Stadtwerke auf dem Weg zur Klimaneutralität

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​veröffentlicht am 1. März 2022

 

 

 

Die Minderung der Treibhausgase ist inzwischen ganz oben auf der Prioritätenliste der politischen Agenda und weitgehender Konsens in Deutschland und Europa. Neben den zunehmenden Vorgaben aus der Bundespolitik beschäftigt sich auch die Kommunalpolitik immer mehr mit dem Thema und setzt sich konkrete Ziele zur CO2-Minderung bzw. bis wann eine Kommune klimaneutral sein soll.

 

 

Die Stadtwerke und andere kommunale Unternehmen werden zunehmend gefordert sein, sich stärker beim Klimaschutz zu engagieren. Dabei wird es nicht ausreichen, die Minderung von Treibhausgasen gegenüber dem Status quo nachzuweisen, sondern die Unternehmen werden gefordert sein, Wege aufzuzeigen, wie Klimaneutralität in der eigenen Kommune erreicht werden kann und welchen Beitrag das eigene Stadtwerke dazu leisten kann.

 

Dies wird Stadtwerke vor sehr große Herausforderungen stellen. Denn die klassischen renditestarken Geschäftsfelder eines Stadtwerks, Netz und Vertrieb, werden davon massiv betroffen sein.

Im Folgenden wird erläutert, wie sich Stadtwerke und andere kommunale Unternehmen dieser Herausforderung bestmöglich stellen und ihren angemessenen Beitrag zur Bewältigung der Klimakrise leisten.

 

Klimabilanz erstellen

Um eine Einschätzung zu erhalten, welche Emissionen von CO2 und anderer Treibhausgase mit welchen Geschäftsaktivitäten verbunden sind, sollte eine Klimabilanz erarbeitet werden. Als Standard für die Bilanzierung von Treibhausgasemissionen hat sich das Greenhouse Gas Protocol etabliert. Hier wird zwischen den direkten Emissionen (Scope 1), den Emissionen der verbrauchten Energie (Scope 2) sowie den sonstigen indirekten Emissionen (Scope 3) unterschieden.

 

 


 
Im ersten Schritt sind die Emissionen im Zusammenhang mit Scope 1 (direkte Emissionen) und Scope 2 (indirekte Emissionen der Energie) zu beleuchten. Perspektivisch sollten auch die sonstigen indirekten Emissionen (Scope 3) von Interesse sein. Wichtig ist es aber, am Anfang einen Überblick über die Bereiche zu erhalten, die vom eigenen Unternehmen beeinflusst werden können. Auch sollte man sich nicht in Details von Randthemen vertiefen, sondern stattdessen den Blick auf das Wesentliche lenken. Das betrifft die eigene Einflusssphäre, wo realistischerweise auch Veränderungen umgesetzt werden können.

 

Maßnahmen identifizieren und priorisieren

Wenn die eigenen Treibhausgasemissionen und die der zugehörigen Energieverbräuche bekannt sind, können mögliche Maßnahmen zur Treibhausgasminderung identifiziert werden. Das kann kurzfristige Maßnahmen, die eine Reduktion der Emissionen, aber keine Senkung auf null bewirken, aber auch langfristige Maßnahmen beinhalten, die einen vollständigen Verzicht auf Emissionen bewirken können. Sie sind sowohl hinsichtlich der Emissionsminderung, der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen als auch der zeitlichen Verfügbarkeit zu bewerten. Dabei sollten alle möglichen Maßnahmen aufgelistet werden, unabhängig davon, wie realistisch deren Umsetzung erscheint. Denn zu Beginn ist es wichtig, einen vollständigen Überblick über die eigenen Möglichkeiten zu erhalten und nicht bereits Maßnahmen auszuschließen, die zum jetzigen Zeitpunkt als nicht realistisch eingeschätzt werden. Denn Einschätzungen können sich auch über die Zeit ändern und diese Maßnahmen sollten bei einer späteren Überprüfung der Priorisierung nicht außen vor bleiben.


Aus der Vielzahl der Maßnahmen gilt es anschließend eine Prioritätenliste zu entwickeln. Dabei ist zwischen kurz-, mittel- und langfristigen Maßnahmen zu unterscheiden, die wirtschaftlichen Effekte, der Finanzierungsbedarf und die Auswirkungen auf die Treibhausgasemissionen sind zu bewerten. Letztlich ist das Ziel, einen Fahrplan zu erhalten, wann das Stadtwerk welchen Beitrag zur Minderung der Treibhausgasemissionen leistet. Die Dokumentation der wirtschaftlichen Effekte und des Finanzierungsbedarfs soll dazu beitragen, die eigenen Gesellschafter in Bezug auf die Ergebnisentwicklung in den nächsten Jahren zu sensibilisieren und die erforderlichen Finanzmittel in den Wirtschaftsplan einstellen zu können.

 

Bei der Maßnahmenplanung werden gerne kurzfristige Maßnahmen bevorzugt, damit schnell Erfolge vorgezeigt werden können. Dies reduziert den politischen Druck, kostspielige Maßnahmen zu ergreifen. Allerdings muss dabei vor Lock-in-Effekten gewarnt werden. Denn kurzfristige Maßnahmen mit begrenzten Auswirkungen können dazu beitragen, dass Emissionen für einen längeren Zeitraum festgeschrieben werden und weitergehende Lösungen, die ggf. gar keine Emissionen verursachen, verzögern oder langfristig verhindern. Denn vorzeitige Abschreibungen und „Stranded investments“ wären wirtschaftlich fatal.

 

Umsetzung der Maßnahmen

Letztlich können Maßnahmen eines Stadtwerks für die Minderung von Treibhausgasen vielfältige Geschäftsfelder betreffen. Im Folgenden werden die wichtigsten Geschäftsfelder von Stadtwerken und mögliche Ansätze für deren klimaneutrale Bewirtschaftung erläutert.

 

 

 

Diagramm: Wichtige Geschäftsfelder von Stadtwerken im Zusammenhang mit Klimaneutralität

 

Die Netze sind das Rückgrat von Stadtwerken und anderen Versorgungsunternehmen. Sie leiten Energie oder andere Medien durch die Leitungen, die jeweils mit CO2-Emissionen verbunden sind. Gleichzeitig bilden sie die entscheidende Infrastruktur, um die Klimawende möglich zu machen. Je nach Auslegung der Bilanzierungsgrenzen können die Emissionen der durch die Leitung transportierten Energieträger ebenfalls dem Stadtwerk zugerechnet werden. Ein positiver Beitrag von Netzen zur Klimaneutralität kann dadurch geleistet werden, dass diese ausreichend klimaneutrale Energieträger durchleiten oder so um- und ausgebaut werden, dass die angeschlossenen Netzkunden ausreichend klimaneutrale Energie beziehen können. Direkte Emissionen betreffen z. B. Verlustenergie oder Gasvorwärmung.

 

Im Energievertrieb bestehen ebenfalls Gestaltungsspielräume, um CO2-Emissionen zu reduzieren. Dafür gibt es vielfältige Ansatzpunkte. Diese reichen vom kurzfristigen „Umlabeln” mittels Zertifikaten oder Herkunftsnachweisen auf Ökostrom und Ökogas bis hin zum direkten Energiebezug von erneuerbaren Neuanlagen. Während ersteres i. d. R. kurzfristig ohne hohe Kosten möglich ist, haftet diesem Ansatz aber der Makel „Greenwashing” an. Demgegenüber ist der Bezug von Ökoenergie aus Neuanlagen oft mit hohen Kosten verbunden, die die Mehrzahl der Kunden nicht bereit sind zu zahlen. Welche Wege hier möglich sind, ohne unnötige Angriffsfläche zu bieten, gilt es abzuklopfen. Der Gasvertrieb ist zukünftig im Kontext der Verfügbarkeit von Wasserstoff und anderer grüner Gase und der Beimischung bzw. Umstellung der Gasnetze in Richtung von Wasserstoffnetzen zu bewerten.

 

Seit vielen Jahren bewegt sich die Energiewirtschaft von zentralen in Richtung dezentraler Strukturen. Daher sind in den vergangenen Jahren schon viele dezentrale Erzeugungsprojekte umgesetzt worden. Diese basierten in der Vergangenheit oft auf Erdgas-Blockheizkraftwerken mit hohen Wirkungsgraden. In der Zukunft werden aber weitergehende Konzepte mit erneuerbarer Energiequelle erforderlich sein, um den Beitrag zur Klimaneutralität nachweisen zu können. Ansonsten drohen Lock-in-Effekte, die Konzepte auf Basis fossiler Energieträger für viele Jahre zementieren und damit den Weg für klimaneutrale Lösungen erschweren. Hier ist allerdings oft die Wirtschaftlichkeit die große Hürde, sodass Projekte auf Basis von 100 Prozent  Erneuerbarer Energien oft nur mit Fördermitteln konkurrenzfähig sind. Auch sollten bei diesen Projekten integrierte Konzepte über alle Versorgungssparten angestrebt werden, bis hin zu Energiespeichern, Mobilitäts- und Telekommunikationslösungen.

 

Weitere Beispiele für Themenfelder des Maßnahmenplans können die erneuerbare Stromerzeugung, Wasserstoff oder klimaneutrale Wasserversorgung sein. Abhängig von den Geschäftsfeldern des Stadtwerks und den Ergebnissen der CO2-Bilanzierung können die Maßnahmen und deren Priorisierung für die einzelnen Unternehmen wesentlich abweichen. Die hier aufgelisteten Maßnahmen sind daher nur beispielhaft genannt und für jedes Stadtwerk individuell zu identifizieren.

 

Schlussfolgerungen

Stadtwerke und andere kommunale Unternehmen sind wichtige Akteure, damit Deutschland das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 erreichen kann. Es ist davon auszugehen, dass der Elan von Kommunen, ambitionierte Klimaziele zu beschließen, zunehmen wird. Stadtwerke sollten die Chance nutzen, frühzeitig eigene Konzepte zu entwickeln, um den politischen Entscheidungsprozess in der Kommune mitzugestalten und nicht später von politischen Entscheidungen überrascht zu werden, die für das jeweilige Stadtwerk nicht vorteilhaft sind. Stadtwerke sollten hier als positiv wirkende Akteure wahrgenommen werden und nicht als Blockierer und Bremser. Denn ein positives Image hilft, das nachhaltige Geschäftsmodell des Stadtwerks auch marketingseitig zu flankieren und politisch die erforderlichen Finanzmittel „loszueisen”.

 

 

 

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