Deutsche Windenergie: Umparken im Kopf

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​veröffentlicht am 8. September 2017

 

Der deutsche Windmarkt muss sich neu erfinden. Die Zeiten der festen Einspeisevergütung sind vorbei. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann neue Marktmechanismen greifen und das EEG komplett entfällt. In der Zwischenzeit könnten Thematiken rund um den Weiterbetrieb nach Auslauf der EEG-Vergütung erörtert werden, um neue Stromvertriebsmöglichkeiten zu erschließen.

 

Eine Zukunftsbetrachtung über en deutschen Windmarkt

Die Ausschreibung für Strom aus Windkraft ist bereits in die 2. Runde gegangen. Das Ergebnis ist ein weiterer Paukenschlag. Nach 5,71 Cent/kWh in der ersten Ausschreibungsrunde liegt der Durchschnittswert nun bei 4,28 Cent/kWh. Wieder bilden sogenannte Bürgerenergiegesellschaften das Gros der Ausschreibungskapazitäten mit ca. 95 Prozent. Was bedeutet dies jedoch für die Energiewende hinsichtlich der Umsetzungsrate? Werden in den kommenden 4,5 Jahren überhaupt genug Windprojekte realisiert, um den sowieso schon zurückgestutzten Zielausbaukorridor ausreichend zu befüllen? Aber auch Fragen hinsichtlich des mittelfristigen Fortbestands des Systems „EEG” drängen sich immer mehr auf: Die Wahlergebnisse in einigen Bundesländern sowie das Handeln der dortigen Regierungen zeigen, dass die Politik in Sachen Klimaschutz und Kostenteilung nicht mehr unumstritten am bisherigen System des EE-Ausbaus festhält. So hat Bayern nach wie vor die 10H-Regelung, NRW will Mindestabstände zu WEA auf 1.500 m anheben, Rheinland-Pfalz hat sie bereits auf 1.000 m angehoben, Brandenburg weicht Klimaziele auf, etc. Es scheint absehbar, dass die bisherige Förderung sowie Privilegierung der Erneuerbaren langsam ein Ende findet. Doch wie sieht dieses Ende aus? Werden z.B. bald Stromabnahmeverträge mit Industriekunden oder Direktvermarktern der Standard sein, nachdem die EEG-Vergütung vollständig entfallen ist? Dies würde immerhin neue Chancen und Möglichkeiten für Stadtwerke aufwerfen, die naturgemäß den besten Zugang zu lokal ansässigen großen Energieabnehmern haben.

 

Zukunftsfragen, mit denen sich gerade deutsche Stadtwerke mehr oder minder schnell beschäftigen müssen. Schon jetzt ist ersichtlich, dass gerade neue Windkraftprojekte oftmals an Stadtwerken „vorbei” projektiert und betrieben werden. Heutzutage kommt immer weniger der lokal agierende Energieversorger zum Zug, wenn es um Investitionen speziell in die Windenergie geht. Vor einigen Jahren war dies noch anders. Viele gerade kleinere Projektierer haben oftmals Parks gemeinsam mit den ortsansässigen Versorgungswerken projektiert oder in deren Auftrag schlüsselfertig errichtet. Im Zuge der anhaltenden lockeren Geldpolitik und der Negativzinsen haben aber große Investoren und institutionelle Anleger längst das Ruder übernommen und gehen mit Kaufpreisrenditen ins Bieterrennen um die Windparks, mit denen kaum ein Stadtwerk mithalten kann. Dies verspricht gute Margen für die Projektierer und Anlagenhersteller, jedoch wenig kommunal erzeugten EE-Strom für die Bürger vor Ort. Hinzu kommt: Windenergie in Deutschland ist ein Stück unberechenbarer geworden. War vorher die Situation noch relativ übersichtlich und bestand das wirtschaftliche Risiko nach Erreichen der Genehmigung im Prinzip einzig und allein in dem volatilen Windaufkommen und der Prognosegenauigkeit, so ist für viele potenzielle Betreiber und Investoren heute nicht mehr klar, ob neue Projekte überhaupt wirtschaftlich betrieben werden können, nachdem bereits mehrere hunderttausend Euro in Entwicklung und Projektierung geflossen sind.

 

Wie können Stadtwerke dem entgegensteuern?

Bisher blieb der Zusammenschluss zu Investitionsgemeinschaften zur Realisierung von Projekten im größeren Stil, wie bei der Trianel oder Thüga z.B. praktiziert, fast die einzig verbleibende Möglichkeit, um überhaupt an Windprojekten zu partizipieren. Dies trifft vor allem für diejenigen zu, die nicht durch frühzeitige Flächensicherung die Chance ergriffen, Projektierern Anteile für zu entwickelnde Windparks „abzuringen” oder gar eigenständig zu entwickeln.

 

Es ist an der Zeit, sich neue Modelle zu überlegen, an denen Stadtwerke wieder ansetzen können, um in ihrem Kerngeschäft – Energievertrieb – erfolgreich zu sein.

 

Eine spannende Entwicklung wird sicherlich sein, wie es mit den vorhandenen Bestandsparks weitergeht und wie eine Nachfolgenutzung nach Ende der EEG-Vergütung (ab 2021) aussieht. Abseits der publizierten 3,5 bis 4 Cent/kWh, die ein Windpark laut einer Studie der Deutschen WindGuard GmbH im Auftrag der NATURSTROM AG und der deutschen Umwelthilfe (DUH) zum wirtschaftlichen Weiterbetrieb benötigt, gilt es dies für jeden Windpark spezifisch zu prüfen. Hierbei sind oftmals sowohl die Standorte als auch die Vertrags- und Genehmigungssituationen für einen Weiterbetrieb entscheidend. So hat es signifikanten Einfluss darauf, wie beispielsweise Pachtzahlung nach dem Betriebsjahr 20 vertraglich geregelt ist, wie stark die Anlagen durch den Wind im Laufe ihrer Lebensdauer mechanisch beansprucht wurden und wie die jeweilige Behörde vor Ort mit dem Thema Weiterbetrieb umgeht. Auch spielen das Verhandlungsgeschick für beispielsweise neue Wartungsverträge oder aber die Kosten für neue beizubringende Gutachten für eine Genehmigungsverlängerung eine maßgebliche Rolle. Dies sollte jedoch ausreichend im Vorfeld untersucht werden und verschiedene Weiterbetriebsszenarien frühzeitig durchgespielt werden. Nur so lässt sich ein Windpark mit entsprechender kaufmännischer Voraussicht sinnvoll weiterbetreiben oder -verwerten. Ein oftmals unterschätzter Aspekt in der zeitlichen Vorausplanung ist auch, dass die Anzahl an Gutachtern für die technischen Voraussetzungen eines Weiterbetriebs begrenzt ist und es zu Engpässen in der Bewertungsgeschwindigkeit ab den Jahren 2019 und 2020 kommen könnte.

 

Heute kann niemand mit Sicherheit sagen, wie sich der Strompreis bis 2021 entwickeln wird und ob heutige als „kritisch” determinierte Schwellen auch noch im Jahre 2021 Gültigkeit haben. Unabhängig davon beschäftigen sich heute jedoch schon eine Reihe von Unternehmen mit weiteren Nachnutzungsmöglichkeiten für den Fall, dass der Börsenstrompreis tatsächlich auf dem aktuell weiterhin niedrigen Niveau auch ab 2021 verbleiben sollte. Neben der allseits bekannten Speichertechnologie, um Windparks für den Regelenergiemarkt zugänglich zu machen und so Netze zu entlasten, kommen immer häufiger bspw. sogenannte „mobile Wasserstoffproduktionen” zum Einsatz. Dies sind mobile Container, die eine vollständige Wasserstofferzeugungseinheit enthalten, um direkt am Windpark grünen Wasserstoff zu erzeugen. Dies ist jedoch bisher noch stark gekoppelt an den Erfolg z.B. der Wasserstoffzelle als alternative Antriebsmöglichkeit im Verkehrssektor oder aber an lokal ansässige Industrieunternehmen, die heute schon Wasserstoff in größeren Mengen nachfragen.

 

In Zeiten steigenden Energiebedarfs müssen sich alle Technologien weiterentwickeln und neue Lösungswege gefunden werden, um dem wachsenden Energiehunger unserer Gesellschaft auf eine ökologisch verträgliche Art und Weise gerecht zu werden. Was jedoch nicht sein kann und darf ist, dass funktionierende Windparks rückgebaut werden müssen, obwohl sie noch viele weitere Jahre saubere Energie erzeugen könnten.

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Kai Imolauer

Diplom-Wirtschaftsingenieur (FH)

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