Eine neue Form der Verbraucher-Sammelklage kommt – Die Versorgungswirtschaft muss dies ernst nehmen

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​veröffentlicht am 1. Dezember 2022



Im Juni 2023 wird die sogenannten „Abhilfeklage”, eine neue Form der Verbraucher-Sammelklage „scharf geschaltet”. Mit der Abhilfeklage können erstmals gebündelt – „einer für alle” – (Rück)Zahlungsansprüche von Verbrauchern, die auf demselben Sachverhalt oder auf einer Reihe vergleichbarer Sachverhalte beruhen, gegenüber einem Unternehmen gerichtlich geltend gemacht werden.  


Mit der Einführung der Abhilfeklage wird die EU-Verbandsklagenrichtlinie umgesetzt. Dazu hat das das Bundesministerium der Justiz Mitte September 2022 den Referentenentwurf eines entsprechenden Umsetzungsgesetzes (VRUG) vorgestellt. Die Zeit drängt, muss doch die EU-Richtlinie von den Mitgliedsstaaten bis zum 25.12.2022 in nationales Recht umgesetzt sein. Zudem müssen die neuen Regelungen ab dem 25.6.2023 angewendet werden. Was nicht überrascht: Der Bundesgesetzgeber wird mit dem VRUG, insbesondere mit der Abhilfeklage, die mit einem neuen Verbraucherrechte-
durchsetzungsgesetz (VDuG) eingeführt wird, über die Vorgaben der EU-Richtlinien zugunsten der Verbraucher und damit zulasten der Unternehmen hinausgehen.

Die Abhilfeklage wird es klageberechtigten Stellen erstmals ermöglichen, direkt Zahlungsanträge gegen Unternehmen gerichtlich geltend zu machen. Der Referentenentwurf sieht vor, dass der Abhilfeantrag auch auf Leistung zugunsten nicht namentlich bestimmter Verbraucherinnen und Verbraucher gerichtet sein kann. Klageberechtigt werden qualifizierte Verbraucherverbände sein, wie man sie bereits aus dem Kontext der „Dieselklagen” kennt. Mussten sich bei jenen „Dieselklagen” als Zulässigkeitsvoraussetzung zuvor noch 50 Verbraucherinnen und Verbraucher zum Klageregister angemeldet haben, genügt es für die Abhilfeklage, dass der klagende Verband glaubhaft macht, dass die Ansprüche von mindestens 50 Verbrauchern betroffen sind. Das ist im Kontext von Versorgungsverhältnissen regelmäßig der Fall. Von der Abhilfeklage profitieren allerdings nur Verbraucherinnen und Verbraucher, die ihre Ansprüche im Klageregister angemeldet haben. Dies soll laut Referentenentwurf bis zum Vortag der mündlichen Verhandlung möglich sein. 

Dem Referentenentwurf zufolge soll sich das gerichtliche Abhilfeverfahren in bis zu vier Phasen gliedern: In der ersten Phase kann ein sogenanntes Abhilfegrundurteil erwirkt werden, das die Haftung des verklagten Unternehmens dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und für Zahlungsansprüche zugleich Parameter für die konkrete Berechnung festlegen kann. Dem schließt sich die Vergleichsphase an, in der eine gütliche Einigung über die Abwicklung des Rechtsstreits angestrebt werden soll. Kommt eine solche nicht zustande, ergeht ein Abhilfeendurteil. In dem darauffolgenden Umsetzungsverfahren prüft ein gerichtlich bestellter Sachwalter selbständig die Anspruchsvoraussetzungen der Verbraucherinnen und Verbraucher, die ihre Ansprüche zum Abhilfeverfahren angemeldet haben. Erweist sich im Laufe des Umsetzungsverfahrens der gerichtlich geschätzte kollektive Gesamtbetrag als zu niedrig, um alle berechtigten Ansprü-che der angemeldeten Verbraucher zu erfüllen, kann ein „Nachschlag” vom verklagten Unternehmen gefordert werden.

Bemerkenswert ist, dass ausweislich des Referentenentwurfs kleine Unternehmen Verbraucherinnen und Verbrauchern gleichgestellt werden sollen. Der Referentenentwurf versteht unter kleinen Unternehmen solche, die weniger als 50 Personen beschäftigen und deren Jahresumsatz oder Jahresbilanz 10 Millionen Euro nicht übersteigt. Die Abhilfeklage hat ausschließlich privatrechtliche Ansprüche zum Gegenstand. Soweit also Versorgungsverhältnisse öffentlich-rechtlich ausgestaltet sind (Gebühren/Beiträge), können sie nicht im Wege der Abhilfeklage geltend gemacht werden. Für eine Abhilfeklage werden zukünftig erstinstanzlich die Oberlandesgerichte, in Bayern wohl das Oberste Landesgericht, zuständig sein. Sowohl gegen das Abhilfegrundurteil als auch gegen das Abhilfeendurteil ist die Revision zum Bundesgerichtshof möglich.

Die Anspruchsbündelung kann für das beklagte Unternehmen ein hohes finanzielles Risiko bergen.  Im Gerichtskostengesetz soll der Streitwert einer Abhilfeklage dem Referentenentwurf zufolge gleichwohl auf 500.000 Euro gedeckelt werden.

Wenn die Abhilfeklage im Juni 2023 scharf geschaltet wird, bedeutet dies nicht, dass mit ihr erst zukünftige Ansprüche geltend gemacht werden können. Vielmehr können dann mit ihr bereits entstandene Ansprüche geltend gemacht werden.


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