nicht zielführend. Der ökonomische Zwang, mindestens zwei öDA-Laufzeiten einzuplanen und dem damit verbundenen Anschlussvergaberisiko dürfte zu Fremdkapitalkonditionen führen, die selbst für ein öffentliches Unternehmen nicht attraktiv sein dürften. Auch ein Ansatz über die Formulierung einer allgemeinen Vorschrift, die als ausgleichsfähiges Delta jenes zwischen dem auskömmlichen Tarif des Verkehrsunternehmens und einem zu konstruierenden „Klimatarif” (also ein Tarif unter Nutzung von Fahrzeugen mit klimafreundlichen Antrieben) formuliert ist, hat seine Beschränkungen insbesondere in dem es zunächst die Finanzierungslast für die Infrastruktur auf das Unternehmen überwälzt, was ebenfalls zu nicht optimalen Kreditkonditionen führen könnte.

Instrument der Wahl könnte eine Neuauflage öffentlich-privater Partnerschaften (ÖPP) sein, indem die öffentliche Hand, verknüpft mit ihrer stabilen Bonität am Finanzmarkt neben der Verkehrsleistung einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag für die Ladeinfrastruktur vergibt. Dabei würden die Vergabevoraussetzungen durchaus zu den bekannten Vergabevoraussetzungen der VO 1370 variieren, schlicht weil es im Kern nicht um Personenverkehrsdienste im Sinne der VO geht. Im Einzelfall müsste geklärt werden, wie intensiv die Aufträge miteinander verzahnt werden könnten – sachliche Vorteile dürften oft dafür sprechen. In jedem Fall stellt sich dann allerdings die Anschlussfrage nach den kartellrechtlichen und insbesondere regulierungsrechtlichen Implikationen aus dem Energiewirtschaftsrecht. Wird durch von öffentlicher Hand mitfinanzierte neue Ladeinfrastruktur eine neue essential facility errichtet und ist damit ein Zugangsrecht Dritter verbunden? Was wären die Konditionen, was zulässige Entgelte? Die rechtlichen Folgefragen, die durch in Kooperation mit der öffentlichen Hand errichtete Ladeinfrastruktur für klimagerechte Antriebe im ÖPNV aufgeworfen werden, sind Legion. Anzufangen sie zu beantworten, ist Tagesaufgabe für jeden im Mobilitätssektor tätigen Juristen.

 

Bewertung für die Praxis

Der massive Markteintritt von klimafreundlichen Energien im Bereich von Antriebstechnologien für Fahrzeuge des ÖPNV, zusammen mit einer unabhängig davon geplanten Ausdehnung des Verkehrs, steht unmittelbar bevor. Die Marktakteure sowohl aus dem Unternehmenslager als von Seiten der Aufgabenträger werden sich intensiv mit den zuvor skizzierten Fragen auseinandersetzen müssen. 

Kontakt

Contact Person Picture

Oliver Ronnisch

Rechtsanwalt

Senior Associate

+49 30 810795 99

Anfrage senden

Wir beraten Sie gern!

​​​Mobilität
Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu