EuGH entscheidet zur Diskriminierung bei quantitativen selektiven Vertriebssystemen

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Ein selektives Vertriebssystem muss nicht in jedem Fall auf Auswahlkriterien beruhen, die objektiv gerechtfertigt sind und einheitlich und unterschiedslos angewendet werden.
Mit Urteil vom 14. Juni 2012 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) zu der Frage Stellung genommen, unter welchen Voraussetzungen ein quantitatives selektives Vertriebssystem vom Kartellverbot freigestellt sein kann (Rs. C-158/11 - „Auto 24 SARL / Jaguar Land Rover France“).
 
Das vorliegende Urteil betraf das quantitative selektive Vertriebssystem des Unternehmens Jaguar Land Rover France (JLR), das es ablehnte, das Unternehmen Auto 24 aus Périgueux (Frankreich) als Vertragshändlerin für Neuwagen der Marke Land Rover zuzulassen. Der Grund hierfür lag allein darin, dass JLR die Stadt Périgueux nicht als möglichen Händler-Standort vorgesehen hatte. Auto 24 sah darin eine unzulässige Diskriminierung und Wettbewerbsbeschränkung und begehrte Schadensersatz.
 
Der EuGH hat eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung verneint. Zwar ging er aufgrund der Beschränkung der Händlerzahl davon aus, dass das Vertriebssystem wettbewerbsbeschränkenden Charakter hat (sogenanntes quantitativ selektives Vertriebssystem). Als solches kann es jedoch wiederum von dem Verbot der Wettbewerbsbeschränkung freigestellt sein, im konkreten Fall insbesondere nach der EU-Gruppenfreistellungsverordnung (EG) Nr. 1400/2002 für den Kfz-Sektor. Eine Voraussetzung für eine Freistellung sieht der Gerichtshof darin, dass die für das Vertriebssystem geltenden quantitativen Auswahlkriterien überprüfbar sein müssen, ohne dass es insoweit jedoch einer Offenlegung bedarf.
 
Nicht gefordert ist hingegen, dass die Auswahlkriterien objektiv gerechtfertigt sind und darüber hinaus einheitlich und unterschiedslos auf alle Bewerber um die Aufnahme in das Vertriebssystem angewendet werden. Somit ist es ohne Weiteres möglich, bestimmte Regionen und die dort ansässigen Händler von vornherein aus einem quantitativ selektiven Vertriebssystem auszuschließen, ohne dass es hierfür einer Rechtfertigung bedarf.
 
Nicht zugelassene Händler können sich dann nicht darauf berufen, dass eine unzulässige Diskriminierung vorliegt, um sich auf diese Weise in das Vertriebssystem hineinzuklagen oder wegen der Nichtberücksichtigung Schadensersatz zu fordern. Anders liegt der Fall, wenn es sich um ein Vertriebssystem handelt, bei dem die Zahl der Händler nicht von vornherein beschränkt ist, sondern lediglich qualitative Auswahlkriterien zur Anwendung kommen (z. B. die Qualifikation des Händlers, die Ausstattung des Ladenlokals). In diesem Fall müssen die jeweiligen Kriterien diskriminierungsfrei angewendet werden.
 

Fazit:

Die Entscheidung des EuGH beinhaltet eine begrüßenswerte Klarstellung und führt zu mehr Rechtssicherheit bei der Konzeption und Handhabung von selektiven Vertriebssystemen. Die Kernaussage dürfte dabei auch auf selektive Vertriebssysteme außerhalb des Kfz-Sektors übertragbar sein. Die Entscheidung darf jedoch keinesfalls zu dem Trugschluss verführen, dass im Rahmen von selektiven Vertriebssystemen nunmehr „alles erlaubt“ ist. Um kartellrechtliche Sanktionen oder das Scheitern eines selektiven Vertriebskonzepts zu vermeiden, muss bei der vertraglichen Ausgestaltung aller Arten von selektiven Vertriebssystemen nach wie vor den komplexen EU-rechtlichen Anforderungen an die wettbewerbsrechtliche Freistellung sorgfältig Rechnung getragen werden.

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Dr. Ralph Egerer

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