Alternative Finanzierungsmodelle für den ÖPNV

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​veröffentlicht am 19. Oktober 2022

 

Als Nachfolgelösung des 9-Euro-Ticket soll es ein bundesweit gültiges ÖPNV-Ticket zum Monatspreis von 49 Euro geben. Nicht durchsetzen konnte sich der Entwurf für monatlich 69 Euro, mit einer vergünstigten Ticketvariante (29 Euro) für Studierende, Auszubildende und einkommensschwache Büger:innen. Eine regionale Alternative existiert bereits für den Berliner Stadtbereich, das Ticket kostet von Oktober bis Dezember 2022 monatlich 29 Euro.

 

Den o.g. Nachfolgelösungen ist eine Sache ungemein: Der Preis. Dieser variiert stark. Dem 9-Euro-Ticket wird jedoch ein großer Erfolg beigemessen, so dass der Wunsch nach einem vereinfachten und günstigen Tarifmodell, bei gleichzeitigem Ausbau des Angebots, groß ist. Neben der Finanzierung durch Bund und Länder existieren alternative Vorschläge zur Finanzierung des ÖPNV durch sog. Drittnutzer/ Nutznießer, die in der derzeitigen Debatte eine geringe Rolle spielen.

 

Durch eine Drittnutzerfinanzierung wird der ökonomische Nutzen, den Anlieger durch die vorhandene ÖPNV-Infrastruktur haben, abgeschöpft. Der abgeschöpfte Beitrag ermöglicht den Betrieb, Unterhalt und weiteren Ausbau. In Deutschland gibt es bislang sehr wenig Beispiele für eine Nutznießerfinanzierung. Ein paar der zahlreichen Vorschläge werden im Folgenden beleuchtet:

 

In Frankreich entrichten Unternehmen, abhängig von der Größe der Kommune, einen geringen Prozentbetrag (2,6-0,55%) der Lohnsumme, mit der der ÖPNV finanziert wird. Eine gute Anbindung ist sowohl für Arbeitnehmer als auch Kunden attraktiv, Parkplätze können eingespart werden. Denkbar ist eine Befreiung für kleine Unternehmen und/oder in der Gründungsphase. Hingegen könnten publikumsstarke Unternehmen stärker beteiligt werden. Für den Unternehmensbeitrag ist wohl eine Gesetzesänderung notwendig. Zu beachten wäre, dass die erzielten Einnahmen wirklich dem ÖPNV zugutekommen, was durch die Einführung einer Steuer kaum zu erreichen wäre, da eine Steuer zweckungebunden verwendet werden muss.

 

Denkbar ist die Bereitstellung eines verpflichtenden Job-Tickets für Arbeitnehmer. Erfolgt keine Zahlung für das Job-Ticket durch den Arbeitgeber, begünstigt dieses nur den Umstieg auf den ÖPNV und damit der Verkehrswende und Einhaltung der Klimaziele. Nur bei einer Zahlung des Job-Tickets durch den Arbeitgeber, entstünde eine alternative Einnahmequelle. Die Einführung käme nur bei einer guten und bereits vorhandenen Anbindung in Betracht, die auf die betrieblichen Abläufe (beispielsweise Schichtbetrieb) entsprechend abgestimmt ist. Enge Abstimmungen mit Arbeitgebern wären notwendig.

 

Denkbar ist im Rahmen von Neubauprojekten eine Ablösezahlung zugunsten des ÖPNV für eine geringere Errichtung von PKW-Stellplätzen. Weist der Neubau eine gute ÖPNV-Anbindung auf, kann auf die vorgeschriebene Stellplatzanzahl verzichtet werden. Die Ablösesumme für Stellplätze ist nur bei gesicherter Erschließung möglich. Stagniert der Wohnungsbau, ist eine dritte Finanzierungssäule für den ÖPNV nicht verlässlich gesichert.

 

Der ÖPNV-Grundbeitrag wird von allen Bürger:innen erhoben, die eine reale Nutzungsmöglichkeit des ÖPNV haben. Der Erwerb von Fahrscheinen ist weiterhin notwendig. Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden, wenn der Beitrag auch von solchen Personen erhoben werden würde, die den ÖPNV nicht nutzen könnten. Aspekte der Gleichberechtigung sprechen dafür, dass eine Staffelung des Beitrags nach Qualität der Anbindung geboten wäre.

 

Bewertung für die Praxis


Um ein günstiges und verbessertes ÖPNV-Angebot zu schaffen, kann die Drittnutzerfinanzierung einen Beitrag neben den Ticketeinnahmen und Beiträgen des Staats leisten. Die Auswahl des Mittels birgt Chancen und Risiken. In Deutschland wird von solchen Modellen derzeit wenig Gebrauch gemacht, obwohl die Vorteile einer ÖPNV-Infrastruktur nicht von der Hand zu weisen sind.

 

Im Ergebnis ist bei der Auswahl der Mittel eine Mehrfachbelastung einer Finanzierungsgruppe zu vermeiden. Beispielsweise würde eine Kombination aus Unternehmerbeitrag und Job-Ticket Arbeitgeber stark belasten.  Darüber hinaus existieren Vorschläge eines Mietertickets, bei denen ein Teil der Miete für ein vergünstigtes Ticket umgelegt wird. Die Mieter:innen finanzieren zum einen durch das zu erwerbende rabattierte Ticket und zum anderen durch den Umlageanteil der Miete den ÖPNV.

 

Die finanziellen Beteiligungsformen erfordern politischen Mut und in vielen Fällen ist eine Gesetzesänderung notwendig. Es wäre darauf zu achten, dass die Erträge zweckgebunden dem ÖPNV zugutekommen, um eine verlässliche dritte Finanzierungssäule zu erschaffen und so vergünstigte Tarife anbieten zu können.

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Ricarda Bans

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