Schiedsgericht versus ordentliche Gerichtsbarkeit im Transaktionsbereich

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veröffentlicht am 14. Dezember 2021 | Lesedauer ca. 3 Minuten

 

Im Rahmen eines M&A-Prozesses nimmt die Vertragsgestaltung einen wesentlichen und bedeutenden Punkt ein. Hierbei stellt sich für die beteiligten Parteien immer wieder die Frage, welches Gericht bei künftigen streitigen Auseinandersetzungen aus oder im Zusammenhang mit einem Unternehmenskauf durch die Beteiligten angerufen werden soll. Möchte man einen möglichen künftigen Rechtsstreit bei der gesetzlich vorgesehenen ordentliche Gerichtsbarkeit belassen oder ihn in die Hände eines Schiedsgerichtes legen?

 

Die Ausgangssituation

 

Bei der Ausgestaltung von Unternehmenskaufverträgen  ganz gleich ob es sich hierbei um einen Share- oder Asset-Deal handelt – gehört neben den vertragswesentlichen Bestandteilen wie beispielsweise Leistung und Gegenleistung zu einem äußerst entscheidenden und nicht zu unterschätzenden Punkt die Beantwortung der Frage, in welchem Rahmen künftige Streitigkeiten zwischen den Vertragsparteien aus oder im Zusammenhang mit dem betroffenen Vertrag ausgetragen werden sollen.


Dabei haben die Parteien grundsätzlich die Wahl zwischen zwei Alternativen: Entweder können latent drohenden Streitigkeiten in Deutschland, wie gesetzlich vorgesehen, vor den ordentlichen Gerichten ausgetragen werden oder aber die Parteien entscheiden sich im Streitfall für die Anrufung eines Schiedsgericht, auf dessen nähere Ausgestaltung, Besetzung und das anzuwendende Verfahren sie im Rahmen der Vertragsgestaltung Einfluss nehmen können.

 

Die Interessenlage

Zur Beantwortung der Frage, welches das geeignete Verfahren ist, bedarf es einer näheren Auseinandersetzung mit der jeweiligen Interessenlage bzw. den sich typischerweise stellenden Fragen. Diese leiten sich wiederum von den hierbei existierenden Entscheidungskriterien und deren jeweiliger Priorität für die beteiligten Parteien ab. Diese werden u.a. durch nachfolgende Punkte bzw. Fragen bestimmt:

  • Wo soll der Sitz des Gerichts sein?
  • Wie steht es um die Schnelligkeit des Gerichts bzw. was ist der reguläre Verfahrensablauf in zeitlicher Hinsicht?
  • Welche Sachnähe haben die Richter?
  • Welche Kompetenz bzw. wie viel Erfahrung haben die Richter?
  • Welchen Einfluss haben die Parteien auf die Auswahl der zur Entscheidung berufenen Richter?
  • Wie können die titulierten Forderungen vollstreckt bzw. beigetrieben werden?
  • Soll die gerichtliche Entscheidung durch eine oder mehrere weitere Instanzen überprüfbar sein?
  • Welcher Vertraulichkeit unterliegen die zu verhandelnden Vertragsinhalte? Wird die Öffentlichkeit beteiligt bzw. hat diese Zugang zur Verhandlung?
  • Mit welchen Kosten des Gerichts muss schlussendlich gerechnet werden?


Bereits anhand der vorstehenden und nicht abschließenden Liste ist ersichtlich, welche Tragweite die Wahl des Gerichts bzw. des Gerichtsstandes haben kann. Trotzdem werden diese von den Beteiligten oft nur sehr nachlässig und nicht mit der nötigen Aufmerksamkeit und Akribie be- und verhandelt. Dies zeigt sich bereits darin, dass diese Regelungen regelmäßig in den Schlussbestimmungen eines Vertrages auftauchen und aufgrund dessen von den Parteien oft unterschätzt, als Ballast, bloße Förmelei oder eben als notwendige Standardklauseln zum M&A-Vertrag angesehen werden. Die Erfahrung aus M&A-Prozessen zeigt, dass dem bei weitem nicht so ist. Vielmehr zeigt die Spruchpraxis vor allem im Bereich der Unternehmenskaufverträge, dass diese Klauseln und die vertiefte vorherige Beschäftigung mit ihnen von erheblicher Bedeutung und Tragweite sein können. Daher lohnt es sich nicht nur, sich mit ihnen vertiefend und eingehend auseinanderzusetzen, sondern es ist aus Sicht eines Prozessanwaltes sogar zwingend erforderlich.


Versucht man, sich die vorstehenden Fragen zu beantworten, kommt man in einigen Fällen zu dem Ergebnis, dass die spätere Anrufung eines Schiedsgerichts erhebliche Vorzüge haben könnte, dies gilt insbesondere auch für den Aspekt der Vertraulichkeit. M&A-Verträge enthalten regelmäßig brisante und gerade nicht für die Öffentlichkeit bestimmte Informationen über die Beteiligten, weitere Beteiligungen oder im Rahmen der Transaktion übergehen den Know-how und zu Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Die Geheimhaltung dieser Angaben und Umstände ist für die Parteien regelmäßig von überragender Bedeutung und damit oft ausschlaggebend für die Entscheidung zugunsten eines Schiedsgerichts. Denn wer will schon, dass die Auseinandersetzung mit dem Vertragspartner, ganz gleich wie delikat diese ist, vor einem öffentlichen Publikum ausgetragen wird oder gar am nächsten Tag aufgrund der zufälligen Anwesenheit eines Journalisten in der Tageszeitung zu lesen ist.


Andererseits bestehen auf Seiten der Beteiligten regelmäßig berechtigte Bedenken gegen die Einschaltung eines Schiedsgerichts, welches sich ja auch gerade dadurch auszeichnet, dass es eine für die Parteien bindende und abschließende Entscheidung trifft, die eben nicht durch eine weitere Instanz oder gar im Instanzenzug überprüfbar ist. Auch die Möglichkeit einer späteren effektiven und zeitnahen Vollstreckung der errungenen Entscheidung im In- oder Ausland ist dabei unbedingt zu beachten. Aus diesem Spannungsverhältnis heraus lohnt sich eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten, die Vertraulichkeit im Rahmen der ordentlichen Gerichtsbarkeit nach dem Willen der Parteien zu wahren; in der Art wie sie beispielsweise aus Familienrechtsstreitigkeiten bekannt ist. Ein Blick ins Gesetz lohnt sich.

 

Gestaltungsmöglichkeiten

Die Paragrafen 172 und 173 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) enthalten die Möglichkeit, die Öffentlichkeit, für eine Verhandlung oder für einen Teil davon auszuschließen. Gleiches gilt für die Verkündung der Entscheidungsgründe oder eines Teiles davon. Damit kann die von den Beteiligten eines Unternehmenskaufes gerade gewünschte Vertraulichkeit oft auch vor den ordentlichen Gerichten ausreichend gewahrt werden. Um das zu erreichen, bedarf es im jeweiligen M&A-Vertrag einer entsprechenden Vereinbarung, welche sodann vom Gericht zu beachten ist.

 

Fazit

Sofern für die Beteiligten eines M&A-Prozesses das Thema der Vertraulichkeit der Vertragsinhalte bei der Gerichtswahl von entscheidender Bedeutung ist und sie aus diesem Grund die Öffentlichkeit von einem möglichen späteren gerichtlichen Verfahren gerade ausschließen wollen, lohnt sich eine vertiefte Prüfung, ob sich dieses Ziel nicht auch mittels einer entsprechende vertraglichen Gestaltung gleichfalls im Verfahren vor der ordentlichen Gerichten erreicht werden kann. 

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Sven Schwarz

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