Auswirkungen des Redispatch 2.0 auf Anlagen- und Netzbetreiber sowie steuerliche Querverbünde

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​veröffentlicht am 1. März 2021

 

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Was bedeutet Redispatch?

Zur Vermeidung von Netzengpässen führen die Übertragungsnetzbetreiber täglich eine Lastflussrechnung für den Folgetag durch. Die Berechnung beinhaltet die Einsatzplanung aller verfügbaren Kraftwerke der jeweiligen Regelzone. Ausgehend vom zusammengefassten Einsatzplan erhalten die Übertragungsnetzbetreiber eine Übersicht der voraussichtlichen Ein- und Ausspeisungen auf Netzebene und können so bewerten, welche Teile wie stark beansprucht werden.

 

Um nun am Folgetag die Anzahl der kurzfristigen Eingriffe in die Fahrweise von konventionellen und regenerativen Kraftwerken zur Sicherung der Netzstabilität gering zu halten, werden die Ergebnisse der Lastflussrechnung genutzt, um die Kraftwerksbetreiber zur Verschiebung der geplanten Stromproduktion anzuweisen.


In der Regel hat dies zur Folge, dass zusätzliche Kraftwerke, etwa in verbrauchsstarken Regionen, aktiviert werden, beziehungsweise angewiesen werden, ihre Leistung zu erhöhen. Gleichzeitig werden andere ursprünglich in der Kraftwerkseinsatzplanung vorgesehene Kraftwerke, die aufgrund ihrer geografischen Lage zur Entstehung des Netzengpasses beitragen, angewiesen, ihre Leistung zu reduzieren. Aktuell wird dies nur für Anlagen größer gleich 10 MW durchgeführt.

 


Wen betrifft Redispatch 2.0?

Das zum 13.5.2019 in Kraft getretene Netzausbaubeschleunigungsgesetz (NABEG) enthält neue Vorgaben für das Management von Netzengpässen, die von den Netzbetreibern zum 1.10.2021 umgesetzt sein müssen. Hinsichtlich der Erneuerbare-Energien-Anlagen und Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen wird zu diesem Zeitpunkt ein einheitliches Redispatch-Regime (Redispatch 2.0) nach §§ 13, 13a, 14 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) eingeführt. Konkret bedeutet dies, dass zukünftig auch EE-Anlagen und KWK-Anlagen ab 100 kW sowie Anlagen, die jederzeit durch einen Netzbetreiber fernsteuerbar sind, in den Redispatch einbezogen werden. Entscheidend für die Wahrscheinlichkeit, mit der Anlagenbetreiber zukünftig von Maßnahmen betroffen sein werden, ist dabei die geografische Lage. Während es aktuell insbesondere im Norden Deutschlands zu Stromüberschüssen kommt, herrscht im Süden tendenziell eher ein Strommangel. Anlagenbetreiber im Süden sind somit aller Voraussicht nach seltener von externen
Eingriffen betroffen, wenngleich ein starker PV-Ausbau dies grundsätzlich ändern könnte.

 

Welche Aufgaben kommen auf die Netzbetreiber zu?

Durch die Einbeziehung von Kleinanlagen > 100 kW erwartet die betroffenen Netzbetreiber ab dem 1.10.2021 ein deutlich höherer Aufwand. Insbesondere die Verteilnetzbetreiber werden zu einer tragenden Rolle des Redispatch-Regimes. Analog zu den Übertragungsnetzbetreibern müssen sie zukünftig ihre Netze hinsichtlich der zu erwartenden Belastung modellieren und prognostizieren.


Dies erfordert insbesondere Anpassungen in deren Leitsystemen, hierbei allen voran in der Erstellung viertelstundenscharfer Prognosen sowie umfangreicher Netzsicherheitsrechnungen. Aber auch die Verantwortung für den bilanziellen und finanziellen Ausgleich sowie die Abwicklung der Abrechnungsprozesse mit den Marktakteuren ist künftig von den Verteilnetzbetreibern zu leisten. Der ständige Austausch von Daten zwischen den Leitsystemen und dem Energiemarkt erfordert darüber hinaus ein angepasstes Information Security Management System gemäß ISO/IEC 27002. 

 

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Welche Auswirkungen für Anlagenbetreiber sind zu erwarten?

Im Falle einer Redispatch-Aktivierung erhalten die Anlagenbetreiber eine Entschädigung, die dem Vergütungsverlust entsprechen soll. Der Entschädigungsprozess soll dabei weiterhin auf Basis des Branchenleitfadens für die Abrechnung von Redispatch-Maßnahmen vom BDEW beruhen. Unter den Anspruch der Entschädigung fallen unter anderem die entgangenen Einnahmen aus Einspeisevergütung für die Ausfallarbeit oder auch gegebenenfalls vermiedener Netzentgelte, sowie die Kosten für zusätzlichen Brennstoffeinsatz oder bezogenen Strom bei Eigenstromversorgung. Kosten für entgangene Wärmeerlöse bei Verzicht auf alternative Wärmeerzeugung können nur dann geltend gemacht werden, wenn die reduzierte Wärmemenge nicht durch andere Wärmeerzeuger ersetzt wird. Da auch Kosten für die zusätzliche Verwaltung und Abrechnung geltend gemacht werden können, entsteht durch die Redispatch-Aktivierung kein finanzielles Risiko.


Im Falle von Anlagen, die zur Wärmeversorgung eingesetzt werden und deren Ausfall ein erhebliches Risiko der Versorgung darstellen, können dennoch zusätzliche Kosten erforderlich werden. Insbesondere im Bereich der Nah- und Fernwärme, deren Versorgungssicherheit zu jeder Zeit gewährleistet sein muss, kann die Installation zusätzlicher Speicher oder Spitzenlastkessel zur Risikominimierung unvermeidlich sein. Die Kosten hierfür sind vom Anlagenbetreiber zu bezahlen. Ob ein Risiko besteht und wie hoch die Eintrittswahrscheinlichkeit eines solchen ist, kann mittels Vergangenheitswerten ermittelt und für die Zukunft abgeschätzt werden.


Mindestfaktor-Festlegung

Der Einspeisevorrang für Strom aus Erneuerbaren Energien und Kraft-Kopplung wird im kommenden System allerdings nach wie vor erhalten bleiben. Um dies zu gewährleisten, hat die Bundesnetzagentur Mindestfaktoren festgelegt, die die Reihenfolge des Zugriffs auf Anlagen bestimmen. Die Mindestfaktoren stellen somit eine Wertung im Sinne des Einspeisevorrangs von EE und KWK-Strom gegenüber konventionell erzeugten Strommengen dar und dienen der Einhaltung des europarechtlich gebotenen Einspeisevorrangs. Auf die Abregelung von EE- oder KWK-Strom darf folglich nur dann zugegriffen werden, wenn dies um ein Vielfaches wirksamer und effizienter zur Entlastung eines Engpasses geeignet ist. Für die Umsetzung der Mindestfaktoren sind geeignete „kalkulatorische“ Preise für die Abregelung von EE- und KWK-Strom zu bestimmen. Die Berechnung dieser erfolgt durch die Übertragungsnetzbetreiber und wird zum 1.9. eines jeden Jahres veröffentlicht.


Dies soll dem Ansatz Rechnung tragen, dass Eingriffe seitens der Netzbetreiber künftig generell so geplant und durchgeführt werden sollen, dass Netzengpässe mit möglichst geringen Gesamtkosten beseitigt werden und der Vorrang EE- und KWK-Anlagen gleichzeitig erhalten bleibt.


Die Festlegung der Mindestfaktoren hat die Bundesnetzagentur wie folgt bestimmt:

  • für EE-Anlagen: 10
  • für KWK-Anlagen: 5


Besondere Auswirkungen auf steuerliche Querverbünde

Insbesondere für BHKWs, die die Zusammenfassungsgrundlage für zwei ungleiche Betriebe gewerblicher Art (BgA) als steuerlicher Querverbund bilden, kann die verringerte Wärmeproduktion zur Gefahr werden.

 

Hintergrund ist, dass die Finanzbehörden zur Gewährung des steuerlichen Querverbunds von Energieversorger und Bäderbetrieb die Abdeckung eines Anteils von mindestens 25 Prozent des BHKWs am Gesamtwärmebedarf des Schwimmbads fordern. Zudem muss gewährleistet sein, dass das BHKW wirtschaftlich betrieben wird. Zwar werden die wirtschaftlichen Nachteile großteils ausgeglichen, falls das genutzte BHKW jedoch im Grenzbereich der Wärmeabdeckung liegt, kann eine verminderte Produktion in Folge häufiger Redispatch-Abschaltung den Fortbestand bzw. die Anerkennung des steuerlichen Querverbunds gefährden.

 

Dem Risiko entgegenwirken lässt sich möglicherweise durch entsprechendes Gegensteuern der Anlagen oder mittels einer geeigneten verbindlichen Auskunft der zuständigen Finanzbehörde, in deren Rahmen entsprechende Unwägbarkeiten deklariert werden.


Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich die Einführung des Redispatch 2.0 auf BHKW-Anlagenbetreiber im Süden Deutschlands voraussichtlich nur geringfügig auswirken wird. Dennoch empfehlen wir im Falle eines steuerlichen Querverbunds, bei dem die Grenzwerte nur geringfügig überstiegen werden, diesen zu prüfen und im Rahmen einer verbindlichen Auskunft absichern zu lassen.

 

Hierbei unterstützen wir Sie gerne.

 

 

 

 

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