Gestaltungsmöglichkeiten in der Insolvenz im M&A-Kontext

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veröffentlicht am 13. April 2023 | Lesedauer ca. 4 Minuten

 
Mit Blick auf die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung wird mit einem Anstieg weltweiter Insolvenzverfahren gerechnet. Auch im M&A-Umfeld ist mit der Zunahme akut gefährdeter Unternehmen zu rechnen. Das Thema Insolvenz gewinnt an Bedeutung für bestehende Engagements und für laufende Akquisitionen.

Das Insolvenzverfahren gilt als Sanierungsinstrument und bietet zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten. Besonders umfangreiche Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung. Ein großer Vorteil der Eigenverwaltung liegt im Vergleich zum klassischen Insolvenzverfahren in der Bestellung eines Sachwalters. Dieser fungiert als insolvenzrechtliches Aufsichtsorgan. Anders als beim Insolvenzverwalter sind seine Aufgaben grundsätzlich nur überwachender Natur und er ist nicht operativ für das Unternehmen tätig. Daneben bietet die Eigenverwaltung den Vorteil, dass die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis beim Unternehmen verbleibt. Das Unternehmen behält demnach die Außenvertretung und Hoheit über alle finanziellen und strategischen Entscheidungen.

Der Zugang zur Eigenverwaltung erfordert einen entsprechenden Antrag, dem eine Eigenverwaltungsplanung beizufügen ist. Ist die Eigenverwaltungsplanung vollständig und schlüssig, ordnet das Gericht die vorläufige Eigenverwaltung an. Nach erfolgreicher Anordnung der Eigenverwaltung folgt als zweite Phase das eröffnete Verfahren, bevor nach der Aufhebung des Verfahrens die Fortführungsphase eintritt (siehe Abbildung).
 
 

Im eröffneten Verfahren wird dem Gericht der Insolvenzplan vorgelegt. In diesem werden u.a. die Verfahrensabwicklung, die Verteilung und Verwertung der Insolvenzmasse sowie die Befriedigungsquote der Gläubiger festgelegt. Die Rechte der Beteiligten werden hierbei in Gruppen geregelt. Dabei sind die Rechte innerhalb der Gruppen einheitlich zu regeln. Zur Annahme des Insolvenzplanes bedarf es zum einen eine Kopfmehrheit (Mehrheit der Gläubiger) und zum anderen eine Summenmehrheit (Mehrheit nach der Höhe der Forderungen). Der Insolvenzplan kann in die Rechte der zwangsweise dem Plan unterworfenen Beteiligten auch gegen deren Willen eingreifen.

 

Sanierungsinstrumente der Eigenverwaltung

Das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung bietet vielfältige Sanierungsinstrumente, bspw. dadurch, dass Insolvenzforderungen, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet wurden, zunächst grundsätzlich nicht erfüllt werden. Im eröffneten Verfahren sind die ungesicherten Insolvenzforderungen nur noch quotal zu befriedigen. Dies führt im Falle der Sanierung zu einem steuerbegünstigten Schuldenschnitt.


Ein weiteres Instrument ergibt sich für ausgewählte Vertragstypen, wie bspw. Mietverträge, durch ein Kündigungsverbot für Zahlungsausfälle in der Zeit vor der Insolvenzantragsstellung. Im eröffneten Verfahren können des Weiteren Mietverträge mit einer Frist von maximal drei Monaten gekündigt werden. Sonstige Dauerschuldverhältnisse können sofort durch einseitige Erklärung beendet werden oder enden von Gesetzes wegen.


Außerdem sind Löhne und Gehälter im Eröffnungsverfahren für maximal drei Monate nicht zu zahlen. Das Insolvenzgeld, welches mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an die Arbeitnehmer ausgezahlt wird, kann vorfinanziert werden.


Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ermöglicht zudem einen effektiven Arbeitnehmerabbau, da Arbeitsverträge ebenfalls ordentlich mit einer Frist von längstens drei Monaten gekündigt werden können und etwaige Ansprüche von Arbeitnehmern auf Abfindungen grundsätzlich auf maximal 2,5 Monatsgehälter gedeckelt werden.

 

Auswirkungen auf die Financial Statements

Die beschriebenen Sanierungsinstrumente bieten auch Gestaltungsmöglichkeiten in Bezug auf die Bilanz, die GuV und den Cashflow. In Bezug auf die Bilanz kann das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung zu einer Verbesserung der Bilanzrelationen führen, da Altlasten wie bspw. Pensionen und Rückstellungen abgeschnitten werden können und durch die Aufholung von Wertberichtigungen eine Bereinigung der Bilanz entsteht. Daneben führt der Sanierungsgewinn durch den Gläubigerverzicht zu einer Stärkung des Eigenkapitals.


Aus den Sonderkündigungsrechten bei Arbeitsverträgen, Mietverträgen und sonstigen Dauerschuldverhältnisse ergeben sich weitere Gestaltungsmöglichkeiten, die zu einer Verbesserung des Betriebsergebnisses führen können.


Zuletzt schafft das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung über eine verbesserte Liquidität weiteren Raum zur Gestaltung. Die Liquiditätslage kann dadurch verbessert werden, dass zunächst keine Zahlungen auf Insolvenzforderungen zu leisten sind, die Zinsen auf Insolvenzforderungen nachrangig sind, Insolvenzgeld gezahlt wird und Lastschriften aus der Zeit vor dem Insolvenzantrag widerrufen werden können.

 

Beteiligung eines Investors im Insolvenzverfahren

Die Beteiligung eines Investors im Rahmen eines Insolvenzverfahrens kann in Form eines Asset- oder Share Deals erfolgen.


Bei einem Asset Deal wird ein Teil- oder das Gesamtvermögen des Schuldners auf einen neuen Rechtsträger übertragen und der Geschäftsbetrieb dort fortgeführt. Vor der Übernahme ist für die übernommenen Gegenstände ein Kaufpreis an den Insolvenzverwalter zu zahlen. Im Rahmen eines Asset Deals übernimmt der Erwerber nach Zustimmung des Vertragspartners nur bestimmte Verträge und damit auch nur ausgewählte Gewährleistungspflichten. Es gilt jedoch zu beachten, dass gemäß § 613a BGB alle Arbeitsverhältnisse auf den Erwerber übergehen. Eventuelle Kündigungen können nach dem Erwerberkonzept durchgeführt werden, bei dem der Veräußerer vor Vollzug des Asset Deals auf Veranlassung des Erwerbers Kündigungen ausspricht.


Alternativ kann im Insolvenzplan auch die Übertragung von Anteilsrechten in Form eines Share Deals festgelegt werden. Ein Kaufpreis ist im Rahmen des Share Deals nicht zwingend zu zahlen. Es ist jedoch die im Insolvenzplan bestimmte Quote nach der Übernahme zu finanzieren. Zur Übertragung von Anteilsrechten ist die Gläubigergruppe der Anteilsinhaber zu bilden. Eine gegebenenfalls fehlende Zustimmung dieser Gläubigergruppe kann ebenfalls ersetzt werden. Die notwendigen Erklärungen der Altgesellschafter gelten im Rahmen des Share Deals als erteilt. Ein Abfindungsanspruch der Altgesellschafter ist zudem faktisch nicht gegeben. Daneben können Dritte aus der Übertragung der Anteile keine Rechte herleiten. Wird der Share Deal im Insolvenzplan festgelegt, werden die Arbeitsverhältnisse mit dem bestehenden Rechtsträger fortgeführt. Zuvor sind aber auch Kündigungen möglich. Der Erwerber übernimmt alle bestehenden Verträge und damit auch die Gewährleistungspflichten. Die Ansprüche aus der Zeit vor Eröffnung des Verfahrens sind allerdings durch den Insolvenzplan geregelt.


In der Regel bedarf es für die Umsetzung eines Share Deals einer umfangreichen Beratung. Eine Due Diligence ist aber aufgrund der insolvenzrechtlichen Effekte und der Gestaltungsmöglichkeiten im Insolvenzplan nur noch in eingeschränkter Form erforderlich. Die detaillierten Gestaltungsmöglichkeiten und die Gewährleitung zur vollen Vertragsübernahme wären als Vorteile eines Share Deals zu benennen. Zudem bedarf die Beteiligung im Insolvenzplan aus Sicht des Investors ein geringeres Investitionsvolumen und kann zu einer geringeren Liquiditätsbelastung führen. Der Asset Deal ist hingegen bekannter und daher schneller umsetzbar. Je nach Einzelfall sollten die Vor- und Nachteile der möglichen Beteiligungsformen genau analysiert und abgewogen werden. 

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