Die nachvertragliche Haftung von Verkäufern im Rahmen von Unternehmenskaufverträgen bei vertraglich vereinbartem Haftungsausschluss

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veröffentlicht am 16. Februar 2023 | Lesedauer ca. 4 Minuten

 

Mitunter oft kommt es nach dem Abschluss eines Unternehmenskaufvertrages zu Unstimmigkeiten zwischen den Parteien. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Hierzu zählen z.B. die Verwendung von unbestimmten Regelungen und Begriffen im Vertragswerk oder die Frage nach der Haftungsreichweite bei der Vereinbarung von Haftungsbeschränkungen im Unternehmenskaufvertrag.

In der Regel tragen die am Unternehmenskaufvertrag beteiligten Parteien in solchen Fällen ihre Streitigkeiten nicht vor den ordentlichen (d.h. staatlichen) Gerichten, sondern vor privaten Schiedsgerichten aus. Staatliche Gerichte befassen sich mithin eher selten mit derartigen rechtlichen Fragen.

Umso bedeutsamer und begrüßenswerter sind daher Entscheidungen der ordentlichen Gerichtsbarkeit aus dem Bereich des Unternehmenskaufs. Insbesondere für die Praxis der Vertragsgestaltung können diese Entscheidungen richtungsweisend und eine wichtige Hilfestellung bei der Formulierung bestimmter Vertragsklauseln sein.

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit dem Beschluss der 24. Kammer des Landesgerichts Düsseldorf vom 18.08.2022 – Az.: 24 S 1/221.

In der Sache ging es um die Frage, welche Auswirkungen bestimmte vertragliche Haftungsausschlüsse auf die Haftung von Verkäufern in dem Zeitraum nach Unterzeichnung und dem Vollzug eines Unternehmenskaufvertrages haben.
 

Sachverhalt

Dem Rechtsstreit liegt folgender, auf die wesentlichen Aspekte verkürzter, Sachverhalt zugrunde:

Die Antragstellerin machte als Käuferin von Unternehmensanteilen gegen die Verkäufer einen Anspruch auf Ersatz der Wertminderung der erworbenen Beteiligungen geltend und begehrte dessen dingliche Sicherung.

Die Beteiligten schlossen einen Anteilskaufvertrag über den Kauf von 80% der durch die Verkäufer gehaltenen Anteile an einer GmbH (nachfolgend „Zielgesellschaft”) zu einem Kaufpreis in Höhe von über 250 Mio. Euro. Die Zielgesellschaft war die Muttergesellschaft einer Gruppe von weiteren Gesellschaften (nachfolgend insgesamt „Zielgruppe”).

Der Kaufvertrag schloss den käuferseits geltend gemachten Wertminderungsersatzanspruch aus. Im Übrigen beschränkten die Parteien die Haftung betragsmäßig. Die Haftungsbeschränkungen sollten – wie in der Praxis üblich – wiederum bei Arglist, Vorsatz und einer vorsätzlich begangenen Straftat durch einen der Verkäufer oder ihrer Vertreter nicht eingreifen.

Nachdem der Kaufvertrag vollzogen worden war, behauptete die Käuferin, dass die Gesellschaftsvertreter der Verkäufer das EBITDA der Zielgruppe aufgrund von insgesamt 22 Fehlbuchungen vorsätzlich zu hoch dargestellt hätten und der Unternehmenswert bei Außerachtlassung dieser Fehlbuchungen Null betragen hätte. Daher vertrat die Käuferin die Ansicht, dass die vereinbarten Haftungsbeschränkungen für vertragliche Ersatzansprüche, insbesondere für den Aspekt der Wertminderung, nicht gelten.

Wegen der vertraglich vereinbarten Haftungsbeschränkung und dem durch die Antragstellerin nicht erbrachten Nachweis des Vorsatzes bzw. Arglist auf Seiten der Verkäufer wiesen das Amtsgericht Düsseldorf in der ersten Instanz und das Landgericht Düsseldorf in der Berufungsinstanz den Antrag der Käuferin ab.

Das Landgericht Düsseldorf begründet seine Entscheidung im Wesentlichen mit zwei Kernaspekten:


1. Darlegungs- und Beweislast für den Nachweis von Vorsatz oder arglistigem Verhalten

Die Kammer stellt klar, dass die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des Fehlens von Vorsatz grundsätzlich auf Seiten des Schuldners, hier also auf Seiten der Verkäufer, liegt. Bei positiver Feststellung des Vorsatzes würde die vertraglich vereinbarte Haftungsbegrenzung daher nicht eingreifen, da das Gesetz dem Schuldner die Haftung für Vorsatz im Voraus nicht erlässt (vgl. § 276 Abs. 3 BGB).

Die Haftung für Vorsatz beurteile sich vorliegend jedoch, so die Kammer, nicht nach 276 Abs. 3 BGB. Vielmehr gehe es um die Frage, ob die Verkäufer selbst durch ihre Organe vorsätzlich handelten.

Zu beachten war hier indes, dass die vertraglichen Beschränkungen über die vorstehend genannte Norm hinausgehend auch für vorsätzliches Handeln von Organen seitens der Parteien abbedungen wurden. Demnach stellte sich die Frage, ob wegen vorsätzlichen Verhaltens eines Organs der Zielgruppe die vertraglichen Haftungsbeschränkungen ausnahmsweise nicht eingreifen. Im Ergebnis musste dies allerdings verneint werden, da die Verschuldenshaftung für Erfüllungsgehilfen von den Parteien wirksam vertraglich ausgeschlossen wurde.

Da es aufgrund dieses Ausschlusses nach der Auffassung des Gerichts eben nicht um die Verschuldenshaftung für Erfüllungsgehilfen ging, entspreche die Beweislastverteilung im Rahmen der von den Parteien getroffenen vertraglichen Vereinbarung insoweit nicht derjenigen des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB, sondern derjenigen des § 444 BGB. Das Landgericht stützte sich insoweit auf die ständige Rechtsprechung des BGH im Hinblick auf § 444 BGB, nach der der Käufer – hier also die Antragstellerin – darlegungs- und beweispflichtig für das Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen der Arglist und damit auch der Kenntnis des Verkäufers ist.


2. Reichweite eines vertraglich vereinbarten Haftungsausschlusses

Nach Auffassung der Kammer ist eine vertraglich vereinbarte Haftungsbeschränkung dahingehend auszulegen, dass die Haftungsbegrenzungen nur insoweit unanwendbar sind, als Arglist, Vorsatz oder eine vorsätzlich begangene Straftat der Verkäufer konkret reichen.

Eine vertraglich vereinbarte Haftungsbeschränkung greift demnach nur dann, wenn den Verkäufern hinsichtlich einer Vertragspflicht vollumfänglich Vorsatz angelastet werden kann. Demnach ist es dem Verkäufer nicht gänzlich verwehrt, sich auf vertragliche Haftungsbeschränkungen zu berufen, wenn ihm beispielsweise Vorsatz nur bezüglich bestimmter Pflichtverletzungen angelastet werden kann. Zu diesem Ergebnis gelangt die 24. Kammer des Landesgerichts Düsseldorf im Wege einer engen, systematischen und teleologischen Auslegung nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte. Eine Haftungsbeschränkung entfalle also nur, soweit in vollem Umfang Arglist, Vorsatz oder eine vorsätzlich begangene Straftat vorliegt.

Die Verkehrssitte im Transaktionsgeschäft sehe vor, dass die im BGB kodifizierte Haftung, soweit möglich, durch ein eigenes Haftungsregime auf der Grundlage selbständiger Garantien mit Haftungsbeschränkungen ersetzt wird. Dies sei auch vorliegend der Wille der Parteien gewesen. Jedoch scheiterte die Antragstellerin mit dem Nachweis des vollständigen Vorsatzes.


Fazit

Der Beschluss hebt einmal mehr die Wichtigkeit der Inanspruchnahme juristischen Rats im Rahmen von Unternehmenstransaktionen hervor. Insbesondere wird deutlich, welche Auswirkungen die Verwendung von unbestimmten Regelungen im Vertragswerk haben können. Auch die 24. Kammer des Landgerichts Düsseldorf stellt in ihrem Beschluss mit den Worten „Hätten die Vertragsparteien letzteres gewollt, hätten sie dies in die Bestimmung hineingeschrieben […]” klar, welche Bedeutung hinreichend bestimmte und vollständige Regelungen haben können und sich gewisse Unstimmigkeiten dadurch bereits von vornherein verhindern lassen. Möglicherweise hätte eine nur leicht anders formulierte Haftungsbeschränkung zu einer anderen Beweislastverteilung und damit zu einem für die Antragstellerin günstigeren Ergebnis geführt, was in Anbetracht des signifikanten Streitwertes einen erheblichen Unterschied bzw. anderen Ausgang des Verfahrens bedeuten kann.

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