(Keine) Umsatzsteuer bei Aufsichtsratstätigkeit

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​veröffentlicht am 02. Juni 2020

 

 

 

Mit Urteil vom 27.11.2019 traf der Bundesfinanzhof (BFH) eine für Mitglieder eines Aufsichtsrats beachtliche Entscheidung: Sofern das Aufsichtsratsmitglied für seine Aufsichtsratstätigkeit eine nicht variable Vergütung erhält, führt die Tätigkeit als Mitglied eines Aufsichtsrats nicht zu einer Unternehmerstellung. Mithin ist die Tätigkeit auch nicht umsatzsteuerpflichtig.

 

Der BFH schloss sich mit diesem Urteil der Auffassung des Europäischen Gerichtshofes (im Folgenden: „EuGH”) an und bietet hierdurch eine gute Argumentationsgrundlage, dass Aufsichtsräte für ihre Tätigkeit grundsätzlich keine Umsatzsteuer abführen müssen.


DIE MASSGEBLICHEN GERICHTSENTSCHEIDUNGEN IM ÜBERBLICK
In seiner Entscheidung vom 13.6.2019 (C 420/18) nahm der EuGH Stellung zur Unternehmereigenschaft von Mitgliedern eines Aufsichtsrats.


Konkret ging es um die Auslegung der Art. 9 und 10 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (im Folgenden: „Mehrwertsteuersystemrichtlinie”) hinsichtlich der Tätigkeit des Mitglieds eines Aufsichtsrates einer Stiftung. Der EuGH hat geprüft, ob diese Aufsichtsratstätigkeit als „wirtschaftlich” einzustufen ist und ob sie „selbstständig” ausgeübt wird. Dann nämlich sei das Aufsichtsratsmitglied ein Steuerpflichtiger im Sinne der Mehrwertsteuersystemrichtlinie.


Die Wirtschaftlichkeit der Tätigkeit bejahte der EuGH, da sie nachhaltig sei und gegen ein Entgelt ausgeübt werde, das derjenige erhält, der die Leistung erbringt.


Somit kam es nach Ansicht des EuGHs maßgeblich darauf an, ob die Tätigkeit „selbstständig” ausgeübt werde. Bei der Auslegung des maßgeblichen Art. 9 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie komme es auf das Vorliegen eines Unterordnungsverhältnisses an. Es sei zu prüfen, ob der Betroffene seine Tätigkeiten im eigenen Namen, auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung ausübe und ob er das mit der Ausübung dieser Tätigkeiten einhergehende wirtschaftliche Risiko trage.


Beides hat der EuGH verneint. Das wirtschaftliche Risiko sei dadurch ausgeschlossen, dass das Aufsichtsratsmitglied eine pauschale Vergütung erhalte, die nicht davon abhänge, ob es an Sitzungen teilnehme oder bestimmte Arbeitsleistungen erbringe. Der BFH folgt der Ansicht des EuGHs nunmehr und ändert seine bisherige Rechtsprechung.


Sofern das Mitglied eines Aufsichtsrats aufgrund einer nicht variablen Festvergütung kein Vergütungsrisiko trägt, sei es nicht als Unternehmer tätig. Unter Zugrundelegung des Urteils des EuGHs sei ein Aufsichtsratsmitglied, das eine Festvergütung erhalte, mangels Selbstständigkeit kein Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG.


In welchen anderen Fällen die Tätigkeit als Mitglied eines Aufsichtsrats demgegenüber weiterhin als unternehmerisch ausgeübt anzusehen sein könnte, hat der BFH ausdrücklich offengelassen.


NEUE HANDLUNGSOPTIONEN UND GESTALTUNGSMÖGLICHKEITEN
Aus den oben genannten Urteilen erwachsen neue rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten und Handlungsoptionen für Mitglieder eines Aufsichtsrats:

  • Die Entscheidung des BFHs lässt sich nach unserer Ansicht nicht nur für Aufsichtsräte einer Aktiengesellschaft, sondern auch auf solche einer GmbH, einer Stiftung und anderer Rechtsformen übertragen. Dabei ist allerdings stets der jeweilige Einzelfall im Blick zu behalten.
  • Die Finanzverwaltung hat die Rechtsprechung des BFHs noch nicht umgesetzt (vgl. Abschnitt 2.2. Abs. 2 S. 7 des UStAE). Somit wird der Fiskus Aufsichtsratsmitglieder ohne weitere Differenzierung bis auf Weiteres weiterhin als Unternehmer ansehen. Hieraus erwächst dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied, das eine Festvergütung ohne variable Bestandteile erhält, eine Wahlmöglichkeit: Entweder schließt es sich der Ansicht der Finanzverwaltung an und lässt seine Aufsichtsratstätigkeit als Unternehmer der Umsatzsteuer unterwerfen, oder aber es beruft sich auf die Rechtsprechung des BFHs mit der Folge, dass es kein Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes ist.
  • Achtung: Dies gilt nicht für Beamte und andere Bedienstete einer Gebietskörperschaft, die die Aufsichtsratstätigkeit auf Verlangen, Vorschlag oder Veranlassung ihres Dienstherrn übernommen haben und nach beamtenrechtlichen oder anderen dienstrechtlichen Vorschriften verpflichtet sind, die Vergütung ganz oder teilweise an den Dienstherrn abzuführen. In diesen Fällen wird die Aufsichtsratstätigkeit als Teil der unselbstständigen Tätigkeit angesehen, sodass keine Unternehmereigenschaft nach § 2 Abs. 1 UStG vorliegt. Dies gilt entsprechend für Minister und Staatssekretäre.
  • Sofern es sich um Mitglieder eines Aufsichtsrats einer anderen Rechtsform als einer Aktiengesellschaft handelt, können sich diese gegenüber den Finanzgerichten ebenfalls auf die Rechtsprechung des BFHs berufen, sofern sie eine feste Vergütung erhalten. 
  • Aufsichtsratsmitglieder mit (teilweiser) variabler Vergütung können sich in einem gerichtlichen Verfahren zumindest auf die übrigen Entscheidungsgründe des EuGHs, insbesondere auf den Punkt der Ausübung der Tätigkeit im eigenen Namen, auf eigene Rechnung und auf eigene Verantwortung, berufen. Wendet man die Entscheidung des EuGHs strikt an, müsste in einer Vielzahl von Fällen die Unternehmereigenschaft nach unserer Ansicht ebenfalls verneint werden. Bei einer entsprechenden gerichtlichen Klärung ist das Zinsrisiko zu beachten, sofern man die Umsatzsteuer nicht abführt und Aussetzung der Vollziehung gewährt wird.

 

FAZIT
Das einzelne Aufsichtsratsmitglied und dessen Arbeitgeber sollten sich nun folgende Frage stellen: Soll die Aufsichtsratstätigkeit auch zukünftig der Umsatzsteuer unterfallen oder nicht? Hier ist auch zu fragen, ob dies überhaupt einen Unterschied macht oder ob es sich aufgrund des möglichen Vorsteuerabzugs um einen nicht kostenbelastenden Faktor handelt.

 

 

 

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