Editorial (Ausgabe 10/2012)

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Unternehmen, die internationale Geschäfte tätigen, stehen bei den Finanzbehörden seit jeher unter besonderer Beobachtung. Dabei werden den Unternehmen immer mehr Nachweispflichten übertragen. Aber anstatt den Gesetzgeber in die Schranken zu verweisen, bestärkt der Gerichtshof der Europäischen Union in einem aktuellen Urteil auch noch die immer absurder werdende Praxis.

Im entschiedenen Fall ging es um ein ungarisches Unternehmen, das Raps an eine italienische Gesellschaft verkauft hatte. Aufgrund entsprechender Nachweise ging der Verkäufer von einem von der Mehrwertsteuer befreiten innergemeinschaftlichen Umsatz aus. Für den italienischen Fiskus war die Käuferin jedoch nicht auffindbar, ihre Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer wurde rückwirkend gelöscht. Da damit kein steuerbefreiter innergemeinschaftlicher Handel mehr nachgewiesen werden konnte, verlangte nun das Finanzamt in Ungarn vom Verkäufer die Zahlung der Mehrwertsteuer und verhängte eine empfindliche Geldbuße zuzüglich Verspätungszuschlag.

Zwar muss laut EuGH der nationale Gesetzgeber festlegen, welche Nachweise für die Mehrwertsteuerbefreiung zu erbringen sind. Aber sie bestätigen auch die harte Linie früherer Entscheidungen, in denen dem Unternehmer die Befreiung versagt wird, „wenn er wusste oder hätte wissen müssen, dass dieses Geschäft mit einer Steuerhinterziehung des Käufers verknüpft war, und er nicht alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um diese zu verhindern.“ Anders gesagt: Der Unternehmer wird zur Verhinderung von Steuerstraftaten herangezogen, allenfalls bleiben ihm Steuervergünstigungen versagt.

Jüngster Auswuchs dieses Rollenwechsels ist hierzulande die „Gelangensbestätigung“, mit der vom Händler für jede Warensendung eine Bestätigung in der jeweiligen Landessprache verlangt wird, dass die Ware auch angekommen ist. Zwar dauert das Tauziehen um die konkrete Ausgestaltung der neuen Nachweispflicht noch an. Klar ist aber: Unternehmen werden immer mehr in die Rolle eines Steuerfahnders gedrängt. So wird der internationale Handel – eine der Säulen unseres wirtschaftlichen Erfolgs - steuerlich zum Vabanquespiel.

Ihr Prof. Dr. Christian Rödl
Geschäftsführender Partner

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Prof. Dr. Christian Rödl, LL.M. (Columbia University, New York)

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