Novellierung der Anreizregulierungsverordnung (ARegV) – neue Investitionsbedingungen

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​veröffentlicht am 14. Juni 2017

 

Die im September 2016 beschlossene Novellierung der ARegV sieht als wesentliches Instrument den Kapitalkostenabgleich vor. Dieser beinhaltet zum einen den Kapitalkostenabzug („Nachfahren der Kapitalkosten”) und zum anderen den Kapitalkostenaufschlag. Mit dem Instrument des Kapitalkostenabgleichs wird zwar der maximal bis zu sieben Jahre dauernde Zeitverzug bei der Anerkennung von Investitionen beseitigt, jedoch entfällt der „positive Sockeleffekt” aus dem Einfrieren der Kapitalkosten auf dem Niveau des Fotojahres. Vor diesem Hintergrund haben Netzbetreiber die bestehenden Investitionsstrategien grundlegend zu prüfen.

 

​Die seit dem Jahr 2009 geltende ARegV wurde im September 2016 durch die Einführung des Kapitalkostenabgleichs grundlegend reformiert. Im „alten” Regulierungsrahmen wurden Investitionen, die nach dem Fotojahr getätigt wurden, mitunter erst mit einem Zeitverzug von sieben Jahren in der Erlösobergrenze berücksichtigt („negativer Sockeleffekt”). Demgegenüber stand der „positive Sockeleffekt”, der das Absinken der Restwerte für die Dauer der Regulierungsperiode nicht berücksichtigte. Durch die Einführung des Kapitalkostenabgleichs soll nun eine Verbesserung der Investitionsbedingungen für Verteilnetzbetreiber geschaffen werden.

 

Kapitalkostenabzug

Der Kapitalkostenabzug stellt eine Fortschreibung des im Fotojahr genehmigten Anlagenbestandes dar. Der Kapitalkostenabzug umfasst die kalkulatorischen Abschreibungen, die kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung, die kalkulatorische Steuer sowie die Fremdkapitalzinsen. Die Höhe des Abzugs ergibt sich aus den im Basisjahr enthaltenen Kapitalkosten abzüglich der fortgeführten Kapitalkosten im jeweiligen Jahr der Regulierungsperiode.

 

Die fortgeführten Kapitalkosten werden unter Berücksichtigung der jährlich sinkenden kalkulatorischen Restwerte der betriebsnotwendigen Anlagegüter ermittelt. Für Anlagen der Jahre 2007 bis 2015 (Gas) bzw. 2016 (Strom) gilt für den Zeitraum der 3. Regulierungsperiode ein „Bestandsschutz”; der kalkulatorische Anlagenrestwert wird entsprechend auf Höhe des Basisjahres „eingefroren” und unterliegt keiner Wertminderung. Somit bleiben positive Sockeleffekte zumindest bis zum Ende der 3. Regulierungsperiode erhalten.1

 

Für die Ableitung der nachgefahrenen kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung werden das betriebsnotwendige Umlaufvermögen sowie das Abzugskapital und das verzinsliche Fremdkapital im Verhältnis der kalkulatorischen Anlagenrestwerte angepasst. Die Restwerte der Netzanschlusskostenbeiträge und Baukostenzuschüsse werden hingegen über die kalkulatorische Nutzungsdauer von 20 Jahren fortgeschrieben. Zur Berechnung werden die Zinssätze und Indexfaktoren des Basisjahres zum Ansatz gebracht. Die Fremdkapitalzinsen werden anhand des Verhältnisses des verzinslichen Fremdmittelbestands reduziert. Abbildung 1 zeigt eine schematische Darstellung der Entwicklung der Erlösobergrenze im Verlauf einer Regulierungsperiode unter Berücksichtigung des Kapitalkostenabzugs.

 

Kapitalkostenabzug

 Abbildung 1: Kapitalkostenabzug (schematische Darstellung)

 

Kapitalkostenaufschlag

Durch das gegenläufige Element des Kapitalkostenaufschlags können Investitionen nach dem Basisjahr – im Gegensatz zum Erweiterungsfaktor, der ab der 3. Regulierungsperiode entfällt – ohne Zeitverzug berücksichtigt werden. Darunter fallen ebenfalls Planinvestitionen für das Jahr, auf das die kalenderjährliche Erlösobergrenze Anwendungen finden soll. Der Kapitalkostenaufschlag setzt sich ebenfalls aus den kalkulatorischen Abschreibungen, der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung, der kalkulatorischen Steuer sowie dem Aufwand für Fremdkapitalzinsen zusammen. Für die kalkulatorische Verzinsung wird, anders als beim Abzug, eine netzbetreiberunabhängige Finanzierungsstruktur unterstellt. Der anzuwendende kalkulatorische Zinssatz bestimmt sich somit als gewichteter Mittelwert aus kalkulatorischem Eigenkapitalzinssatz und kalkulatorischem Fremdkapitalzinssatz, wobei der kalkulatorische Eigenkapitalzinssatz pauschal mit 40 Prozent und der kalkulatorische Fremdkapitalzinssatz pauschal mit 60 Prozent zu gewichten sind.

 

Die kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung ergibt sich auf Basis der Mittelwerte des Jahresanfangs- und Jahresendbestands der kalkulatorischen Anlagenrestwerte. Hierbei werden Anlagenrestwerte berücksichtigt, deren Aktivierung ab dem 1. Januar des Jahres, das auf das Basisjahr der anzupassenden Erlösobergrenze folgt, stattgefunden hat, sowie bis zum 31. Dezember des Jahres, für das der Kapitalkostenaufschlag genehmigt wird, zu erwarten ist. Dies wird mit dem kalkulatorischen Mischzinssatz gemäß § 7 Abs. 6 Strom/ GasNEV multipliziert. Der Fremdkapitalaufwand wird anhand des die 40 Prozent übersteigenden betriebsnotwendigen Eigenkapitals abzüglich der erhaltenen Netzanschlusskostenbeiträge und Baukostenzuschüssen bemessen. Dieser wird mit dem kalkulatorischen Mischzinssatz gemäß § 7 Abs. 7 Strom/GasNEV multipliziert. Die kalkulatorischen Abschreibungen werden nach den Vorgaben der Gas/StromNEV auf Basis der Anschaffungs- und Herstellungskosten berechnet. Die kalkulatorische Steuer ergibt sich aus der für den Kapitalkostenaufschlag maßgeblichen kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung multipliziert mit dem Gewerbesteuerhebesatz des Basisjahres. Eine beispielhafte Darstellung der Entwicklung der Erlösobergrenze im Verlauf einer Regulierungsperiode unter Berücksichtigung von Kapitalkostenabzug und Kapitalkostenaufschlag kann Abbildung 2 entnommen werden.

 

 

Kapitalkostenaufschlag

Abbildung 2: Kapitalkostenaufschlag (schematische Darstellung)

 

Handlungsempfehlungen

Vor der Novellierung der Anreizregulierungsverordnung hatte der Investitionszeitpunkt einen entscheidenden Einfluss auf die erzielbare Rendite des Netzbetreibers. Dabei waren Investitionen in betriebsnotwendige Anlagen kurz vor oder im Basisjahr vorteilhaft, da diese die höchstmögliche Rendite versprachen. Durch die Einführung des Kapitalkostenabgleichs wurde diese Fokussierung auf das Basisjahr beseitigt. Unter dem „neuen” Regulierungsrahmen lassen sich lediglich zwei Einflussfaktoren finden, über die der Investitionszeitpunkt renditewirksam werden kann. Zum einen besitzt der individuelle Effizienzwert eines Netzbetreibers einen Einfluss auf die Mittelrückflüsse einer vor oder im Basisjahr aktivierten Investition. Investitionen nach dem Basisjahr werden nicht durch den Effizienzwert für die laufende Regulierungsperiode erfasst, sondern erst in der Folgeperiode. Demnach ist bei einem Effizienzwert < 100 Prozent eine Aktivierung nach dem Basisjahr empfehlenswert. Zum anderen wird – wie bereits erläutert – für den Kapitalkostenabzug eine netzbetreiberspezifische, für den Kapitalkostenaufschlag eine netzbetreiberunabhängige Finanzierungsstruktur angesetzt. Daher können sich Unterschiede im Mischzins ergeben.

 

Die Höhe des Kapitalkostenabzugs für die 3. Regulierungsperiode wird bereits mit dem Festlegungsbescheid zur Kostenprüfung bestimmt. Somit ist es – jahres- und anlagengruppenscharf – möglich, zu bestimmen, wie sich die Restwerte in jedem Jahr der 3. Regulierungsperiode entwickeln bzw. welche Anlagen nicht mehr kalkulationsrelevant sind. Auf dieser Basis kann sehr genau ermittelt werden, welche Investitionen notwendig sind, um einem entsprechenden Kapitalkostenabzug und damit einem Absinken der kalenderjährlichen Erlösobergrenzen entgegenzuwirken. Durch den Bestandsschutz für Neuanlagen der Jahre 2007 bis 2015 (Gas) bzw. 2016 (Strom) wirkt sich der Kapitalkostenabzug in der 3. Regulierungsperiode in der Regel noch nicht „vollumfänglich” auf die Entwicklung der Erlösobergrenze aus. Sollte der Bestandsschutz mit Beginn der 4. Regulierungsperiode entfallen, ist mit einem deutlich stärkeren Absinken infolge des Kapitalkostenabzuges zu rechnen. Diese Entwicklung gilt es in entsprechenden Szenario-Rechnungen zu simulieren.

 

Auf Basis des genehmigten Anlagenbestandes für die 3. Regulierungsperiode kann auch bereits hier ermittelt werden, wie sich ein Wegfall des Bestandsschutzes auf die Kapitalkosten auswirken würde und welche Investitionen für eine Kompensation getätigt werden müssten. Netzbetreiber sind daher gut beraten, den Fokus der Investitionsplanung zu erweitern (zumindest für den Zeitraum der folgenden zwei Regulierungsperioden). Zudem sollten entsprechende Szenario-Rechnungen angestellt werden, um eine regulierungsoptimierte Investitionssteuerung ableiten zu können.

 

1 Derzeit findet auf Antrag des Bundesrates eine Prüfung bezüglich der Ausdehnung dieser Übergangsregelung auf die 4. Regulierungsperiode statt. 

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Tobias Boß

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