Betriebsübergang bei Netzübernahme durch den Neukonzessionär

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veröffentlicht am 8. Dezember 2014

 

Kommt es zu einer Übernahme von Strom- und/oder Gasversorgungsnetzen durch den Neukonzessionär, so bedarf die Frage, ob die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs gemäß § 613a BGB vorliegen, einer Prüfung im jeweiligen Einzelfall. Ist der Tatbestand des Betriebsübergangs erfüllt, so tritt der Neukonzessionär in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. In der Praxis haben sowohl der das Netz abgebende Altkonzessionär, als auch der übernehmende Neukonzessionär im Hinblick auf den Betriebsübergang Gestaltungsmöglichkeiten.
 
Vor dem Hintergrund der gegenwärtig hohen Anzahl auslaufender und infolge durch ein wettbewerbliches Verfahren neu zu vergebender Strom- und Gaskonzessionen wird es verstärkt zu Netzübernahmen kommen.
 
Stellt sich insoweit die Frage eines (Teil-)Betriebsübergangs, sollten zunächst die wesentlichen Rechtsfolgen der Vorschrift betrachtet werden. Der Schutzzweck des § 613a BGB regelt ein eigenständiges Kündigungsverbot zugunsten der betroffenen Arbeitnehmer, einen besonderen Bestandsschutz durch (zeitweilige) Aufrechterhaltung der individual- sowie kollektivrechtlich geregelten Arbeitsbedingungen und gewährleistet die Kontinuität des Betriebsrats. Sofern § 613a BGB Anwendung findet, sind diese Regelungen zwingend. Eine Umgehung dieser Regelungen bewirkt die Unwirksamkeit der entsprechenden Vereinbarungen.
 

Netz als Betrieb oder Betriebsteil

Als Voraussetzung für die Anwendbarkeit muss das zu übernehmende Netz tatbestandlich ein Betrieb oder Betriebsteil im Sinne des § 613 a BGB sein. Der EuGH definiert Betrieb als eine auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einheit, deren Tätigkeit nicht auf die Ausführung eines bestimmten Vorhabens beschränkt ist. Unter Einheit versteht er eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. 
 
 
Netzbetrieb Alt-/ Neukonzessionäre
 
Zu berücksichtigen sind nach der Rechtsprechung des EuGH und ihm folgend des BAG folgende Kriterien:
  • die Art des (bisherigen) Betriebs/Unternehmens;
  • der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel (Gebäude, bewegliche Güter);
  • der Wert der immateriellen Aktiva zum Zeitpunkt des Übergangs;
  • die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft;
  • der etwaige Übergang der Kundschaft;
  • der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten;
  • die Dauer einer eventuellen Unterbrechung der Tätigkeit.

Die einzelnen Kriterien dürfen nicht isoliert voneinander betrachtet werden, sie sind stets Teilaspekte einer Gesamtbetrachtung. Die Gewichtung der einzelnen Kriterien ist abhängig von den Umständen des Einzelfalls. Insoweit macht es einen Unterschied, ob eine betriebsmittelgeprägte oder eine betriebsmittelarme Tätigkeit vorliegt.

 

Betriebsmittelgeprägte Tätigkeit

Ist zu beurteilen, ob das zu übernehmende Netz ein prägendes Betriebsmittel darstellt, kommt es bei wertender Betrachtung darauf an, ob sein Einsatz den eigentlichen Kern des zur Wertschöpfung erforderlichen Funktionszusammenhangs ausmacht. Mit anderen Worten: Ist das Netz ein für die Energieversorgung unverzichtbares Werkzeug? Hinsichtlich der Netzsteuerungsanlagen ist dies unstrittig. Auch wenn Ziel der Netzübernahme regelmäßig die Erlangung des Eigentums ist, spielt dies keine Rolle, solange eine Nutzungsberechtigung besteht.
 

Betriebsmittelarme Tätigkeit

Die Rechtsprechung des BAG zur betriebsmittelarmen Tätigkeit wird relevant, wenn die das Netz betreibenden Arbeitnehmer in den Fokus rücken. Verfügt der Neukonzessionär noch nicht über entsprechend qualifiziertes Personal, stellen die Arbeitnehmer wertvolles Betriebskapital dar. Dann ist die Identität der wirtschaftlichen Einheit gewahrt, wenn der Neukonzessionär nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt, das der Altkonzessionär gezielt bei dieser Tätigkeit eingesetzt hatte. Die Übernahme der „Hauptbelegschaft” ist ein wesentliches Indiz. Führt der Neukonzessionär lediglich die bisherigen betrieblichen Tätigkeiten fort, stellt dies eine sog. Funktionsnachfolge dar, die keinen Betriebsübergang begründet.
 

Betriebsübergangsstrategien in der Praxis

Da die Arbeitnehmer auch für den abgebenden Netzbetreiber Betriebskapital darstellen, hat er ein Interesse daran zu bestimmen, ob bzw. welche Arbeitnehmer tatsächlich übergehen. Steuern kann er dies vor allem durch betriebliche Umstrukturierungsmaßnahmen im Vorfeld der Netzübernahme.
 
Aus Sicht des das Netz übernehmenden Neukonzessionärs bestehen allerdings ebenfalls Möglichkeiten, einen Betriebsübergang zu vermeiden. In Betracht kommt eine grundlegende Änderung des Betriebskonzepts, die eine Auflösung des Funktions- und Zweckzusammenhangs der ursprünglichen organisatorischen Struktur erfordert. Bezogen auf Betriebsteile mit betriebsmittelarmer Tätigkeit kann die Übernahme von Personal unterbleiben oder nur in geringer Anzahl erfolgen. Zu beachten ist hierbei aber, dass die Übernahme von Knowhow-Trägern einen Betriebsübergang indizieren kann.
 

Fazit

Wird ein Betriebsübergang gemäß § 613a BGB vermieden, dann kann der übernehmende Neukonzessionär grundsätzlich frei entscheiden, ob und wie viele Mitarbeiter er vom abgebenden Altkonzessionär übernehmen möchte. Benötigt er allerdings auch das für den Netzbetrieb eingesetzte Personal des Altkonzessionärs, führt das zu einem gewissen Dilemma. Um dieses bestmöglich aufzulösen, bedarf es eines strategischen Konzeptes, das die rechtlichen Rahmenbedingungen berücksichtigt. Rödl & Partner verfügt insoweit über die erforderliche Praxiserfahrung, um die Umsetzung einer individuellen, maßgeschneiderten Lösung begleiten zu können.

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Andreas Lange

Wirtschaftsjurist (Univ. Bayreuth), Rechtsanwalt

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