Stromlieferungen im Quartier

PrintMailRate-it

veröffentlicht am 3. September 2018

 

Ob das Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) auch in der regelmäßig für die Quartiersversorgung gewählten Kundenanlage Anwendung findet wird aktuell noch diskutiert. Es sprechen aber starke Argumente gegen eine Anwendung des MsbG auf Kundenanlagenbetreiber. Kundenanlagen sind regelmäßig als Letztverbraucher im Sinne des § 2 Nr. 8 MsbG zu klassifizieren. Dieses Ergebnis hat weitreichende Folgen bei der Umsetzung von Quartiersversorgungs- und Mieterstromprojekten.

 

Das Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) gibt den Rahmen für den Messstellenbetrieb mit konventionellen und modernen Messeinrichtungen sowie intelligenten Messsystemen vor.

 

Ob und wenn ja in welchem Umfang das MsbG auch in der oftmals für die Quartiersversorgung gewählten sogenannten Kundenanlage im Sinne des § 3 Nr. 24a/b Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) Anwendung findet und welche Anforderungen sich hieraus für den Lieferanten, den Kundenanlagenbetreiber und den Netzbetreiber, an dessen Netz die Kundenanlage angeschlossen ist, ergeben, verdient jedoch eine nähere Betrachtung.


Im zweiten Teil unserer Serie über die Stromversorgung in Quartieren beleuchten wir daher die sich im Zusammengang mit dem MsbG ergebenden Fragestellungen.

 

Messstellenbetrieb nach dem Messstellenbetriebsgesetz

Gemäß § 3 Abs. 1 MsbG ist der Messstellenbetrieb Aufgabe des grundzuständigen Messstellenbetreibers (gMSB), soweit nicht der Anschlussnutzer (oder ab 2021 der Anschlussnehmer) einen Dritten mit dem Messstellenbetrieb beauftragt hat.

 

§ 2 Nr. 4 MsbG definiert den grundzuständigen Messstellenbetreiber als den Betreiber von Energieversorgungsnetzen, solange und soweit er seine Grundzuständigkeit für den Messstellenbetrieb nicht auf ein anderes Unternehmen übertragen hat, oder als jedes Unternehmen, das die Grundzuständigkeit für den Messstellenbetrieb übernommen hat. Allerdings müssen hier zwei Aufgabenbereiche unterschieden werden: einmal die „normale“ Grundzuständigkeit für den Messstellenbetrieb (vgl. § 3 Nr. 5 MsbG) und daneben die „besondere“  Grundzuständigkeit für den Messstellenbetrieb von modernen Messeinrichtungen (mME) und intelligenten Messsystemen (iMS) (vgl. § 3 Nr. 6 MsbG).

 

  • Grundzuständigkeit für den Messstellenbetrieb: die Verpflichtung zur Wahrnehmung des Messstellenbetriebs für alle Messstellen des jeweiligen Netzgebiets solange und soweit kein Dritter den Messstellenbetrieb durchführt.
  • Grundzuständigkeit für den Messstellenbetrieb von modernen Messeinrichtungen und intelligenten Messsystemen: die Verpflichtung zur Wahrnehmung des Messstellenbetriebs mit modernen Messeinrichtungen und intelligenten Messsystemen im jeweiligen Netzgebiet für diejenigen Messstellen, die mit modernen Messeinrichtungen und intelligenten Messsystemen auszustatten sind und für die kein Dritter den Messstellenbetrieb durchführt.

 

Lediglich die Grundzuständigkeit für den Messstellenbetrieb von mME und iMS kann gemäß §§ 41 ff. MsbG auf ein anderes Unternehmen übertragen werden. Die Grundzuständigkeit für die konventionellen Messeinrichtungen (kME) verbleibt daher stets beim Netzbetreiber.

 

Das MsbG richtet sich mit seinen Regelungen insofern im Grundsatz zunächst einmal an den Messstellenbetreiber von Messeinrichtungen im Netz der allgemeinen Versorgung. Die Kundenanlage erwähnt das Gesetz nicht.

 

Auslegung anhand der Gesetzesbegründung und der Spruchpraxis der Bundesnetzagentur

Der Gesetzgeber erwähnt in seiner Begründung zum MsbG die Kundenanlage innerhalb der Ausführungen zu den Begriffsdefinitionen „Letztverbraucher“ in § 2 Nr. 8 MsbG und „Zähl-punkt“ in § 2 Nr. 28 MsbG. Durch die Verwendung des Wortes „beziehen“ würde klargestellt, dass es auf den physischen Bezug des Stroms und weniger auf die vertragliche Ausgestaltung des Strombezugs ankommt. Hierdurch und durch die Formulierung „für den eigenen Verbrauch“ würden demnach auch Unterzähler in Kundenanlagen erfasst. Zu § 2 Nr. 28 MsbG führt die Gesetzesbegründung aus, dass die Definition des Zählpunktes auf Einspeise- und Verbrauchssituationen genauso wie auf Konstellationen „Unterzähler in Kundenanlagen“ Anwendung finden kann (BT-Drucks. 18/7555. S. 73, 75).

 

Aus diesen Ausführungen wird deutlich, dass das MsbG Kundenanlagen durchaus kennt. Daraus folgt aber auch, dass der Gesetzgeber bewusst keine Norm eingefügt hat, die das Gesetz auch auf Kundenanlagen für anwendbar erklärt. Auf der anderen Seite definiert § 1 MsbG den Anwendungsbereich des Gesetzes, ohne eine Differenzierung zwischen Netzen der allgemeinen Versorgung, geschlossenen Verteilernetzen und Kundenanlagen durchzuführen. Jedoch ist vorrangig zu beachten, dass das MsbG mit vollem Titel „Gesetz über den Messstellenbetrieb und die Datenkommunikation in intelligenten Energienetzen“ heißt. Entscheidend ist unseres Erachtens deshalb, ob man Kundenanlagen unter den Begriff „Energienetze“ fassen kann. Der Begriff des Energienetzes ist im MsbG nicht legaldefiniert, jedoch spricht der Sachzusammenhang dafür, dass damit ein „Energieversorgungsnetz“ im Sinne des § 3 Nr. 16 EnWG gemeint sein dürfte. Da Kundenanlagen aber gerade nicht unter den Begriff des Energieversorgungsnetzes fallen, spricht dies dafür, dass Kundenanlagen wohl nicht vom Anwendungsbereich des Gesetzes erfasst sein sollten.

 

Zu beachten sind auch die Regelungen des § 20 Abs. 1 d EnWG. Dieser lautet wie folgt:

 

„Der Betreiber des Energieversorgungsnetzes, an das eine Kundenanlage oder eine Kundenanlage zur betrieblichen Eigenversorgung angeschlossen ist, hat den Zählpunkt zur Erfassung der durch die Kundenanlage aus dem Netz der allgemeinen Versorgung entnommenen und in das Netz der allgemeinen Versorgung eingespeisten Strommenge (Summenzähler) sowie alle Zählpunkte bereitzustellen, die für die Gewährung des Netzzugangs für Unterzähler innerhalb der Kundenanlage im Wege der Durchleitung (bilanzierungsrelevante Unterzähler) erforderlich sind. Bei der Belieferung der Letztverbraucher durch Dritte findet im erforderlichen Umfang eine Verrechnung der Zählwerte über Unterzähler statt. Bei nicht an ein Smart-Meter-Gateway angebundenen Unterzählern ist eine Verrechnung von Leistungswerten, die durch standardisierte Lastprofile nach § 12 Absatz 1 der Stromnetzzugangsverordnung ermittelt werden, mit am Summenzähler erhobenen 15-minütigen Leistungswerten des Summenzählers aus einer registrierenden Lastgangmessung zulässig, soweit energiewirtschaftliche oder mess- und eichrechtliche Belange nicht entgegenstehen.“
 
Die entsprechende Gesetzesbegründung hierzu (BT-Drucks. 18/12355, S. 24 f.) statuiert, dass § 20 Abs. 1d EnWG die Vorgaben zur Bereitstellung von Zählpunkten, Gewährung von Netzzugang für Unterzähler und zur Anwendbarkeit des MsbG auf Zähler innerhalb von Kundenanlagen präzisiert, wodurch er für Rechtssicherheit in Fällen von Mieterstrommodellen als auch in allen sonstigen Fällen von Kundenanlagen, in denen Summenzähler in Kombination mit Unterzählern und ggf. Erzeugungszählern eingesetzt werden, sorgt. Die Norm verpflichtet den Betreiber des Energieversorgungsnetzes und nicht den Betreiber der Kundenanlage selbst. In Kombination mit der entsprechenden Gesetzesbegründung spricht dies ebenfalls gegen die Anwendbarkeit des MsbG auf Kundenanlagen im Sinne einer Auferlegung von Pflichten durch das MsbG auf den Kundenanlagenbetreiber.

 

Bei einer Kundenanlage mit Unterzählung wie in einem Quartier handelt es sich um ein sogenanntes Lokationsbündel. Hier ist der Netzbetreiber dafür verantwortlich, dass der Messstellenbetreiber alle Messlokationen eines Lokationsbündels kennt. Die Pflicht des Messstellenbetreibers erstreckt sich demgemäß auf den Messstellenbetrieb an dem Messwerte für die Bilanzierung und Abrechnung gegenüber dem Netzbetreiber ermittelt werden. Dies können auch (Unter-)Zähler in einer Kundenanlage sein.

 

Die Bundesnetzagentur vertrat bislang zu den Vorgängerregelungen die Auffassung, dass die Vorschriften der §§ 21b ff. EnWG a.F. in Bezug auf die drittbelieferten Unterzählpunkte „grundsätzlich“ nicht anwendbar seien. Der Betreiber der Unterzähler in der Kundenanlage war danach kein Messstellenbetreiber/Messdienstleister im Sinne der §§ 21b ff. EnWG a.F. Dass Kundenanlagen eben nicht als Energieversorgungsnetze gelten und eben nicht den Pflichten unterliegen sollen, die Betreiber von Energieversorgungsnetzen treffen, spricht dafür, dass sie wohl auch nicht von den Regulierungen des MsbG betroffen sind, sondern generell regulierungsfrei bleiben sollen.

 

Fazit 

Es sprechen unseres Erachtens gewichtige Argumente gegen eine Anwendung des MsbG auf Kundenanlagenbetreiber. Kundenanlagen sind regelmäßig Letztverbraucher im Sinne des § 2 Nr. 8 MsbG. Dieses Ergebnis ist sachgerecht, da Kundenanlagen in Abgrenzung zu Netzen der allgemeinen Versorgung eben nicht der Regulierung unterliegen sollen. Ob die Regulierungsbehörden an dieser Auffassung auch in Bezug auf die Anwendbarkeit des MsbG auf Kundenanlagen im Sinne des § 3 Nr. 24 a/b EnWG festhalten werden, bleibt abzuwarten. Eine abschließende Beurteilung dieser Fragestellung ist jedoch, mangels entsprechender Rechtsprechung oder behördlicher Entscheidungen, zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht möglich.

 

Ableitungen für die praktische Umsetzung von Quartiers- und Mieterstromkonzepten

Genau festgelegt werden sollten im Rahmen der Umsetzung von Quartiers- und Mieterstromkonzepten zunächst die konkreten „Rollen“ der beteiligten Akteure. Hierzu zählt u.a. die Klärung der Zuständigkeit für die Installation und den Betrieb der nicht bilanzierungsrelevanten Unterzähler. Dies kann durch den Kundenanlagenbetreiber erfolgen. Insoweit sollte jedoch bedacht werden, dass eine Trennung der „Rollen“ Netzbetreiber und Kundenanlagenbetreiber aufrechterhalten werden sollte, d. h. der Netzbetreiber sollte nicht gleichzeitig die Kundenanlage betreiben.

 

Auf Grundlage unseres rechtlichen Fazits lässt es sich mit ebenso guten Argumenten rechtfertigen, dass der Lieferant die Installation und den Betrieb der Unterzähler innerhalb der Kundenanlage übernimmt. Dies hat den Vorteil, dass der Lieferant moderne Messeinrichtungen installieren kann, ohne an die Preisobergrenzen aus dem MsbG gebunden zu sein. Den Kunden droht insoweit jedoch kein finanzieller Nachteil, da der Lieferant über seine Endkundenpreise im Wettbewerb steht. Der Lieferant hat wiederum den Vorteil, die mME im Bereich der Kundenanlage für die Weiterentwicklung seiner vertrieblichen Produkte testen zu können (z.B. monatsscharfe Abrechnung, differenzierte Tarifsysteme).

 

Weiterhin dürfte sich aus dem rechtlichen Fazit ableiten lassen, dass den Kunden für die vom Lieferanten installierten Messeinrichtungen kein Wahlrecht auf Einschaltung eines dritten Mess-stellenbetreibers zukommt. Dieser Punkt müsste in den Stromlieferverträgen und in den internen Prozessen des Lieferanten entsprechend berücksichtigt werden.

 

Mehr zum Thema Energiewirtschaft und Energierecht.
 

Kontakt

Contact Person Picture

Alexander von Chrzanowski

Rechtsanwalt, Fachanwalt für IT-Recht und Arbeitsrecht

Associate Partner

+49 3641 4035 30

Anfrage senden

Profil

Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu