EuGH stärkt Fahrgastrechte

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Von Jörg Niemann
  
Im Rahmen einer Entscheidung vom 26.09.2013 hat sich der Europäische Gerichtshof (Az. C-509/11) – zu Gunsten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr – gegen eine Berechtigung von Eisenbahnunternehmen ausgesprochen, Fahrpreisentschädigungen bei Verspätungen, die durch höhere Gewalt verursacht worden sind, auszuschließen.
  
Nach Art. 17 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 (nachfolgend: VO 1371) sind Mindestentschädigungen für Fahrgäste von Eisenbahnunternehmen im Fall von Verspätungen vorgesehen. Ausnahmen von der obligatorischen Entschädigungsgewährung, für den Fall einer auf höherer Gewalt beruhenden Verspätung, existieren in der Verordnung nicht. Der EuGH stellt in seiner Entscheidung fest, dass eine Rechtfertigung für einen entsprechenden Entschädigungsausschluss auch nicht in Art. 32 Abs. 2 der Einheitlichen Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Personen (nachfolgend: ER CIV) gesehen werden kann. Das Gericht stellt klar, dass Art. 32 ER CIV nur auf Schadensersatzansprüche Anwendung findet, die sich aus Verspätungen ergeben können. Demgegenüber sei Art. 17 VO 1371/2007 eine Entschädigung, die letztlich den bezahlten Fahrpreis für die Beförderung kompensieren solle. Es handele sich dabei um einen pauschalisierten und standardisierten Ausgleich, welcher nicht mit einer Kompensation eines individuell erlittenen Schadens zu vergleichen sei. Aufgrund der abweichenden Zwecke der beiden Vorschriften (Entschädigung für Fahrpreis einerseits und Schadensersatz andererseits) seien Fahrgäste auch nicht daran gehindert, beide Ansprüche nebeneinander geltend zu machen.
  
Auch eine analoge Geltung der Regelungen in den Verordnungen Nr. 261/2004, 1177/2010 und 181/2011 für den Ausschluss der Haftung des Beförderers im Rahmen der Beförderung von Reisenden im Flug-, Schiffs- und Kraftomnibusverkehr wird durch das Gericht ausgeschlossen. Argumentativ wird darauf verwiesen, dass die jeweilige Lage der in den verschiedenen Verkehrssektoren tätigen Unternehmen nicht miteinander vergleichbar sei, da die einzelnen Beförderungsformen unter Berücksichtigung ihrer Funktionsweise, ihrer Zugänglichkeit und der Aufteilung ihrer Netze hinsichtlich ihrer Nutzungsbedingungen nicht austauschbar seien.
  
Über die Frage des Entschädigungsausschlusses hinausgehend entschied der EuGH überdies, dass eine nationale Kontrollbehörde nicht zur Anordnung der Streichung einer Klausel zum Ausschluss eines entsprechenden (gegen die VO 1371/2007 verstoßenden) Entschädigungsanspruchs befugt sei, sofern eine solche Kompetenz nicht im nationalen Recht verankert ist. Die Stützung einer Anordnungskompetenz unmittelbar auf Art. 30 VO 1371/2007 schloss der EuGH aus.
Im Ergebnis hat der EuGH mit dieser Entscheidung die Fahrgastrechte gestärkt. Auf die Frage, ob die Verspätung auf höhere Gewalt zurückzuführen ist, kommt es somit nicht mehr an. Insgesamt ist daher mit höheren Entschädigungen zu rechnen. Es bleibt abzuwarten, in welcher Höhe sich diese bei der nächsten Fahrpreiserhöhung niederschlagen werden.

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Jörg Niemann

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