Steuerstandort Deutschland – aktuelle Entwicklungen mit Bedeutung für den M&A Markt

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veröffentlicht am 22. Juni 2022 | Lesedauer ca. 3 Minuten

 

Die Besteuerung ist ein wesentlicher Standortfaktor für Unternehmen. In M&A Transaktionen zeigt sich die Bedeutung bspw. bei der Standortwahl für Holding- und Akquisitionsgesellschaften oder bei der Identifikation von steuerlichem Optimierungsbedarf bzw. -potential des Targets, welche der Käufer in seine Unternehmensbewertung einfließen lässt.


Wie ist Deutschland im internationalen Vergleich aufgestellt? Setzt die neue Bundesregierung die richtigen Impulse, um den Standort Deutschland für M&A Transaktionen attraktiv zu halten?

Globale Mindestbesteuerung

Insbesondere das internationale Steuerrecht befindet sich gegenwärtig im Umbruch.
Einerseits wird das deutsche Steuerrecht immer „internationaler”, da mit OECD und EU zunehmend inter- bzw. supranationale Normgeber Einfluss auf das lokale Steuerrecht nehmen. Andererseits setzen die Einzelstaaten ihre individuellen Bedürfnisse verstärkt in den Fokus, um das nationale Steueraufkommen zu sichern.
 

Nach der BEPS-Initiative der OECD im Jahr 2015 haben letztlich 136 Mitglieder der OECD bzw. G20 im Jahr 2021 einem sog. Zwei-Säulen-Konzept – besonders unterstützt vom heutigen Bundeskanzler Olaf Scholz – zugestimmt. Dieses soll die (aggressiv) betriebenen Gewinnverkürzungen und Gewinnverlagerungen von multinational tätigen Unternehmen und den unfairen Steuerwettbewerb zwischen den Staaten eindämmen. Ziel des Zwei-Säulen-Konzepts ist es sicherzustellen, dass multinationale Unternehmen in allen Staaten, in denen sie tätig sind und Gewinne erzielen, eine angemessene Steuer zahlen.

 

Der Zeitplan für die Umsetzung der globalen Mindestbesteuerung ist ambitioniert. In der EU wird nach aktuellem Diskussionsstand eine verpflichtende Anwendung grundsätzlich ab 2024 gefordert.

 

Von den Regelungen sind alle Unternehmensgruppen und ihre Einheiten mit einem Konzernumsatz von mindestens 750 Mio. Euro unabhängig von der Rechtsform betroffen. Erhoben wird die Mindeststeuer in erster Linie bei der obersten Muttergesellschaft, die die Mindeststeuer für alle ihre niedrigbesteuerten Einheiten zu zahlen hat (sog. „Income Inclusion Rule”). Zusätzlich können alle in der EU belegenen Einheiten steuerpflichtig nach der Undertaxed Payment Rule werden, wenn die Erhebung der Mindeststeuer bei der obersten Muttergesellschaft nicht zum Mindeststeuerniveau von 15 Prozent führt. Dies entspricht der Versagung des Betriebsausgabenabzugs.

 

Für betroffene Unternehmen stellt sich die Herausforderung, dieses komplexe Steuerprojekt innerhalb kürzester Zeit managen zu müssen. Fest steht, dass hohe zusätzliche Compliance-Pflichten auf diese Konzernunternehmen zukommen.  In diesem Fall muss die Steuerplanung und -berichterstattung umfangreich ausgebaut und die Frage der digitalen Unterstützung durch bisherige Berichtssysteme oder ein eigenes Reporting-Tool geklärt werden.
 
Im Rahmen der Tax Due Diligence wird daher künftig geprüft werden müssen, ob diese neuen umfangreichen Compliance-Pflichten erfüllt sind und das Reporting die erweiterten Anforderungen erfüllt. Ebenso gehört die Ermittlung der effektiven Steuerbelastung fortan zum Aufgabenbereich der steuerlichen Transaktionsberatung, wenn das Target bspw. nach dem Kauf im Verbund des Erwerbers die Umsatzschwelle überschreitet. Um z.B. die zusätzliche Steuerbelastung für eine oberste Muttergesellschaft zu bestimmen, wird eine umfassende Veranlagungssimulation erforderlich werden.


Unternehmenssteuerrecht

Infolge der weitreichenden Maßnahmen zur Milderung der Folgen von Covid 19 und der Ukraine Krise steht die Bundesregierung vor immensen finanziellen Herausforderungen. Mit einem Unternehmenssteuerniveau von rd. 30% aus Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer einschließlich Solidaritätszuschlag bewegt sich Deutschland im internationalen Vergleich im Mittelfeld. Dr. Florian Neumeier, Leiter der Forschungsgruppe Steuer- und Finanzpolitik am ifo Institut München, prognostizierte im Rahmen des 6. M&A Dialogs im Bayrischen Hof am 24.5.2022, dass die Mindestbesteuerung in Deutschland kaum zusätzliches Steueraufkommen bescheren wird. Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung schließt Steuererhöhungen aus.

 

Wenn – wie von Dr. Florian Neumeier befürchtet – die vorgesehene Carve-out-Regelung den internationalen Steuerwettbewerb noch anheizen wird, könnte für die Bundesregierung ein Anlass für Steuersenkungen bestehen, um Verlagerungen von „realen” Geschäftstätigkeiten in das niedriger besteuernde Ausland zu verhindern. Dem mit Steuersenkungen verbundenen Investitionsanreiz steht der Anspruch entgegen, die gerechte Vermögensverteilung vermehrt in den Blick zu nehmen. Fraglich ist, wie die Bundesregierung diesen Spagat meistern wird.

 

Ein Blick in die USA: Mit der grundlegenden U.S. Steuerreform unter Präsident Trump 2018 wurde der Unternehmenssteuersatz auf Bundesebene deutlich von 35% auf 21% gesenkt. Dies begünstigte – flankiert von weiteren Maßnahmen – nachweislich den Kapitalzufluss und Investitionen in den USA. Interessanterweise möchte die Administration unter Präsident Biden diese deutliche Steuersatzsenkung nunmehr weitgehend zurücknehmen (aktuell werden 28% auf Bundesebene diskutiert).

 

Fraglich ist, wie das benötigte Steueraufkommen in Deutschland finanziert werden soll. Die Notwendigkeit einer grundlegenden Unternehmensbesteuerung stellt sich auch vor dem Hintergrund weitere Megatrends in der Gesellschaft. So führt bspw. der demographische Wandel die umlagefinanzierte Altersversorgung an ihre Grenzen. Künstliche Intelligenz ergänzt oder ersetzt menschliche Intelligenz oder Arbeitskraft. Der Anteil der Lohnsteuer am Steueraufkommen könnte abnehmen, wenn nicht z.B. infolge des als dringlich erkannten Umweltschutzes neue Geschäftsfelder gefunden und gefördert werden oder die wieder vermehrte Produktion vor Ort infolge der Abkehr von der Globalisierung für Beschäftigung und damit mehr Steueraufkommen sorgen. Auch diesen Trends muss die Unternehmensbesteuerung langfristig gerecht werden. Mit der globalen Mindestbesteuerung ist ein „erster Schritt” getan, um zumindest der Digitalisierung Rechnung zu tragen. Eine grundlegende und „mutige” Unternehmensbesteuerung wäre wünschenswert, ist aber kurz- und mittelfristig auch aufgrund der aktuellen politischen Herausforderungen nicht absehbar.

 

Für Entscheidungsträger im M&A Umfeld bleibt die Aufgabe, die aktuelle Umsetzung der globalen Mindeststeuer und die lokalen Reaktionen darauf in den relevanten Staaten aufmerksam zu verfolgen, um rechtzeitig im Transaktionsprozess ggf. mit Strukturanpassungen reagieren zu können.

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Dr. Susanne Kölbl

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