Kartellabsprachen bei Ausschreibungen für Straßenreparaturen: Anspruch auf Kartellschadensersatz

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 23. Juli 2025

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​Das Bundeskartellamt hat geg​en mehrere Unternehmen im Bereich Straßenreparaturen Bußgelder in Höhe von ca. EUR 10,5 Mio. wegen Kunden- und Submissionsabsprachen verhängt (Az. B10-23/18). Die beteiligten Unternehmen hatten Ausschreibungen und Aufträge von öffentlichen Auftraggebern in fünf ostdeutschen Bundesländern kartellrechtswidrig abgesprochen. Potenziell betroffene öffentliche Auftraggeber sollten prüfen, ob sie durch die Kartellabsprachen geschädigt wurden und ggf. die Geltendmachung von Ansprüchen auf Schadensersatz erwägen. 

Wir fassen nachfolgend die wesentlichen Aspekte des Kartellverfahrens zusammen und geben Hinweise zu möglichen Kartellschadensersatzansprüchen.



Eckdaten der Kartellabsprache​

Am 10. Juli 2025 veröffentlichte das Bundeskartellamt einen Fallbericht, aus dem die wesentlichen Eckdaten der Absprachen hervorgehen:


ART DER ABSPRACHEN

Es handelte sich um schwerwiegende Kartellrechtsverstöße (sog. „Hardcore-Kartell“) in Form von Kunden- und Gebietsaufteilungen, Absprachen bzw. Zuweisungen von Ausschreibungen und der Bildung unzulässiger Arbeits-/Bietergemeinschaften. Dabei hielten die Kartellanten regelmäßig Kontakt zueinander, trafen sich und tauschten sich zu einzelnen Ausschreibungen aus. Bei größeren Ausschreibungen wurden einzelnen Beteiligten Lose zugewiesen. Falls erforderlich, wurden zum Schein „Schutzangebote“ abgegeben. Teilweise waren die Absprachen auch strafrechtlich relevant (§ 298 StGB) und Gegenstand staatsanwaltlicher Ermittlungen.


BETROFFENE DIENSTLEISTUNGEN

Vom Kartell betroffen waren Ausschreibungen und Aufträge von öffentlichen Auftraggebern, die einfache Bauweisen der Straßenreparatur (Oberflächenbehandlung, Flicken („Patchen“) der Straßenoberfläche, Rissesanierung) oder die Belieferung mit Bitumenemulsion und/oder Splitt zum Gegenstand hatten.


ZEITRAUM

Die vom Bundeskartellamt festgestellten Absprachen begannen im Jahr 2016 und endeten am 27.08.2019.


GEOGRAfISCHE REICHWEITE

Betroffen waren Ausschreibungen und Aufträge in Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern.


BETEILIGTE KARTELLANTEN

Am Kartell waren die folgenden Unternehmen beteiligt:

  • AS Asphaltstraßensanierung GmbH, Langwedel
  • bausion Strassenbau-Produkte GmbH, Landsberg
  • BITUNOVA GmbH, Krefeld
  • Gerhard Herbers GmbH, Spelle
  • Liesen … alles für den Bau GmbH, Lingen
  • Mainka GmbH Straßenunterhaltung, Rüdersdorf bei Berlin
  • MOT Müritzer Oberflächentechnik GmbH, Röbel/Müritz

 

Anspruch auf Kartellschadensersatz

​Öffentliche Auftraggeber, deren Ausschreibungen von den Absprachen betroffen waren, können grundsätzlich Schadensersatz nach § 33a GWB verlangen. Die Geltendmachung solcher Ansprüche ist durch mehrere prozessuale Privilegierungen erheblich erleichtert, insbesondere:

  • Bindungswirkung des Bußgeldbescheids (§ 33b GWB): Das Vorliegen eines Kartellverstoßes muss nicht mehr bewiesen werden.
  • Vermutung eines Schadenseintritts (§ 33a Abs. 2 Satz 1 GWB): Bei Hardcore-Kartellen wird gesetzlich vermutet, dass ein Schaden entstanden ist.
  • Anspruch auf Akteneinsicht und Beweismittelherausgabe (§§ 33g GWB, 89b GWB): Geschädigte können gezielt Einsicht in Unterlagen verlangen, die zur Bezifferung des Schadens erforderlich sind.

Erfahrungsgemäß liegen Preisaufschläge infolge kartellbedingter Absprachen in einem Bereich von 10 Prozent bis 20 Prozent – in Einzelfällen auch deutlich darüber. Hinzu kann ein erheblicher Zinsschaden kommen, den die Geschädigten ebenfalls geltend machen können.

Rechtsdurchsetzung​

Die Durchsetzung von Kartellschadensersatzansprüchen kann aufwendig sein. Neben der Feststellung und Bezifferung des Schadens ist ggf. eine gerichtliche Geltendmachung erforderlich. Zur effektiven Wahrnehmung ihrer Rechte sollten potenziell geschädigte Auftraggeber daher systematisch vorgehen:

  1. Ersteinschätzung durch spezialisiertes Team: Prüfung, ob die konkreten Ausschreibungen in den zeitlichen, sachlichen und geografischen Rahmen des Kartells fallen und eine Durchsetzung wirtschaftlich sinnvoll sein kann.
  2. Sicherung von Beweismitteln und Schadensanalyse: Sichtung und Sicherung relevanter Vergabeunterlagen, Angebote und Preisentwicklungen, ggf. unter Einbindung von ökonomischen Sachverständigen und Durchführung einer Schadensanalyse.
  3. Anspruchsschreiben und Verhandlung mit den Kartellanten: In manchen Fällen ist bereits eine außergerichtliche Einigung möglich.
  4. Geltendmachung vor Gericht, falls erforderlich.

Kostenrisiko und Prozessfinanzierung​​

Für öffentlich-rechtliche Körperschaften oder kommunale Unternehmen kann das mit der Anspruchsdurchsetzung verbundene Kostenrisiko ein praktisches Hindernis darstellen. Dem kann bei Bedarf durch verschiedene Maßnahmen begegnet werden, z. B. durch Anspruchsbündelungen mehrerer Geschädigter, Abtretungsmodelle oder auch spezialisierte Prozessfinanzierer, die – gegen eine Erfolgsbeteiligung – Verfahrenskosten übernehmen. Voraussetzung ist in der Regel eine nachvollziehbare Betroffenheit sowie ein hinreichend bezifferbarer wirtschaftlicher Schaden. Wir arbeiten mit renommierten Anbietern zusammen und unterstützen bei der Auswahl und Koordination.

Fazit​

Die vom Bundeskartellamt festgestellten Absprachen sind gravierend und betreffen eine Vielzahl öffentlicher Auftraggeber. Öffentliche Auftraggeber in den betroffenen Bundesländern sollten ihre Vergaben aus dem Zeitraum 2016 bis 2019 auf eine mögliche Betroffenheit hin prüfen lassen und ggf. ihre Rechte geltend machen. 
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Gerade bei öffentlichen Ausschreibungen kommt es immer wieder zu Kartellabsprachen. Öffentliche Auftraggeber und Unternehmen sollten sich deshalb unabhängig vom hier dargestellten Kartell generell Gedanken dazu machen, wie sie mögliche Absprachen ihrer Geschäftspartner erkennen und die daraus resultierenden Risiken und Schäden vermeiden.

Für weitere Informationen oder eine persönliche Beratung stehen Ihnen unsere erfahrenen Kartell- und Prozessexperten zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns gerne! ​

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Guido Morber, LL.M.

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht

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