Die Balance zwischen dem Schutz geistigen Eigentums und der Erhaltung eines funktionierenden Marktes: Neue Regelungen zur Verhinderung einer Beschränkung des freien Wettbewerbs durch den Missbrauch von IP-Rechten

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Zu Beginn diesen Jahres hat die chinesische National Development and  Reform Commission gegen das amerikanische Unternehmen Qualcomm eine Strafe verhängt wegen des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung durch die Haltung eines standardessenziellen Patents und Verlangung überhöhter Lizenzgebühren. Das verhängte Bußgeld belief sich auf 6.88 Milliarden RMB. Zudem wurde Qualcomm verpflichtet, zukünftig die Ausnutzung seiner marktbeherrschenden Stellung zu unterlassen und  Ausgleichsmaßnahmen zu treffen. Dieser Fall ist ein anschauliches Beispiel für das Spannungsfeld zwischen dem Schutz geistigen Eigentums und der Erhaltung eines funktionierenden Marktes, sowie auch für die dringende Notwendigkeit einer gesetzlichen Anpassung. So verabschiedete die State Administration for Industry and Commerce („SAIC”) am 7. April 2015 die sog. Provisions on Prohibiting the Abuse of Intellectual Property Rights to Exclude and Restrain Competition (nachfolgend die „Verwaltungsvorschrift”) mit dem Ziel das Anti-Monopoly Gesetz zu ergänzen und eine klare Linie zu ziehen zwischen der Notwendigkeit des Schutzes von geistigem Eigentum auf der einen Seite und dem Missbrauch dieser Rechte zum Erhalt einer rechtswidrigen marktbeherrschenden Stellung andererseits. Die Verwaltungsvorschrift trat am 1. August 2015 in Kraft.
 

Überblick über den Inhalt der neuen Verwaltungsvorschrift

Die Verwaltungsbestimmung besteht aus 19 Artikeln, die sich zusammenfassend in folgende Bereiche untergliedern lassen:
  • Zunächst werden Zweck und Grundlagen der Regelung definiert hinsichtlich des Missbrauchs von IP-Rechten (ausgenommen Preis bezogener Missbrauchstatbestände) durch Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung zur Verhinderung oder Beschränkung des Wettbewerbs.
  • Zweitens wird es Unternehmen verboten, bezüglich der Nutzung von IP-Rechten monopolistische Übereinkünfte untereinander zu treffen. Gleichzeitig wird zudem eine sog. „Safe Harbor” Regelung eingeführt.
  • Marktbeherrschenden Unternehmen wird die Ausnutzung ihrer marktbeherrschenden Stellung bei der Ausübung von Rechten an geistigem Eigentum verboten. In diesem Zusammenhang wurden entsprechende Beweis- und Verdachtstatbestände eingeführt, welche konkrete Missbrauchshandlungen unter Verbot stellen. Für die Definition der „marktbeherrschenden Stellung” wird insbesondere auf das Anti-Monopoly-Law verwiesen. Als ein Beurteilungsfaktor kann dabei z.B. auch die Inhaberschaft von IP-Rechten eine Rolle spielen.
  • Die Verwaltungsbestimmung behandelt ferner zwei besondere bedeutende Konstellationen - „Patent pooling” sowie das „standardessenzielle Patent”:

Nach der neuen Verwaltungsbestimmung darf ein Unternehmer im Rahmen der Ausübung seiner IP-Rechte seinen Patentpool nicht dazu nutzen, Wettbewerb auszuschließen oder zu beschränken. Patent pooling bedeutet dabei,  dass mehrere  Patente von  verschiedenen  Patentinhabern  aufgrund einer Vereinbarung zusammengelegt werden und so Dritte nach der Zahlung einer Lizenzgebühr die Patente dieses Pools nutzen können. Häufig wird zur Begründung eines solchen Patentpools eigens eine Gesellschaft wie beispielsweise ein Equity Joint Venture gegründet, die Verwaltung des Patentpools kann aber auch einem der Patentinhaber oder einem Dritten übertragen werden. Das Risiko, dass ein solcher Patentpool dazu missbraucht wird, Wettbewerb auszuschließen oder zu beschränken ist insbesondere in letzteren Fällen als hoch anzusehen.

Ferner untersagt die neue Verwaltungsbestimmung Unternehmern die Einführung und Umsetzung von Standards im Rahmen der Ausübung von IP-Rechten dazu zu nutzen, Wettbewerb zu beschränken oder auszuschließen. Diese Regelung betrifft sog. „standardessenzielle Patente”, also Patente, deren Nutzung für Wettbewerber unerlässlich ist, die beabsichtigen, dem Standard entsprechende Produkte herzustellen.

  • Weiter enthalten die neuen Verwaltungsbestimmungen Grundsätze und Rahmenbedingungen für die Sicherstellung einer effektiven Rechtsdurchsetzung der Anti-Monopol Regelungen auf dem Gebiet des IP-Rechts durch die SAIC. So werden insbesondere Strafen eingeführt für den Missbrauch von IP-Rechten. Derartige Geldbußen können sich dabei auf bis zu zehn Prozent des Umsatzes des vorangegangenen Jahres belaufen.
 
Im Folgenden möchten wir kurz auf die wichtigsten Grundsätze der neuen Verwaltungsbestimmung näher eingehen:
 

Der „Safe Harbor” Grundsatz

Der „Safe Harbor” Grundsatz besagt, dass Übereinkommen zwischen Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen grundsätzlich nicht als verbotene, monopolistische Vereinbarung nach dieser Verwaltungsvorschrift eingestuft werden. Hierdurch wird ein Bereich festgelegt, in welchem rechtmäßig Absprachen erfolgen dürfen. Dieser Grundsatz kann jedoch durch den Beweis widerlegt werden, dass die Vereinbarung dem Ziel dient, Wettbewerb zu verhindern oder zu beschränken.
  • Eine zulässige Vereinbarung kann zunächst dann getroffen werden, solange die konkurrierenden Unternehmen gemeinsam nicht mehr als 20% der Anteile des von der Ausübung der IP-Rechte betroffenen relevanten Marktes halten - bzw.  auch dann, wenn mindestens vier alternative Technologien voneinander unabhängiger Unternehmen auf dem entsprechenden Markt zu einem angemessenen Preis zur Verfügung stehen.
  • Eine entsprechende Übereinkunft ist auch dann grundsätzlich möglich, solange die Unternehmen jeweils nicht mehr als 30% der Marktanteile halten - oder wenn mindestens zwei alternative Technologien voneinander unabhängiger Unternehmen auf dem Markt zu einem angemessenen Preis zur Verfügung stehen.

In Bezug auf die oben genannten Safe Harbor Regelung gilt es indes zu beachten, dass die konkrete Formulierung der Verwaltungsbestimmung der Behörde einen Beurteilungsspielraum einräumt, hinsichtlich der Beurteilung einer Vereinbarung als verbotene Absprache - selbst, wenn die Voraussetzungen der Safe Harbor Regelung an sich vorliegen. Damit ist der „sichere Hafen” nicht so sicher, wie es zunächst erscheint.
 

Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung

Art. 7 bis 11 der Verwaltungsbestimmung legen fest, dass Unternehmen mit einer marktbeherrschenden Stellung eine Lizenzierung unter angemessenen Bedingungen anderen Unternehmen nicht grundlos verweigern dürfen, um Wettbewerb zu verhindern oder einzuschränken, wenn es sich um (für Produktion oder andere Geschäftsaktivitäten) essenzielles geistiges Eigentum handelt. Die Verwaltungsbestimmung konkretisiert außerdem, nicht abschließend, fünf unangemessene Bedingungen für eine Lizenzierung:
 
Zunächst wird eine Verpflichtung der Gegenpartei genannt, die von ihr verbesserten Technologien exklusiv an den Inhaber des IP-Rechts zurück zu gewähren. Auch das Verbot der Vertragspartei, die Gültigkeit der IP-Rechte in Frage zu stellen, stellt eine unangemessene Bedingung für eine Lizenzierung dar. Darüber hinaus ist es nicht erlaubt, die Verwertung von Konkurrenzprodukten oder –technologien nach dem Erlöschen der Lizenzvereinbarung zu verbieten, auch wenn hierdurch keine IP-Rechte verletzt werden. Dies gilt auch für die Weiterverwertung von IP-Rechten, deren Schutzzeit abgelaufen ist oder die für unwirksam erklärt wurden. Außerdem wird es untersagt, der Gegenpartei Geschäfte mit Dritten zu verbieten.
 
Aufgrund der Verwaltungsvorschrift ist es Unternehmen mit einer beherrschenden Marktposition außerdem auch verboten, Vertragsparteien mit denselben Voraussetzungen unterschiedlich zu behandeln, wenn es um die Nutzung ihrer IP-Rechte geht. Darüber hinaus darf ein solches Unternehmen den Vertrieb nicht binden, um Wettbewerb einzuschränken oder zu verhindern, also beispielsweise nicht verschiedene zum Verkauf stehende Produkte entgegen der Geschäftspraxis zwingend miteinander verbinden oder kombinieren. Dies insbesondere nicht, um seine marktbeherrschende Stellung auszuweiten. Art. 8 der Verwaltungsvorschrift verbietet ausdrücklich, der Vertragspartei Geschäfte mit Dritten zu untersagen oder die Möglichkeit hierzu einzuschränken.
 

Weitere Beurteilungsfaktoren

Weiterhin werden folgende Faktoren genannt, die bei der Beurteilung, ob einer der genannten Missbrauchstatbestände erfüllt wurde, herangezogen werden:
 
So zum einen der Umstand, dass keine vernünftige Alternative betreffend des IP-Rechts auf dem Markt zur Verfügung steht und das IP-Recht von anderen Unternehmen benötigt wird, um auf dem relevanten Markt konkurrieren zu können. Zum anderen kann es auch für einen Missbrauch sprechen, wenn die Versagung einer Lizenzierung den Wettbewerb oder Innovationen auf dem relevanten Markt negativ beeinflusst und Verbraucherinteressen bzw. das öffentliche Interesse beeinträchtigt werden. Schließlich deutet es auch auf Missbrauch hin, wenn eine Lizenzierung dem Unternehmer nicht unangemessen schaden würde.
 

Fazit

Die neue Verwaltungsvorschrift zum Missbrauch marktbeherrschender Stellung im Bereich des geistigen Eigentums ist die erste speziell zu dieser Thematik in der VR China, dennoch werden durch sie nicht alle Problemfelder abgedeckt, die aus monopolistischen Verhaltensweisen erwachsen können.

Es sei darauf hingewiesen, dass neben dem Anti-Monopoly Gesetz und der neuen Verwaltungsbestimmung noch einige weitere Gesetze, Verwaltungsbestimmungen, verbindliche Rechtsprechung sowie weitere rechtssetzende Vorschriften existieren, die Auswirkung auf die Erhaltung eines freien Marktes in Hinblick auf IP-Rechte haben – so beispielsweise Kapitel 18 des „Contract Law” (Vertragsrecht), das „Foreign Trade Law”, die „Administrative Regulations on Technology Import and Export”, sowie auch die „Implementing Regulations on Sino-foreign Equity Joint Ventures” und die Interpretationen des Obersten Gerichtshofs der VR China „Interpretation of the Supreme People’s Court on Several Issues concerning the Application of Law in the Trial of Technology Contract Dispute Cases”.

Zudem zielt die Verwaltungsvorschrift zwar wohl auf die mehr technische Seite der IP-Rechte ab, als beispielsweise auf Marken, Urheberrecht oder die sogenannte geschützte Herkunftsbezeichnung. Letztendlich beinhaltet die Verwaltungsvorschrift auf der anderen Seite aber auch keine abschließende Liste an verbotenen monopolistischen Verhaltensweisen, sondern ist vielmehr häufig sehr weit gefasst und geprägt von unbestimmten Rechtsbegriffen. Somit bedarf sie an vielen Stellen einer rechtlichen Auslegung.

Auch die Verwaltungsbehörde SAIC hat einen hohen Beurteilungsspielraum, sodass weitere Rechtsunsicherheit geschaffen wurde, die erst durch Erfahrungen bezüglich der Handhabung in der Praxis und durch Konkretisierung in der Rechtsprechung beseitigt werden kann.

Alles in allem kann man sagen, dass die neue Verwaltungsvorschrift zwar von enormer Bedeutung ist, jedoch nicht als alleiniger Lösungsweg angesehen werden kann. Vielmehr kann eine rechtliche Beurteilung von Verhaltensweisen und Übereinkommen nur im Zusammenspiel mit den anderen rechtlichen Bestimmungen erfolgen und unterliegt auch dann noch der rechtlichen Auslegung insbesondere durch die SAIC.

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