Neustart für den Smart-Meter-Rollout

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​veröffentlicht am 1. März 2023




Schon im Oktober 2022 hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck einen Neustart für den Smart-Meter-Rollout angekündigt. Zum Jahresende folgte der Ankündigung dann der Referentenentwurf eines Gesetzes zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende (GNDEW), der nach einigen Änderungen am 11.1.2023 vom Bundeskabinett verabschiedet wurde.

Ziel des GNDEW ist es, den gelinde gesagt schleppend verlaufenden Rollout intelligenter Messsysteme durch Entbürokratisierung und Stärkung der Rechtssicherheit spürbar zu beschleunigen. Aufgrund des forcierten Tempos der Energiewende sei eine Beschleunigung des Smart-Meter-Rollouts auch dringend notwendig, so der Gesetzestext. Das GNDEW sieht hierfür eine Reihe von Änderungen am Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) vor, die sowohl Messstellenbetreiber als auch Stromverteilnetzbetreiber vor Erleichterungen, aber auch vor neue wirtschaftliche Herausforderungen stellen. 


Rückschau

Im Jahr 2016 war mit der Einführung des Gesetzes zur Digitalisierung der Energiewende (GDEW), das das Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) beinhaltet, ein Rechtsrahmen geschaffen worden, der den Grundstein zum Aufbau „intelligenter Netze” (Smart Grid) und „intelligenter Märkte” (Smart Market) ermöglichen sollte. 

Um sicherzustellen, dass grundzuständige Messstellenbetreiber die ihnen auferlegten Pflichten erfüllen können, stellte das MsbG den verpflichtenden Smart-Meter-Rollout unter den Vorbehalt der Feststellung der technischen Möglichkeit des Einbaus intelligenter Messsysteme durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Die Feststellung der technischen Möglichkeit erfolgte nach Abschluss einer Marktanalyse durch Allgemeinverfügung des BSI am 7.2.2020 (sog. Markterklärung). 

Die Markterklärung wurde jedoch am 20.5.2022 mit rückwirkender Wirkung vom BSI zurückgenommen. Vorausgegangen war eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster, dass die Allgemeinverfügung mit der Feststellung der technischen Möglichkeit der Ausrüstung von Messstellen mit intelligenten Messsystemen „voraussichtlich rechtswidrig” sei.

Verbindlicher Rollout-Fahrplan

Eine erste wesentliche Änderung des MsbG stellt der Wegfall der Erfordernis der Marktanalyse und Markterklärung durch das BSI dar. Somit bestimmt künftig nicht mehr das BSI den Verlauf des Smart-Meter-Rollouts. Stattdessen wird ein konkreter Rollout-Fahrplan mit verbindlichen Quoten gesetzlich verankert. Vorrangiges Zieljahr für den Smart-Meter-Rollout ist das Jahr 2030 für alle Verbraucher kleiner 100.000 kWh Jahresverbrauch und alle Erzeuger kleiner 100 kW installierter Leistung bzw. das Jahr 2032 für alle Großverbraucher über 100.000 kWh und alle Großanlagen über 100 kW.
 
Ab dem Jahr 2025 sollen die Smart-Meter-Gateways sämtliche gesetzlichen Mindestanforderungen für alle Verbraucher kleiner 100.000 kWh Jahresverbrauch und alle Erzeuger kleiner 100 kW installierter Leistung bzw. ab dem Jahr 2028 für alle Großverbraucher über 100.000 kWh und für alle Großanlagen über 100 kW erfüllen. Demnach stellt das Jahr 2025 für fast alle Verbraucher und Erzeuger den vollumfänglichen Start des Smart-Meter-Rollouts dar. Auch wenn Verbraucher bis 6.000 kWh Jahresverbrauch weiterhin erst bis zum Jahr 2032 mit modernen Messeinrichtungen ausgestattet werden müssen, steht es dem Messstellenbetreiber frei, auch bei diesen Verbrauchern schon vorzeitig ein intelligentes Messsystem einzubauen. Ebenso können Verbraucher unter 6.000 kWh Jahresverbrauch den unmittelbaren Einbau eines intelligenten Messsystems vom Messstellenbetreiber verlangen. Der grundzuständige Messstellenbetreiber muss diesen Wunsch innerhalb von vier Monaten erfüllen.

Die nachstehende Grafik stellt den vorgegebenen Rollout-Fahrplan intelligenter Messsysteme mit den im MsbG vorgeschriebenen Pflicht-Ausbauquoten dar. Bis Ende 2025 sind 20 Prozent der Verbraucher kleiner 100.000 kWh Jahresverbrauch und 20 Prozent der Erzeuger kleiner 100 kW installierter Leistung mit einem intelligenten Messsystem vom grundzuständigen Messstellenbetreiber auszustatten, bis zum Ende des Jahres 2028 50 Prozent und bis Ende 2030 95 Prozent. Für Großverbraucher über 100.000 kWh und Großanlagen über 100 kW muss bis Ende 2028 eine Ausbauquote von 20 Prozent erfüllt sein.



 
Abbildung 1: Rollout-Fahrplan intelligenter Messsysteme


Agiler Smart-Meter-Rollout 

Damit der Smart-Meter-Rollout bereits vor dem Jahr 2025 an Fahrt aufnimmt, lässt das MsbG einen freiwilligen, sogenannten agilen Rollout für intelligente Messsysteme mit reduziertem Funktionsumfang zu. Der agile Rollout kann bei Messstellen an Zählpunkten mit einem Jahresstromverbrauch bis einschließlich 100.000 kWh und bei Messstellen an Zählpunkten von Anlagen mit einer installierten Leistung bis einschließlich 25 kW umgesetzt werden. 

Mit dieser Option kann der Rollout auch mit intelligenten Messsystemen, bei denen zum Zeitpunkt des Einbaus noch nicht alle gesetzlich vorgeschriebenen Anwendungen freigeschaltet sind, starten. Die zunächst noch nicht verfügbaren, aber gesetzlich vorgeschriebenen Anwendungsfälle, einschließlich komplexer Funktionen wie der Fernsteuerung von Anlagen und Verbrauchseinrichtungen, können durch ein späteres Anwendungsupdate für das Smart-Meter-Gateway und/ oder im Backend-System bis spätestens 2025 nachgeholt werden. 

Der im MsbG vorgegebene Rollout-Fahrplan ist durchaus ambitioniert. Wer erst im Jahr 2025 mit dem Rollout startet, muss binnen eines Jahres 20 Prozent der intelligenten Messsysteme verbauen. Dies bedeutet eine enorme Arbeitsbelastung des Personals und bedarf einer umfassenden Vorbereitung. Wer die Pflichtausbauquoten nicht erfüllt, muss mit Geldstrafen rechnen. Demnach ist davon auszugehen, dass die große Mehrheit der Messstellenbetreiber die Möglichkeit des agilen Rollouts nutzen wird.

Neue Kostenverteilung

Die Novellierung des MsbG sieht eine Neuaufteilung der Preisobergrenze (POG) vor. Zukünftig sollen auch Stromnetzbetreiber umfangreich an den Messentgelten beteiligt werden. Die Anschlussnutzer und Anlagenbetreiber werden hingegen im Vergleich zu den derzeit gültigen POGs entlastet. Für jedes intelligente Messsystem können dem Verteilnetzbetreiber bis zu 80 Euro brutto vom grundzuständigen Messstellenbetreiber in Rechnung gestellt werden. 

Im Gesetzestext wird argumentiert, dass Netzbetreiber in besonderem Maße vom Smart-Meter-Rollout profitieren würden. Im künftigen Energiesystem hänge die Systemstabilität maßgeblich von einer flächendeckenden Beobachtbarkeit und Steuerbarkeit der fluktuierenden Erzeugungs- und Verbrauchsmengen in den Verteilernetzen ab. Verteilnetzbetreiber könnten durch den zunehmenden Einsatz von intelligenten Messsystemen und den daraus gewonnenen Netzzustandsdaten die gestiegenen Anforderungen an Netzbetrieb und Netzplanung effizienter meistern.

Die Veränderung der Kostenverteilung hat unmittelbare Auswirkung auf die Kostenstruktur der Stromverteilnetzbetreiber. Der Stromverteilnetzbetreiber hat fortan „neue” Kosten für die vom grundzuständigen Messstellenbetreiber zur Verfügung gestellten Netzzustandsdaten zu tragen. Diese Kosten waren kein Bestandteil des Ausgangsniveaus des Basisjahres 2021. Inwieweit die Kosten im nächsten Basisjahr 2026 oder über das Regulierungskonto geltend gemacht werden können, bleibt abzuwarten.

Weitere Neuerungen im Überblick

Als weitere Neuerung wird die Möglichkeit gestärkt, das Smart-Meter-Gateway als Infrastruktur im Grundsatz am Netzanschlusspunkt einzubauen. Dies ermöglicht die Bündelung mehrerer moderner Messeinrichtungen (Verbraucher, Ladeeinrichtungen etc.) über ein Smart-Meter-Gateway über geeignete Schnittstellen (sogenanntes 1:n-Metering). Dies führt zu einer deutlichen Reduktion der notwendigen Geräteanzahl.

Daneben wird auch die sichere Lieferkette (SiLKe) vereinfacht, deren Vorgaben derzeit den Rollout unnötig erschweren. Durch die nun gesetzlich festgelegte Massentauglichkeit werden die Anforderungen zum 31.12.2023 deutlich reduziert. Der Versand der Smart-Meter-Gateways kann fortan per Kurier-, Express- oder Paketlogistik „auf dem Postweg” direkt zum Monteur vor Ort erfolgen. Auf diese Weise wird der Rollout einfacher und wirtschaftlicher, gerade auch für bundesweite Geschäftsmodelle.

Fazit

Auch wenn sich der Gesetzentwurf derzeit im parlamentarischen Verfahren befindet und Änderungen noch möglich sind, ist zu erkennen, dass der Neustart des Smart-Meter-Rollouts eine neue Dynamik erzeugen wird. Die Änderungen des MsbG sind gerade auch in Verbindung mit der Integration von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen und steuerbaren Netzanschlüssen nach § 14a Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) interessant. Messstellen- und Stromnetzbetreiber sollten sich intensiv mit den Neuerungen auseinandersetzen. Dies führt zu der Frage, welcher Strategieansatz verfolgt werden sollte. Ist es besser, kurzfristig mit dem Smart-Meter-Rollout zu starten oder vorerst weitere technologische Entwicklungen abzuwarten, um erst 2025 zu beginnen? Auch die Wirtschaftlichkeit sollte gerade in Hinblick auf die Kostenverteilung auf den Stromverteilnetzbetreiber in den Blick genommen werden. Zeitgleich sollte in den Bereichen Netzausbau und intelligente Märkte nach Mehrwerten gesucht werden.



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