Kommunale Versorger und der Einstieg in die Telekommunikation

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​veröffentlicht am 14. Juni 2017

 

Die Entwicklung vom klassischen Kommunalunternehmen zu einem modernen Infrastrukturdienstleister gilt als die zentrale Herausforderung für viele Stadt- und Gemeindewerke. Vor dem Hintergrund des einschneidenden Wandels am Telekommunikationsmarkt, der sich derzeit in Deutschland vollzieht, bietet sich hier die Möglichkeit, etablierte Marktteilnehmer im lokalen Markt unter Druck zu setzen und perspektivisch gegebenenfalls zu verdrängen. In ganz Deutschland finden sich Beispiele für den erfolgreichen Breitbandausbau auf Grundlage einer Mischung aus traditionellen kommunalen Werten und innovativem Unternehmertum.

 

​In den letzten Jahren nimmt der Druck auf die klassischen Geschäftsfeldern von Stadt- und Gemeindewerken immer stärker zu. Im Zuge der Dezentralisierung der Energiewirtschaft produzieren frühere Endkunden ihren Strom zunehmend selbst, während die Gewinne aus Beteiligungen an der konventionellen Energieerzeugung konsequent schrumpfen. Zusätzlich übt das aktuelle Zinsniveau großen Druck auf die regulierten Netzsparten aus, während die Investitionsansprüche an dauerdefizitäre Sparten, insbesondere im ÖPNV, weiter steigen.


Auf der Suche nach neuen Werttreibern entwickelt sich der Telekommunikationsbereich zu einer Möglichkeit, die Unternehmensstabilität langfristig zu sichern und aufbauend auf den bestehenden Kernkompetenzen zusätzliche Deckungsbeiträge zu generieren.


Der Bandbreitenbedarf unserer modernen Gesellschaft nimmt stetig zu und entwickelt sich immer mehr zu einem wesentlichen Standortfaktor. Ein Indiz hierfür ist, dass der Datenverkehr im Internet jedes Jahr um 50 Prozent steigt, sich alle 21 Monate verdoppelt und sich alle sechs Jahre verzehnfacht1. Um dieser steigenden Datenmenge gerecht zu werden, steht perspektivisch nur eine vollständig auf Glasfaser basierende Telekommunikationsnetztechnologie zur Verfügung.

 

Der Infrastrukturanbieter

Die Kernkompetenzen von Stadt- und Gemeindewerken liegen vor allem in der Bereitstellung von Infrastruktur und den dazugehörigen Dienstleistungen. Als Energie- und Wassernetzbetreiber können sie in der Planung und Verlegung von Leitungen und auch im kaufmännischen Umgang mit langlebiger Infrastruktur eine hohe Expertise aufweisen.

Etwa 80 Prozent der Kosten eines Glasfasernetzes entfallen auf die Investitionen in Tiefbau und auf die Verlegung der Netzinfrastruktur, woraus das enorme Einsparpotenzial von

Mitverlegungsmaßnahmen deutlich wird. Durch eine geschickte Schlüsselung der jeweiligen Kosten kann eine Telekommunikationssparte hierbei häufig zumindest teilweise entlastet werden.

 

Mitverlegung 

Abbildung 1: Mitverlegung

 

Das Kernvermarktungsgebiet von Stadt- und Gemeindewerken umfasst häufig auch große Teile des ländlichen Raumes, während viele etablierte und ausschließlich auf die Telekommunikation fokussierte Carrier auf den Anschluss außerörtlicher Kunden aufgrund hoher Ausbaukosten verzichten. Hier ergibt sich für den kommunalen Mehrspartenversorger ein Anknüpfungspunkt:

 

Durch den Ausbau von Gebieten außerhalb des Ortskernes im Rahmen der Mitverlegung kann ein kommunales Unternehmen derzeit einen guten Anknüpfungspunkt finden, um den Aufbau der Telekommunikationssparte anzugehen. Darauf aufbauend ist es in den meisten Fällen erforderlich, perspektivisch auch die Innenstadtbereiche zu erschließen, um das Geschäftsmodell durch höhere Kundenzahlen zu skalieren und ein adäquates Maß an wirtschaftlichem Erfolg generieren zu können.

 

Kosten Glasfaserbau

Abbildung 2: Vergleich Kosten Glasfaserausbau2 

 

Sofern sich die Kompetenz eines Kommunalunternehmens auf die Durchführung von Erdarbeiten beschränkt, empfiehlt sich in der Regel eine Verpachtung des Netzes an ein etabliertes Telekommunikationsunternehmen.


Der Internetprovider

Neben den unbestreitbaren Erfahrungen bei der Verlegung und Bewirtschaftung von Leitungen verfügen Stadt- oder Gemeindewerke häufig außerdem über ein nicht unerhebliches Expertenwissen im Endkundengeschäft. Als lokaler Anbieter von Energie mit oft traditionsreichen Markenkernen stellen kommunale Versorgungsunternehmen eine lokale oder regionale Größe dar, die ein hohes Maß an Vertrauen und Wertschätzung beim Endkunden genießt. Dies eröffnet ihnen auch die Perspektive, selbst als Internetprovider im Vertrieb aufzutreten und so auch in diesem Geschäftsbereich Synergien zu heben.

 
Die Übernahme einer zukunftsfähigen leistungsgebundenen Versorgungsaufgabe kann sich zusätzlich positiv sowohl auf die Glaubwürdigkeit als auch die Konkurrenzfähigkeit der bestehenden Vertriebssparten auswirken.

 
Die Telekommunikation bietet nicht zuletzt deswegen eine hervorragende Ergänzung zum gesamten Energiegeschäft, weil Digitalisierung und Energieversorgung durch Anwendungen wie Smart Grid oder Smart Home zunehmend zusammenwachsen.

 

Der Markteinstieg

Unabhängig vom letztendlich gewählten Modell sollten vor dem Markteinstieg eine Reihe von strategischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Überlegungen getätigt werden.

 
Bei der Festlegung des strategischen Rahmens ist insbesondere das individuell optimale Geschäftsmodell zu definieren. Die präferierte Zielgruppe, die optimale Wertschöpfungstiefe, die Umsetzungsgeschwindigkeit und die langfristige Entwicklung spielen hier eine übergeordnete Rolle.

 
Ein wesentliches Entscheidungskriterium für oder gegen den Markteinstieg stellt außerdem die zu erwartende wirtschaftliche Entwicklung dar, welche im Rahmen der Businessplanung durch eine belastbare Wirtschaftlichkeitsanalyse abgebildet werden kann.


Hierbei ist auch die Frage nach der Nutzung etwaiger Förderprogramme zu beantworten, von denen derzeit je nach Bundesland eine mehr oder weniger große Anzahl zur Verfügung steht.


Dreh- und Angelpunkt beim Markteinstieg ist in jedem Modell die zügige Gewinnung von Kunden.

 
Egal ob es sich nur um die Vermarktung von Hausanschlüssen oder um ein vollumfängliches Dienstangebot handelt:


Beim Aufbau der neuen Sparte gilt es immer, das bestehende vertriebliche Know-how bestmöglich zu nutzen und um telekommunikationsspezifische Expertise zu erweitern, um nun auch den Internetanschluss fachgerecht zu vermarkten.

 

Dabei ist es erforderlich, die besondere Stellung des Stadt- bzw. Gemeindewerkes im Hinblick auf das hohe Vertrauen, die starke Bindung und die zweifelsohne vorhandene Wertschätzung der Kunden auf das neue Geschäft zu übertragen und weiter auszubauen.


Fazit

Die bestehenden Geschäftsfelder von kommunalen Versorgungsunternehmen geraten zunehmend unter Druck. So bewirkt beispielsweise die Anreizregulierung eine Minderung der Erlösobergrenze, wodurch der Ergebnisbetrag der Netzsparte das Gesamtergebnis belastet. Stadtwerke haben aufgrund von gegebenenfalls umfangreichen Synergiepotenzialen im Tiefbau sowie einer kaum vergleichbaren Vertriebsstärke häufig Wettbewerbsvorteile gegenüber klassischen, überregional oder gar international agierenden Telekommunikationsanbietern.


Der derzeit von der Politik stark vorangetriebene Glasfaserausbau bietet kommunalen Unternehmen die Chance, zukünftige Ergebnisrückgänge zu kompensieren und die Digitalisierung der Gesellschaft und des eigenen Unternehmens zu forcieren. Im Rahmen der Neuordnung des Telekommunikationsmarktes eröffnet sich hier die Möglichkeit, einen neuen, dem klassischen Stadtwerk sehr naheliegenden, Markt von Anfang an zu besetzen.

 

Gerne unterstützen wir Sie beim Einstieg in die Telekommunikationsbranche und stehen Ihnen als „Sparringspartner” bei allen Entscheidungen und Unternehmungen im Zusammenhang mit dem Breitbandausbau und der Telekommunikationswirtschaft zur Verfügung.

 

 

1 Nielsen’s Law of Internet Bandwidth

2 Alcatel Lucent – Alexander Scharf – 2010

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