Herausforderungen für Kommunen: Modernisierung, Ausbau und Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur

PrintMailRate-it

veröffentlicht am 28. Juni 2023

 

Der Ausbau- und Modernisierungspakt von Bund, Ländern und Kommunen wird nur gelingen, wenn die Kommunen nicht mehr von der Substanz leben (müssen). Die Kommunen benötigen eigene Finanzierungsinstrumente, um ihren Beitrag zur Gestaltung der Mobilitätswende vor Ort leisten zu können.

 

Der Koalitionsvertrag von SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen sieht den Abschluss eines Ausbau- und Modernisierungspaktes für den ÖPNV vor, in dem sich die Beteiligten „unter anderem über die Finanzierung bis 2030 einschließlich der Eigenanteile der Länder und Kommunen und die Aufteilung der Bundesmittel sowie die Tarifstrukturen verständigen” wollen. Ziel ist es, dem Deutschlandtarif ein Deutschlandangebot folgen zu lassen. Dieses wird durch raumbezogene, verkehrliche Standards definiert werden, welche sodann die Grundlage für die Verteilung der Bundesmittel (insbesondere Regionalisierungsmittel) darstellen wird. Das „Finanzierungs- und Leistungskostengutachten“ des VDV (2021) zeigt insoweit den Mittelbedarf aus der Perspektive der Mobilitätsbranche auf; der Bund arbeitet indes an einer eigenen Quantifizierung. Jedoch bestehen erhebliche Zweifel, dass die von Bund und Ländern zukünftig bereitgestellten zusätzlichen Mittel den Bedarf vor Ort decken können, um auf kommunaler Ebene die notwendigen Investitionen stemmen zu können.

 

Nach einer aktuellen Untersuchung des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) hat in Deutschland der „Kapitalstock in den vergangenen knapp 20 Jahren erheblich an Qualität eingebüßt”. Zum Kapitalstock zählen Maschinen, Straßen, aber auch Software und Datenbanken. Danach ging der Modernitätsgrad in vielen Volkswirtschaften erheblich zurück, am deutlichsten hingegen in Deutschland.

 

Ursächlich hierfür sind nach Einschätzung der Forscher vor allem die Vernachlässigung von Investitionen in den „öffentlichen Kapitalstock”. Zu einem vergleichbaren Befund war im Jahr 2019 bereits das Institut der deutschen Wirtschaft gekommen. Danach ist vor allem die schwache Finanzlage der Kommunen dafür verantwortlich, dass Brücken und kommunale Verkehrsinfrastruktur veralten.

 

Für Ertüchtigung der Verkehrs- und Mobilitätsinfrastruktur der Kommunen bedeutet das eine mehrfache Herausforderung: Zum einen ist der Investitionsstau der Vergangenheit aufzuholen, zum anderen sind erhebliche zusätzliche Investitionen in neue Ladeinfrastruktur, Digitalisierung und automatisierte Fahrsysteme, etc. zur „Modernisierung und zum Ausbau” zwingend notwendig. Die Lage wird dadurch verschärft, dass die Kommunen bereits heute zusätzliche Aufgaben, zum Beispiel bei der Unterbringung von Flüchtlingen übernehmen und auch bei der Erneuerung der Energiesysteme massiv gefordert sind, ohne über ausreichende Finanzierungsquellen zu verfügen. Die Kommunen dürfen daher nicht mehr von der Substanz leben (müssen). Ihnen kommt die zentrale Umsetzungsaufgabe für die Mobilitäts- und Klimawende zu. Daher muss der Instrumentenkasten der Kommunen erweitert und ihre Verantwortung gestärkt werden.

 

Nach einer Untersuchung von Mobilité Unternehmensberatung und Rödl & Partner im Auftrag des Verkehrsverbundes Rhein-Sieg (VRS) werden für den Ausbau der Kapazitäten zur Verdoppelung der Fahrgastzahlen im Verbundraum bis 2030 Mittel im Umfang von 780 bis 900 Mio. Euro pro Jahr notwendig werden (inkl. der Preissteigerungen). Schnelle Veränderungen am Verkehrsangebot werden dabei wohl nur über einen Ausbau von Busleistungen möglich sein. Vor allem aber bestehende, vertaktete, schienengeführte Systeme (U-Bahnen und Straßenbahnen) müssen mit erheblichen Investitionen in die Infrastruktur ertüchtigt werden. Gewachsene Strukturen dürfen nicht vernachlässigt werden.

 

Eine Verteilungssystematik, welche sich nach der Erreichung von bundesweiten verkehrlichen Standards (z.B. Erreichbarkeitsstandards oder Mindesttaktvorgaben nach Raumtypen) richtet, kann der Situation vor Ort nicht gerecht werden. Es drohen neue Schieflagen durch zentrale Fehlsteuerungen. Notwendig ist ein verlässlicher Gestaltungs- und Finanzierungsrahmen von Bund und Land sowie eigene Finanzierungsinstrumente für die Kommunen.

 

Bewertung für die Praxis

Im Rahmen der Ausbau- und Modernisierungspaktes müssen die Kommunen eigene Instrumente zur Finanzierung der Mobilität vor Ort erhalten. Ohne eine Steuerung durch Push und Pull-Maßnahmen und damit der Erhebung von Gebühren und Abgaben wird die Verkehrswende vor Ort verkehrlich nicht gelingen und auch nicht zu finanzieren sein. Bund und Länder sind gefordert, schnell klare Rahmenvorgaben zu definieren. Zudem sind über die Änderungen der Kommunalen Abgabengesetze der Länder die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, sodass über zusätzlichen Mittelbedarf, die Gestaltungsgeschwindigkeit, die Priorisierungen von Investitionen vor Ort entschieden und so die Mobilitätswende gestaltet werden kann.

Kontakt

Contact Person Picture

Jörg Niemann

Diplom-Jurist

Partner

+49 40 2292 977 33

Anfrage senden

Profil

Wir beraten Sie gern!

Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu