Beschleunigter Glasfaserausbau (1) – Die Mitnutzung nach § 138 TKG

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​veröffentlicht am 14. März 2024

 

„Bis zum Jahr 2030 soll es flächendeckend Glasfaseranschlüsse bis ins Haus und den neuesten Mobilfunkstandard überall dort geben, wo Menschen leben, arbeiten oder unterwegs sind”, so die Mitteilung der Bundesregierung im Februar 2023 im Zusammenhang mit dem Beschluss der Gigabitstrategie. Verfolgt werden ambitionierte Ziele, um auch in Deutschland den Anforderungen der Digitalisierung mittelfristig durch Glasfaseranschlüsse gerecht zu werden. Doch welche Regelungen enthält das TKG?

 

Rechtsrahmen des TKG 2021

Die Bundesregierung führt mit ihren Zielen den Kurs der Vorgängerregierung fort, die – in Umsetzung der europäischen Kostensenkungsrichtlinie (Richtlinie 2014/61/EU) – am 27. Januar 2016 den Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung des Ausbaus digitaler Hochgeschwindigkeitsnetze (DigiNetz-Gesetz) beschlossen hatte. Schon in dem DigiNetz-Gesetz sah die Vorgängerregierung „einen zentralen Meilenstein für die Verwirklichung der Digitalen Agenda für Deutschland“. Das DigiNetz-Gesetz ist mittlerweile Bestandteil des am 01.12.2021 in Kraft getretenen Telekommunikationsgesetzes.

 

Maßgebliche Normen für die gemeinsame Nutzung und Verlegung von passiven Netzinfrastrukturen finden sich in §§ 136 bis 151 TKG bzw. §§ 154 und 155 TKG. Der Gesetzgeber hat damit Mechanismen geschaffen, um den Breitbandausbau zu beschleunigen und Synergieeffekte durch Unternehmen nutzbar zu machen. Die folgenden Ausführungen beleuchten die Mitnutzung von passiven Netzinfrastrukturen exklusive der Mitnutzung von Gebäudeinfrastrukturen nach § 145 TKG.


Mitnutzung öffentlicher Versorgungsnetze

Mitnutzungsansprüche können sich auf verschiedene Ebenen der Netzinfrastrukturen beziehen. Neben den unten dargestellten Ansprüchen zur Mitnutzung von Gebäudeinfrastruktur besteht das Recht zur Mitnutzung der öffentlichen Versorgungsnetze im Rahmen des § 138 TKG. Dieser ist abzugrenzen von der Mitnutzung sonstiger Infrastruktur und geförderter Telekommunikationsnetze, welche mit §§ 154, 155 TKG gesonderten gesetzlichen Normen unterfallen.


Dem Mitnutzungsanspruch vorgelagert ist der Informationsanspruch gemäß § 136 TKG, welcher dem Antragsteller zunächst dazu verhelfen soll, allgemeine Daten über die Netzinfrastrukturen in dem Gebiet zu erhalten, dessen Erschließung der Anspruchsteller plant. Die Informationserteilung muss dabei nicht zwingend digital erfolgen. Hinzu kommt die Möglichkeit einer Vor-Ort-Untersuchung nach § 137 TKG. Ziel ist die Entscheidungsfindung des Antragstellers über die Mitnutzung. Sofern er diese nach Vorliegen der für ihn erforderlichen Informationen weiter begehrt, besteht die Möglichkeit, Eigentümer oder Betreiber öffentlicher Versorgungsnetze auf eine Mitnutzung in Anspruch zu nehmen.

Mindestangaben des Antrags für die Mitnutzung sind eine Projektbeschreibung, ein Zeitplan sowie das relevante Gebiet, vgl. § 138 Abs. 1 TKG. Mithin fordert der konkrete Mitnutzungsantrag weitergehende Informationen als der Vorbereitung dienende Informationsanspruch nach § 136 Abs. 1 TKG, welcher lediglich die Angabe des zu erschließenden Gebietes fordert. Dies erscheint zielführend, da ein vorbereitender Informationsanspruch schon in der Sache durch den Antragsteller nicht in der Detailtiefe gestellt werden kann, wie ein konkreter Antrag auf Mitnutzung konkreter passiver Netzinfrastrukturen. Insoweit ist es für den Antrag nach § 136 Abs. 1 TKG ausreichend, ein in sich abgrenzbares Gebiet zu nennen. Nicht erforderlich ist die Vorlage einer Grobplanung des Ausbaus. Maßgeblich für den Informationsanspruch nach § 136 Abs. 1 TKG ist allein der Wille des antragstellenden Unternehmens. Weder der Wortlaut der Norm, noch Sinn und Zweck oder systematische Überlegungen sprechen für die Notwendigkeit der Vorlage einer Grobplanung. Zudem muss eine zeitliche Kopplung zwischen Informationserteilung und (möglichem) Baubeginn gerade nicht bestehen. Dies überzeugt schon aufgrund der gesetzlichen Systematik, welche eine Dreistufigkeit der Antragstellung im Zusammenhang mit der Mitnutzung vorsieht. Der Informationsanspruch auf der ersten Stufe dient der Vorbereitung und Sondierung von Möglichkeiten einer Mitnutzung im Rahmen von Ausbauplänen. Würden hieran überzogene Anforderungen gestellt, würde der Entscheidungsfindungsprozess für eine Mitnutzung, wie der Gesetzgeber ihn mit den §§ 136 bis 138 TKG geschaffen hat, im Einzelfall ausgehöhlt. Dies bedeutet in der Konsequenz allerdings die Notwendigkeit der Vorlage einer detaillierten Projektbeschreibung bzw. Darlegung des konkreten Zeitplans für die Umsetzung der Mitnutzung im Rahmen der konkreten Mitnutzungsanträge nach § 138 Abs. 1 TKG. Mittels Informationsanspruch und gegebenenfalls Vor-Ort-Untersuchung kann das betreffende Unternehmen seinen Antrag auf Mitnutzung in der letzten Stufe ausreichend konkret ausgestalten. Dies ist zudem in der Praxis erforderlich, da der Antragsgegner zur Übermittlung eines dezidierten Angebotes für die Mitnutzung verpflichtet ist. Eigentümer oder Betreiber öffentlicher Versorgungsnetze sehen sich derweil vor der Herausforderung, mehrere Mitnutzungsanträge binnen kurzer gesetzlicher Fristen zu bearbeiten und diskriminierungsfreie Angebote für eine Mitnutzung zu erstellen bzw. das Vorliegen von Versagungsgründen zu prüfen, nachzuweisen und darzulegen.

 

Letztlich kann nicht immer eine Mitnutzung von öffentlichen Versorgungsnetzen möglich sein. Doch auch an dieser Stelle steht im Vordergrund des Gesetzes das vorrangige Ziel eines schnellen und effizienten Glasfaserausbaus. Das bedeutet, eine willkürliche Ablehnung der Mitnutzung durch Netzeigentümer/-betreiber ist rechtlich nicht zulässig. Vielmehr normiert der Gesetzgeber mit § 141 Abs. 2 TKG die Gründe, bei deren Vorliegen eine Mitnutzung abgelehnt werden darf.

 

Bei der Prüfung von Versagungsgründen gilt das bereits zu der Antragstellung Ausgeführte spiegelbildlich. Das heißt in Bezug auf ein konkretes Mitnutzungsbegehren ist im Rahmen des § 141 TKG der volle Nachweis des Vorliegens eine Versagungsgrundes durch die jeweilige, sich auf den Grund berufende Antragsgegnerin, innerhalb der Frist von zwei Monaten zu führen. Hingegen beschränkt sich die Prüfung von Versagungsgründen nach § 136 TKG auf das Vorliegen offensichtlicher Versagungsgründe, mithin eine „Offenkundigkeitsprüfung“.


Der Rechtsweg

Die Geltendmachung von Mitnutzungsrechten ist grundsätzlich zivilrechtlicher Natur. § 149 Abs. 1 TKG, welcher die Anrufung der Bundesnetzagentur als nationale Streitbeilegungsstelle vorsieht, ist jedoch näher liegend. Insoweit dürfte – gerade auch aufgrund der starren in den Antragsverfahren normierten Fristen – ein Eilrechtsschutz vor den Zivilgerichten ausgeschlossen sein. Hierzu führt das Landgericht Mannheim mit Beschluss vom 02. Juni 2017 (7 O 97/17 Kart) aus, das in §§ 77n, 132, 130 TKG a.F. vorgesehene Streitbeilegungsverfahren sei abschließend und sperre die Möglichkeit einer parallelen Durchsetzung etwaiger Ansprüche aus dem GWB und oder kerngleicher aus den Vorschriften des UWG abgeleiteter Ansprüche im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vor den (Kartell-) Zivilgerichten.

 

Im Falle eines Streits über die Mitnutzung von Netzinfrastrukturen entscheidet mithin ausschließlich die Bundesnetzagentur als nationale Streitbeilegungsstelle gemäß §§ 149 Abs. 1 Nr. 1, 211, 214 TKG. Dabei kann die Bundesnetzagentur in der Sache den Streitfall entscheiden und abschließend regeln, also den Antragsgegner verpflichten, dem Antragsteller die Mitnutzung in Rede stehender passiver Netzinfrastrukturen zu fairen und angemessenen Bedingungen zu gewähren und ein entsprechendes Angebot zu unterbreiten. Ziel der außerordentlichen Streitbeilegung ist, innerhalb relativ kurzer Zeit verbindliche Entscheidungen herbeizuführen, mit denen ungerechtfertigte Mitnutzungsverweigerungen unterbunden, unangemessene Bedingungen für die Mitnutzung in angemessene Bedingungen überführt und Wettbewerbseffekte auf den vor- und nachgelagerten Bereich berücksichtigt werden. Gegen Entscheidungen der Bundesnetzagentur steht den Beteiligten der Weg zu den Verwaltungsgerichten offen, wobei die jeweilige Klage gemäß § 217 Abs. 1 TKG keine aufschiebende Wirkung entfaltet. Zu beachten ist dabei die Präklusion eines Vorbringens von Versagungsgründen in dem Streitbeilegungsverfahren: § 138 Abs. 2 TKG sieht vor, dass der Infrastrukturinhaber dem Zugangsnachfrager ein Angebot über die begehrte Mitnutzung unterbreitet und sich die Parteien in einem formalisierten Verfahren über Mitnutzung nebst Bedingungen einigen. Das in § 138 Abs. 2 TKG in Verbindung mit § 149 Abs. 1 Nr. 1 TKG angelegte „bilaterale Angebotsverfahren“ ist also nicht bloß eine rein formale Voraussetzung für die Zulässigkeit des Streitbeilegungsverfahrens, sondern auch als eigenständiges, spezifisches Verfahren zwischen den Parteien ausgestaltet, das letztlich zur Beschleunigung des Breitbandausbaus beitragen soll. Versagungsgründe sind daher rechtzeitig vorzubringen und zudem eng auszulegen. Dies ergibt sich aus der abschließenden Aufzählung der sieben Versagungsgründe in § 141 Abs. 2 TKG sowie der Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates, wonach Versagungsgründe „restriktiv und zwingend abschließend auszugestalten“ sind. Anderenfalls könnte der Anwendungsbereich des Gesetzes im ungünstigsten Fall unabsehbar geschmälert werden. Das Vorliegen des sich aus dem vorrangigen Mitnutzungsantrag (vgl. § 147 Abs. 2 TKG) ergebenden Versagungsgrundes ist im Falle einer Ablehnung in dem bilateralen Vorverfahren dem nachrangigen Antragsteller genauso nachzuweisen wie ein von vornherein vorliegender Versagungsgrund.

 

Unsere Unterstützung

Gerne unterstützen wir Sie bei der Prüfung von Mitnutzungsansprüchen im Einzelfall sowie einem Umgang mit Mitnutzungsanträgen Dritter im Zuge Ihres Ausbauvorhabens.

 

Unsere Beratungsleistungen

  • Umfassende Businessplanungen mit Geschäftsmodell- und Szenarioanalysen rund um die Themen Breitband und Rechenzentren
  • Abwicklung von Breitbandförderprojekten von der Antragsstellung über Mittelanforderungen bis hin zum Endverwendungsnachweis
  • Bewertung von Telekommunikationsinfrastrukturen
  • Bewertung und Entwicklung von Markteintrittsstrategien und Geschäftsmodellen
  • Umsetzung von Kooperationsmodellen mit Geschäftspartnersuche und anschließender Verhandlungsführung
  • Beratung und Begleitung bei Projektfinanzierungen und Finanzierungsgesprächen
  • Entwicklung und Implementierung von Ablauf- und Organisationsprozessen im Zuge von Telekommunikationsprojekten
  • Konsultation von Nachhaltigkeitsthemen im Telekommunikationssektor
  • Umsetzungsberatung von Open Access
  • Erstellung von Vertriebskonzepten und ihre Analyse
  • Prüfung rechtlicher Fragestellungen im Zusammenhang mit dem Infrastrukturausbau und -betrieb; insbesondere:
    – Telekommunikationsrecht
    – Öffentliches Wirtschaftsrecht
    – Kommunalrecht
    – Recht der Informationstechnologie
    – Vergaberecht
    – Beihilferecht
    – Zivilrecht
  • Erstellung rechtlicher Gutachten
  • Vertragsrecht: Prüfung, Erstellung und Verhandlung von Verträgen

 

Quellen:

1 BT-Drs. 18/8332, 41

2 BNetzA BK 11-22/001, Rn. 59

3 BNetzA BK 11-22/001, Rn. 62

4 BNetzA BK11-22/001, Rn. 69

5 BNetzA BK11-22/001, Rn. 70

6 BeckRS 2017, 114738, Rn- 17

7 BNetzA BK 21/007, Rn. 36

8 BNetzA BK 21/007, Rn. 36, BT-Drs. 18/8332, 55

9 vgl. VG Köln, Beschl. v. 23. Mai 2018- 9 L 1110/18

10 BNetzA BK 21/007, Rn. 38

11 BNetzA BK 21/007, Rn. 41

12 BT-Drs. 18/8332, 84

13 BNetzA BK 21/007, Rn. 100

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