Aktueller Konjunkturüberblick mit Fokus auf die Automobilindustrie

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veröffentlicht am 4. Juli 2023

 

 

Die wirtschaftlichen Gegebenheiten sind für Unternehmen derzeit so herausfordernd wie lange nicht mehr. Parallel zu den abnehmenden Belastungen der Coronapandemie hat sich die wirtschaftliche Lage durch die Folgen des Ukrainekriegs verschlechtert. Viele Risikofaktoren, wie steigende Zinsen, Lieferengpässe, Nachfragerückgänge, Inflation und hohe Energiekosten prägen aktuell das wirtschaftliche Geschehen.

 

Bisher hat sich die deutsche Wirtschaft jedoch als widerstandsfähig erwiesen. Im Jahr 2022 lag das BIP nach Angaben des Statistischen Bundesamtes bei 1,8 Prozent. Für das Jahr 2023 rechnet die Bundesregierung dem Jahreswirtschaftsbericht zu Folge mit einer Veränderung des BIP von 0,2 Prozent.
Die Auswirkungen auf die unterschiedlichen Wirtschaftszweige stellen sich in sehr unterschiedlichem Umfang dar. Da die Automobilindustrie gemessen am Umsatz der mit Abstand bedeutendste Industriezweig in Deutschland ist, wird dieser im Folgenden genauer analysiert.

 

Automobilindustrie unter Druck

Aufgrund der konjunkturellen Abschwächung der weltweiten Nachfrage, der Auswirkungen der Corona-Pandemie und des Ukrainekriegs ist die Automobilindustrie stark unter Druck geraten. Der weltweite Pkw-Absatz war von 2020 bis 2022 stark beeinträchtigt.

 

Nach Angaben des europäischen Automobilherstellerverbandes (ACEA) lag die Anzahl der weltweiten Neuzulassungen im Jahr 2019 noch bei 74,9 Millionen bevor diese im Jahr 2020 auf 63,5 Millionen fiel. In den Jahren 2021 und 2022 ist die Anzahl der weltweiten Neuzulassungen mit jeweils rund 66,2 Millionen wieder leicht gestiegen. Die Fahrzeugnachfrage lag aber weiterhin deutlich unterhalb des Niveaus aus dem Jahr 2019.

Der Schwerpunkt der deutschen Automobilindustrie liegt in der Herstellung von Personenkraftwagen (Pkw). Laut der ACEA wurden in Deutschland im Jahr 2022 3,3 Millionen Pkw gebaut und damit knappe 13 Prozent mehr als im Jahr 2021. 2019 lag die Anzahl der produzierten Fahrzeuge allerdings noch bei 4,5 Millionen Fahrzeugen. Der größte limitierende Faktor für die Pkw-Produktion stellt derzeit der Halbleitermangel dar.

Nach Angaben des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) führt der andauernde Halbleitermangel bis 2026 global zu einem Produktionsrückgang von 20 Prozent, falls keine geeigneten Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Im Zuge der Coronapandemie hatten die Automobilhersteller ihre Halbleiternachfrage reduziert. Gleichzeitig wurden jedoch von Unternehmen aus dem Bereich der Unterhaltungselektronik deutlich mehr Halbleiter nachgefragt. Als die Autoverkäufe wieder zunahmen, stand dadurch keine ausreichende Zahl an Halbleitern zur Verfügung.

 

Insgesamt betrachtet, ist die deutsche Automobilindustrie bisher ohne eine größere Insolvenzwelle durch die Krise gekommen. Wie die Gesamtwirtschaft ist jedoch auch die Entwicklung der Automobilindustrie mit hoher Unsicherheit behaftet. Obschon sich die Lieferkettenprobleme etwas entspannt haben, kann es weiterhin zu angebotsseitigen Engpässen kommen. Zudem steigt angesichts der hohen Energiepreise und der Inflation die Sorge vor einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage.


Laut einer Studie der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) werden von den Automobilherstellern und -zulieferern die hohen Energie- und Rohstoffpreise als größtes Geschäftsrisiko wahrgenommen. Weitere Geschäftsrisiken sind laut der befragten Unternehmen der Fachkräftemangel, höhere Arbeitskosten und Nachfragerückgänge. Diese Faktoren könnten demnach einer Erholung der Automobilindustrie entgegenstehen.

 

Auch die Finanzlage bleibt innerhalb der Automobilindustrie angespannt. Laut der DIHK-Umfrage meldeten 37 Prozent der befragten Automobilhersteller und 41 Prozent der Zulieferer eine problematische Finanzlage. Aufgrund hoher Energie-, Material- und Arbeitskosten sind Liquiditätsengpässe das häufigste Finanzproblem. So gaben 22 Prozent der Automobilhersteller und 21 Prozent der Zulieferer Liquiditätsengpässe an. Am zweithäufigsten meldeten die befragten Unternehmen einen Eigenkapitalrückgang als Finanzproblem. Daneben sind die Unternehmen mit einer erschwerten und teureren Fremdkapitalbeschaffung konfrontiert.

 

Insbesondere für kleinere Automobilzulieferer, die über keine größeren Rücklagen verfügen, könnte die weitere Entwicklung existenzbedrohend werden.


Neben den Auswirkungen der Coronakrise und des Ukrainekriegs ist die Automobilindustrie zusätzlich noch mit einem längerfristigen Strukturwandel konfrontiert. Die Entwicklung zur Elektromobilität, die zunehmende Einführung autonomer Fahrfunktionen und das Aufkommen neuer Mobilitätsdienstleistungen verändern die Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsketten von Zulieferern und Herstellern zum Teil tiefgreifend. Für diesen investitionsintensiven Transformationsprozess benötigt die Automobilbranche eigentlich stabile Rahmenbedingungen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Bedingungen werden Investitionen jedoch gestoppt oder ins Ausland verlagert. Dies geht aus einer Umfrage des VDA hervor, bei der 28 Prozent der befragten Automobilzulieferer angaben, ihre Produktion ins Ausland verlagern zu wollen und 14 Prozent der Unternehmen eine Streichung der Investitionen planen. Aufgrund der Größe der Automobilindustrie könnte diese Entwicklung auch für den Industriestandort Deutschland zu einer deutlichen Veränderung führen.

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