Was bringt das Jahr 2023 für die Mobilität in Städten und Landkreisen

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​veröffentlicht am 11. Januar 2023

 

Zu Beginn des Jahres möchten wir einen Ausblick auf die Entwicklungen für das Jahr 2023 im Bereich der kommunalen Mobilität geben. Hierzu haben wir neun Thesen formuliert und Chancen für Städte, Landkreise, Verkehrsverbünde und natürlich für die Unternehmen identifiziert.

 

1. Chancen des Deutschlandtickets zur Tarifvereinfachung nutzen

Beginnen wir mit dem Deutschlandticket. Es hat die Diskussion der letzten Monate geprägt und wird auch nach der Einführung (im 2. Quartal) weiter für Diskussionen sorgen. Klar sind bislang einige Aspekte, (z. B. Name, Preis, Design, Buchungs- und Kündigungsbestimmungen und die generelle Bereitschaft zur Nachschusspflicht von Bund und Ländern), aber viele wichtige Details sind offen: Wird der Ausgleich über eine bundesweite allgemeine Vorschrift geregelt, wie erfolgt die Umsetzung durch die Länder, wie bemisst sich der Ausgleich? Neben den Unsicherheiten sollten die Chancen eines solches Tickets gesehen und genutzt werden. Die bundesweite Monatskarte wird in den Ballungsräumen zu Wanderungsbewegungen weg aus bestehenden Tarifprodukten führen. Dies eröffnet Raum für Tarifvereinfachungen. Ferner werden Modelle des betrieblichen Mobilitätsmanagements (Mobilitätsbudgets) einfacher umsetzbar und die tarifliche Vereinheitlichung wird die „Fusion von Verkehrsverbünden” beschleunigen.

 

2. Verbünde sind als Gestaltungsebene der Zukunft weiterzuentwickeln

 

Die Bedeutung der Verkehrsverbünde wird weiter zunehmen. Neben Neugründungen, etwa in Bayern, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen, ggf. auch in Thüringen, werden wir Zusammenschlüsse von bestehenden Verbundeinheiten. vor allem in Baden-Württemberg, sehen. Die Verbünde werden sich von Tarif- bzw. Verkehrsverbünden hin zu Umweltverbünden (im Sinne eines Mobilitätsverbundes) weiterentwickeln. Kein anderer Akteur im Mobilitätsbereich ist derzeit besser geeignet, neue Aufgaben zur Etablierung einheitlicher und abgestimmter Standards (digitaler Vertrieb, OnDemand, E-Mobilität, Multimodalität) zu übernehmen. Die Entwicklung von Verkehrsverbünden zu modernen Mobilitätsverbünden ist daher weiterzuentwickeln.

 

3. Strategische Aufgabensetzung durch neue Strukturen in Städten und Landkreisen bewältigen (Stichwort: „Neues Mobilitätsamt”)

Die Mobilität vor Ort entsteht nicht durch die Initiative der Unternehmen allein. Notwendig ist eine steuernde und planende Gestaltung durch die öffentliche Hand. Notwendig sind Strukturen, die gestalten statt bloß verwalten. Dies gelingt am besten, wenn innerhalb der klassischen Stab-Linien-Struktur der örtlichen Verwaltungen ein eigenes Amt für Mobilität geschaffen wird, welches die neuen Aufgaben der Vernetzung, Finanzierung, des Datenmanagements, etc. konzentriert übernimmt.

 

4. Drittnutzerfinanzierung als Finanzierungs- und Steuerungsinstrument einführen

 

Der Ausbau des Mobilitätsangebots und die Refinanzierung der anhaltenden Kostensteigerungen sind nur durch zusätzliche Mittel zu leisten: Die Erkenntnis ist einfach, aber es fehlt an der Umsetzung. Zusätzliche Finanzmittel für die Mobilität vor Ort können nur durch die Erschließung neuer Finanzquellen generiert werden. Hierfür sind auf kommunaler Ebene erste Drittnutzer-Modelle z. B. Bürgerticket, ÖPNV-Abgabe, mit sozialen Komponenten und Steuerungseffekten einzuführen. Zugleich sollten die Beitragspflichtigen durch Mobilitätsbudgets und sozialverträgliche Lösungen entlastet werden, um den Umstieg auf den Umweltverbund durch „Push- und Pull-Maßnahmen” zu fördern. Der Ball liegt bei den Ländern, welche ihre jeweiligen Kommunalen Abgabengesetze (KAG) hierzu anpassen müssen.

 

5. Durch eine Flexibilisierung der Mobilitätsangebote (z. B. OnDemand, Sharing) neue Fahrgastgruppen erschließen

Die Einführung von OnDemand-Verkehren sind bislang als zaghafte erste Versuche vor Ort mit geringer Aussage- und Ausstrahlungskraft zu beschreiben. Die Freie und Hansestadt Hamburg hat angekündigt, bis 2030 bis zu 10.000 autonome Fahrzeuge im OnDemand-Verkehr einzusetzen. Andere Regionen um Darmstadt und Frankfurt verfolgen ähnliche Ansätze. Die Fahrgäste werden nur auf den Umweltverbund umsteigen, wenn ihnen zum Individualverkehr eine echte – ähnlich flexible – Alternative geboten wird. Hierbei spielen OnDemand-Verkehre und Sharing-Angebote eine zentrale Rolle. Aufgabenträger und Unternehmen sind daher gefordert sinnvolle Konzepte zu entwickeln und den Weg der Kundenorientierung durch mehr Flexibilisierung des Angebots zu gehen.

 

6. Größere unternehmerische Gestaltungsfreiheit durch funktionale Vergaben herbeiführen

Die Verkehrsleistungen lassen sich immer weniger durch Fahrgeldeinnahmen finanzieren. Die Aufgabenträger sind gefordert, die Verkehrsleistung im Wege von Vergabeverfahren zu bestellen. Wenn die neuen flexiblen Mobilitätsformen (OnDemand-Verkehre) in Ergänzung zu den bestehenden Linienverkehren etabliert werden sollen, benötigen die Unternehmen mehr unternehmerische Gestaltungsfreiheit. Dies kann der Aufgabenträger etwa durch Erschließungsmodelle erreichen, welche über funktionale Ausschreibungen vergeben werden. Durch diese Gestaltung der Vergaben können unternehmerische Kompetenzen besser genutzt werden.

 

7. Durch öffentliche Verantwortungsübernahme bei der E-Ladeinfrastruktur den Hochlauf der E-Mobilität im ländlichen Raum organisieren

 

Der Einsatz von E-Fahrzeugen erfordert notwendiger Weise die Verfügbarkeit geeigneter Ladeinfrastruktur. In Kommunen mit Stadtwerken oder kommunalen Verkehrsunternehmen übernehmen diese regelmäßig diese Aufgaben. In Regionen, in denen ÖPNV-Leistungen überwiegend per Ausschreibungswettbewerb beschafft werden, stellt sich die Frage, ob die Errichtung der Infrastruktur im Wege der „Verkehrsausschreibung” erfolgen soll und kann oder ob der Hochlauf zuvor eine eigene Initiative der Kommunen (etwa: eigene Ladeinfrastrukturgesellschaft) erfordert. Kommunen sollten hier rechtzeitig eine geeignete Strategie entwickeln, da für die Planungsvorläufe bis zu fünf Jahren zu kalkulieren sind. Gleiches gilt im Übrigen für die Umstellung der Antriebstechniken auf Wasserstoffbasis.

 

8. Autonomes Fahren wird zuerst im ÖPNV kommen

 

Zahlreiche Initiativen des Bundes und der Länder fördern den Einsatz automatisierter Fahrzeuge (noch mit Sicherheitsfahrer). Das Förderprogramm des Bundes von mehr als 55 Mio. Euro wird hierzu einen Umsetzungsschub auslösen. Zudem werden wir über die zuständige Arbeitsgruppe beim Kraftfahrtbundesamt (KBA) erste abgestimmte Standards zur Genehmigung von Betriebsbereichen sehen. Zugleich wird die Anzahl der Anbieter von autonomen Fahrsystemen deutlich steigen. Der ÖPNV wird der Gewinner der technologischen Entwicklung sein, wenn Betriebsbereiche (StVG) und Einsatzbereiche (für den ÖPNV) sinnvoll abgestimmt werden. Perspektivisch kann so erstmals auch im ländlichen Raum eine flächendeckende Erschließung zu wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen erfolgen. Hierzu sind durch die Kommunen und die Fahrzeughersteller geeignete erste standardisierte Anwendungsfälle zu identifizieren, um einen Hochlauf zu ermöglichen.

 

9. Mobilitätsdaten smart nutzen

Mit ihrer groß angelegten Datenstrategie hat die Europäische Union bereits 2020 den Ball angestoßen, dass das bisher wenig genutzte Potenzial privatwirtschaftlicher und öffentlicher Daten branchenübergreifend genutzt werden soll. Der Status quo von großen Unternehmen als „Gatekeeper” soll aufgebrochen werden und Unternehmen, Behörden und Wissenschaft der Zugang zu hochwertigen Daten ermöglicht werden. Auf nationaler Ebene sollen u. a. diese Ziele durch ein nationales Mobilitätsdatengesetz erreicht werden. Um das Gesetz interessengerecht auszugestalten, werden derzeit Stakeholderbeteiligungsformate durch das federführende Bundesministerium für Digitales und Verkehr durchgeführt. Bereits zuvor hat sich herauskristallisiert, dass sogenannten Datenplattformen eine besondere Bedeutung bei der Teilung von Daten eingeräumt werden. Neben der Datenerhebung und Teilung ist aber ein besonderer Fokus der Mobilitätsbranche auf ihre intelligente Nutzung zu legen, insbesondere um intermodale Verkehre zu stärken.

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