Groß-Pufferspeicher zur Besicherung des Fernwärmenetzes Großkrotzenburg

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veröffentlicht am 2. Dezember 2013
 
In der Gemeinde Großkrotzenburg wird zukünftig ein Pufferspeicher die Wärmeversorgung der Gemeinde durch das von den Gemeindewerken betriebene Fernwärmenetz sicherstellen. Die Wärme wird aus dem Block 5 des Steinkohlekraftwerkes Staudinger bezogen, das künftig aufgrund der Strommarktentwicklungen mit höheren wirtschaftlich bedingten Abschaltzeiten konfrontiert sein wird. Rödl & Partner entwickelte das Konzept, wobei in der ersten Phase verschiedene Lösungsmöglichkeiten diskutiert und gegeneinander abgewogen wurden. Mit der Entscheidung für den Bau des Pufferspeichers wurde die wirtschaftlichste und zudem flexibelste Lösung ausgewählt. Rödl & Partner hat die Gemeindewerke Großkrotzenburg in allen rechtlichen und wirtschaftlichen Fragestellungen beraten.
    

Ausgangssituation des Mandats

Seit 1988 wird die Gemeinde Großkrotzenburg durch das Kraftwerk „Staudinger“ des Betreibers E.ON Kraftwerke GmbH mit Kraftwärmekopplung (KWK)-Fernwärme versorgt. Die aufgetretene Problematik liegt in der Besicherung der Wärmelieferung, da das Kraftwerk bei den derzeitigen Entwicklungen am Strommarkt aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr durchgehend in Betrieb sein wird. Mit der Beendigung des Wärmeliefervertrages zum Jahresende 2014 war daher ein neues Konzept gefordert, mit dem eine ununterbrochene Wärmeversorgung aller angeschlossenen Verbraucher dauerhaft gewährleistet ist.
 
Der Hauptgrund für die zukünftigen Abschaltungen des Kraftwerks liegt in der durch den Energiewendeprozess verursachten fluktuierenden Einspeisung der Erneuerbaren Energien und dem dadurch strommengenbedingten Absenken des Handelspreisniveaus (Merit-Order-Effekt). Speziell an sonnigen Wochenenden, wenn die Grundlaststromnachfrage der Industrie entfällt und eine hohe Leistung durch Photovoltaikanlagen bereitgestellt wird, ist ein wirtschaftlicher Betrieb des Kraftwerks nicht mehr möglich.
  
Bis dato wurde ein von Gas bzw. Öl betriebener Hilfskessel genutzt, um die Wärmelieferung bei Ausfall des Kraftwerks zu besichern. Die Hilfskesselanlage ist jedoch auch zum Anfahren des Kraftwerks im Kalt- und Warmstart nötig und kann die Besicherung daher nicht mit einer 100 prozentigen Verfügbarkeit garantieren. Dadurch ergibt sich eine Versorgungslücke, die nun in Kooperation der beteiligten Unternehmen geschlossen werden soll. Des Weiteren ist von den Gemeindewerken Großkrotzenburg avisiert, sich aus der engen Lieferverbindung zum Kraftwerk Staudinger zu lösen und mittelfristig eine eigene, unabhängige Erzeugung zu betreiben.
 
Die Ausgangslage war zusammengefasst wie folgt bzw. fand in folgenden Zielen ihren Ausdruck:
 
  • Fehlen einer besicherten KWK-Wärmelieferung aus dem
    Kraftwerk Staudinger
  • Keine eigene Heizzentrale bzw. keine Erzeugungsanlagen, die zur Besicherung dienen könnten
  • Strategisches Ziel, sich als Gemeindewerke Großkrotzenburg mittelfristig von der einseitigen Wärmelieferung aus dem Kraftwerk zu lösen und
  • Mit eigener Erzeugung und Netzpumpen den Betrieb des
    Netzes zukünftig vollständig zu übernehmen.
 

 

 
 
 
Analyse der Lastkurve
 
Abbildung 1: Analyse der Lastkurve
   
 

Entwicklung des Lösungskonzeptes

 

Im ersten Schritt erfolgte die Ermittlung der benötigten Besicherungswärmeleistung, bezogen auf einen Betrachtungszeitraum von zehn Jahren und die Relation zwischen möglichen Ausfällen

 
der KWK-Wärmelieferung und den Heizlasten im Netz.
  
 
Zu diesem Zweck wurde die Wärmelastkurve analysiert und im Vergleich mit der Kraftwerksleistung die kritischen Ausfallzeiten ermittelt, wobei im Worst-Case-Szenario von einem mehrtägigen Ausfall an den kältesten Tagen des Jahres ausgegangen werden muss.
 
Für die Ermittlung des erforderlichen Besicherungsbedarfs wurden zudem die bisherigen und erwarteten Entwicklungen des Erneuerbaren Energien Ausbaus berücksichtigt. Als Grundlage wurde der aktuelle Stand der Energiewende mit ihren konkreten Ausbauzahlen in Relation zu den Ausbauzielen der Bundesregierung gesetzt und auf den Betrieb des Kraftwerks gespiegelt. Abbildung 1 zeigt die Langfristprognose der Wärmelast sowie der Wärmeversorgung durch das Kraftwerk Staudinger im Jahresverlauf. Die roten Balken geben dabei die Zeiträume wieder, in denen mit einem Ausfall der Wärmebereitstellung durch das Kraftwerk zu rechnen ist. Die Fläche dieser Balken entspricht der absoluten Wärmemenge, die durch das Besicherungskonzept bereitgestellt werden muss.
 
Durch den angenommenen Zubau von Wind und PV kann man längere Ausfälle der Wärmelieferung von Frühling bis Herbst und ganzjährig an Wochenenden erwarten, was über das Jahr betrachtet in Fehlmengen von über 20 Prozent des Wärmebedarfes resultieren kann. Um ein optimales Besicherungskonzept entwickeln zu können, wurde eine detaillierte Wirtschaftlichkeitsanalyse über den Betrachtungsraum für insgesamt 16 verschiedene Lösungsmöglichkeiten durchgeführt.
 
Die Konzepte wiesen unterschiedliche Brennstoffe, Brennstoffkosten, Investitionskosten und dynamische Wartungs- und Betriebskosten auf. Bei einigen Konzepten konnten darüber hinaus Erlösströme zugerechnet werden. Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsrechnung wurden die für die Alternativen spezifischen Kosten und Erlöse der jährlichen Unterdeckung (Kosten) zugerechnet und dann auf ein Vergleichsjahr abgezinst. Als Ergebnis konnten die unterschiedlichen (Mehr-)kosten pro kWh Wärme für die Anschlussnehmer verglichen und die aus Sicht der Gemeindewerke Großkrotzenburg beste Alternative für ihre Kunden ausgewählt werden. Hierbei waren die o.g. Zielsetzungen zu berücksichtigen. Neben dem quantitativen Kriterium der Kosten pro kWh wurden qualitative Kriterien berücksichtigt, um den Anforderungen an eine zukunftsfähige Lösung gerecht zu werden.
 

Auswahl des Wärmespeichers als optimale Lösung auf die Problemstellung

Als optimale Lösung wurde die Besicherung durch einen Wärmespeicher mit einer Kapazität von ca. 105 MWh in Kombination mit der Nutzung der bestehenden Hilfskessel am Kraftwerk Staudinger ermittelt. Im Falle der Unterbrechung kann Wärme aus den Hilfsdampfkesseln des Kraftwerks geliefert werden, dies jedoch brennstoffbedingt zu höheren Kosten als bei normalem Betrieb des Kraftwerks. Zudem kann diese Wärmelieferung für einen Zeitraum von maximal zehn Stunden bei Spitzenheizlast unterbrochen werden, wenn die Hilfskessel zum Vorheizen des Kraftwerks benötigt werden. Um den Wärmebezug aus den Hilfsdampfkesseln zu minimieren und die maximale Versorgungslücke von zehn Stunden schließen zu können, wird ein atmosphärischer Warmwasserspeicher errichtet, in dem während des Betriebs des Kraftwerks Staudinger Wärme gespeichert werden kann. Abbildung 2 stellt schematisch den Aufbau des ausgewählten Konzeptes dar.
   
Kostengünstigste und flexibelste Lösung durch Pufferspeicher
Abbildung 2: Kostengünstigste und flexibelste Lösung durch Pufferspeicher
 
Das Konzept des Hilfskessels in Kombination mit einem Wärmespeicher weist von allen betrachteten Alternativen die niedrigsten Gesamtinvestitionskosten (gebundenes Kapital) für die Gemeindewerke aus. Somit ist die jährliche Mehrbelastung der Wärmekunden in diesem Fall am geringsten. Ein weiterer Vorteil ist die hohe Flexibilität, da der Speicher bedarfsgerecht in die Regelung des Wärmenetzes eingebunden und damit vielfältige Aufgaben der Anpassung an die Last übernehmen kann. Anzumerken ist ferner, dass durch das aktuelle KWKG die Errichtung des Wärmespeichers voraussichtlich mit bis zu 30 Prozent der Investitionskosten gefördert wird.
 
Zudem ist auch für zukünftige Lösungen eine hohe Flexibilität gewährleistet, da bei einer langfristig infrage kommenden weiteren Verringerung der Nutzungsdauer des Kraftwerks Staudinger Anpassungen, wie bspw. ein eigenes Heizwerk, ohne Probleme in das bestehende System inklusive Wärmespeicher eingebunden werden können. Weiterhin kann der Speicher auch hydraulisch so eingebunden werden, dass er eine Druckhaltung im Fernwärmenetz ermöglicht.
   
Die ökologische Nachhaltigkeit zeigt sich durch den Einsatz des Speichers, der garantiert, dass die durch Kraft-Wärme-Kopplung erzeugte Wärme weiterhin maximal genutzt werden kann und somit kein zusätzlicher Brennstoff in den Kesseln zu verbrennen ist. Zwar ist man auf die Wärmelieferung durch das Kraftwerk Staudinger im Betrachtungszeitraum angewiesen, jedoch bleibt die Option offen, zu einem späteren Zeitpunkt ein eigenes Heizwerk (bspw. mit BHKWs) zu
betreiben. In diesem Fall wäre immer noch eine sehr hohe Wirtschaftlichkeit im Vergleich zu den anderen Alternativen garantiert und eine Trennung von Strom- und Wärmemarkt auch auf dieser Ebene möglich.
    

Rödl & Partner begleitet das Projekt bis zur Inbetriebnahme des Speichers

Nachdem das Besicherungskonzept ausgewählt wurde, werden in den folgenden Monaten die weiteren Projektschritte durchgeführt, um den Speicher spätestens im letzten Quartal 2014 in Betrieb nehmen zu können. Momentan befindet sich das Projekt in der Vorbereitungsphase für die europaweite Ausschreibung zum Bau des Wärmespeichers. Ein passender Standort ist bereits gefunden. Sobald die Genehmigungen erteilt worden sind, wird die Ausschreibung durchgeführt und die Leistung vergeben. Die Bauphase soll Anfang 2014 beginnen, anschließend wird die Mess- und Regelungstechnik umgestellt und der Speicher befüllt. Spätestens Ende 2014 soll der Wärmespeicher in das Wärmenetz eingebunden sein und der Probebetrieb beginnen.
 
Sollten sich zukünftig neue Rahmenbedingungen darstellen, die sich aus der Unsicherheit des wirtschaftlichen Kraftwerkbetriebs mit Steinkohle ergeben, sind die Gemeindewerke Großkrotzenburg mit der Durchführung dieses Konzeptes bestens vorbereitet. Es stehen weiterhin alle Optionen offen, um flexibel auf eine unsichere Zukunft reagieren zu können und eine sichere Wärmebereitstellung zu marktgerechten Endkundenpreisen zu gewährleisten.
 

Kontakt

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Kai Imolauer

Diplom-Wirtschaftsingenieur (FH)

Partner

+49 911 9193 3606

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