Anforderungen an die Bescheinigung nach § 74 Abs. 2 StaRUG und Beurteilung der Voraussetzungen der Stabilisierungsanordnung (IDW S 15)

PrintMailRate-it

veröffentlicht am 4. Juli 2023

 

 

Mit der Verabschiedung des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens (StaRUG) im Jahr 2021 wurde vom Gesetzgeber die Möglichkeit einer vorinsolvenzlichen Sanierung geschaffen. Unter bestimmten Bedingungen kann diese auch gegen den Willen opponierender Gläubiger durchgeführt werden.

Ein zentrales Instrument des StaRUG stellt dabei die sogenannte Stabilisierungsanordnung dar. Nach § 49 Abs. 1 StaRUG kann das Restrukturierungsgericht auf Antrag des Schuldners eine Vollstreckungs- und Verwertungssperre für das schuldnerische Vermögen anordnen, wenn dies zur Wahrung der Aussichten auf die Verwirklichung des Restrukturierungsziels erforderlich ist.


Eine bedeutsame Rolle innerhalb des StaRUG hat daneben der „Restrukturierungsbeauftragte”. Je nach der vom Gericht übertragenen Befugnis, ist es z. B. die Aufgabe des Restrukturierungsbeauftragten, Forderungen, Absonderungsanwartschaften, gruppeninterne Drittsicherheiten oder die wirtschaftliche Lage des Schuldners zu prüfen, dessen Geschäftsführung zu überwachen oder Zahlungen für den Schuldner zu leisten.


Der Restrukturierungsbeauftragte wird in bestimmten Fällen von Amts wegen vom Gericht bestellt. Dies geschieht insbesondere dann, wenn in die Rechte von Verbrauchern oder mittleren, kleinen oder Kleinstunternehmen eingegriffen wird, der Schuldner eine Stabilisierungsanordnung beantragt hat, welche überwiegend gegen alle Gläubiger gerichtet ist, oder der Restrukturierungsplan eine Überwachung vorsieht. Eine Bestellung erfolgt grundsätzlich auch, wenn bereits absehbar ist, dass das Restrukturierungsziel nur gegen den Willen einzelner Gläubiger im Rahmen einer gruppenübergreifenden Mehrheitsentscheidung erreicht werden kann und es sich bei den Planbetroffenen nicht allein um Unternehmen des Finanzsektors handelt. Zudem kann das Gericht einen Restrukturierungsbeauftragten auch optional von Amts wegen als Sachverständigen bestellen.


Nach § 74 Abs. 2 StaRUG kann das Gericht von einem vorgeschlagenen Restrukturierungsbeauftragten nur abweichen, wenn dieser offensichtlich ungeeignet ist.

Im IDW S 15 werden die Anforderungen an eine solche Bescheinigung und die Beurteilung der Voraussetzungen einer Stabilisierungsanordnung konkretisiert.

Das Gesetz schreibt nicht explizit vor, welche konkreten Anforderungen an den Gutachter zu stellen sind. Nach dem IDW S 15 reicht eine Berufsträgerschaft – d. h. die in der Berufsausbildung gewonnene Kenntnis – allein nicht für eine Qualifikation als Gutachter. Vielmehr ist in zeitlicher Hinsicht davon auszugehen, dass eine mehrjährige Befassung mit deutschen Insolvenz- oder Sanierungsfällen erforderlich sein wird. In sachlicher Hinsicht ist das Kriterium bspw. dann erfüllt, wenn der Gutachter als Insolvenzverwalter tätig ist oder mehrjährige berufliche Erfahrung in der Sanierungsberatung vorweisen kann. Bei Berufsgesellschaften wie Wirtschaftsprüfungs-, Steuerberatungs- und Rechtsanwaltsgesellschaften kommt es darauf an, dass nur solche Personen verantwortlich mit der Tätigkeit betraut werden, die über die erforderliche Qualifikation und Sachkunde verfügen.

Als eine Voraussetzung für die Anordnung einer Stabilisierungsanordnung soll in der Bescheinigung des Gutachters die Schlüssigkeit und Vollständigkeit der Restrukturierungsplanung beurteilt werden. Diese Anforderungen werden im IDW S 15 näher erläutert.

 

Vollständigkeit

Nach dem IDW S 15 kann die Vollständigkeit bescheinigt werden, wenn zum einen ein aktueller Entwurf des Restrukturierungsplans sowie ein Finanzplan über sechs Monate vorhanden sind. Aus dem Finanzplan muss ersichtlich sein, dass nur drohende Zahlungsunfähigkeit, aber keine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit vorliegt. Hierbei wird nicht weiter darauf eingegangen wie man anhand des Finanzplanes eine mögliche Überschuldung ausschließt. In der Praxis wird dies nur mit einer weitergehenden Analyse durch die Aufstellung einer Liquidationsbilanz möglich sein. Zum anderen ist im Sinne der Vollständigkeit zu beurteilen, ob folgende Umstände ausgeschlossen werden können:

  • Bestand von Zahlungsrückständen aus Arbeitsverhältnissen, Pensionszusagen, Steuerverhältnissen oder gegenüber Sozialversicherungsträgern sowie Lieferanten
  • Inanspruchnahme von Vollstreckungs- und Verwertungssperren des StaRUG oder nach § 21 Abs. 2 InsO innerhalb der letzten drei Jahre
  • Verletzung der Offenlegungspflichten in den letzten drei Jahren

Sind diese Tatbestände hingegen erfüllt, besteht nach dem IDW S 15 zunächst ein widerlegbarer Anfangsverdacht, dass der Schuldner die Gläubigerinteressen nicht wahrt.

Nach § 51 Abs. 2 StaRUG kann die Stabilisierungsanordnung bei Verletzung der Offenlegungspflichten oder bei den genannten Zahlungsrückständen nur ergehen, wenn der Schuldner bereit und in der Lage ist, seine Geschäftsführung an den Interessen der Gläubigergesamtheit auszurichten. Hierzu führt der IDW S 15 konkretisierend aus, dass der Gutachter entsprechende Erklärungen des Schuldners einzuholen hat, um den Umsetzungswillen des Managements zu dokumentieren. Hat es in den letzten drei Jahren bereits Vollstreckungs- und Verwertungssperren gegeben, darf eine Stabilisierungsanordnung nur ergehen, wenn der vorherigen Anordnung eine nachhaltige Sanierung nachgefolgt ist. Hierbei steht es nach Auffassung des IDW einer nachhaltigen Sanierung nicht entgegen, wenn die Ursachen der vorangegangenen Krise dauerhaft beseitigt wurden und neue krisenauslösende Faktoren eingetreten sind, die den Fortbestand des Unternehmens gefährden.

 

Schlüssigkeit Grobkonzept/Restrukturierungsplan

Gegenstand der zu beurteilenden Schlüssigkeit ist ein aktueller Entwurf des Restrukturierungsplans sowie die sechsmonatige Finanzplanung. Die Anforderungen an den Inhalt sowie an den zugrunde zu legenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab sind nach dem IDW S 15 abhängig vom Verfahrensfortschritt (siehe Abbildung 1). Demnach ist bei Anzeige des Restrukturierungsvorhabens kein ausgearbeitetes Sanierungskonzept erforderlich, sondern ein Grobkonzept. Das Grobkonzept soll eine Darstellung von Art, Ausmaß und Ursachen der Krise, das Ziel der Restrukturierung sowie die Maßnahmen, welche zur Erreichung des Restrukturierungsziels in Aussicht genommen werden, umfassen. Die Realisierungswahrscheinlichkeit der einzelnen Maßnahmen ist hierbei nach dem IDW S 15 qualitativ zu erläutern.

 

Nach § 51 Abs. 1 S. 2 StaRUG ist die Restrukturierungsplanung schlüssig, wenn nicht offensichtlich ist, dass sich das Restrukturierungsziel auf Grundlage der in Aussicht genommenen Maßnahmen nicht erreichen lässt. Dazu müssen nach Auffassung des IDW mindestens grundsätzliche Vorstellungen darüber vorliegen, wie die angestrebte nachhaltige Sanierung konzeptionell und finanziell erreicht werden kann. Es ist auch überschlägig einzuschätzen, ob die skizzierten Maßnahmen zur Erreichung des Restrukturierungsziels ausreichen können. Aus Sicht des Gutachters dürfen keine offensichtlichen Hinderungsgründe ersichtlich sein, die der Umsetzung des Grobkonzepts entgegenstehen.

 

Erst im letzten Sanierungsschritt wird mit einem Vollkonzept die Bestandsfähigkeit nach § 14 StaRUG verlangt, die eine nachhaltige und überwiegend wahrscheinliche Sanierung aufzeigt. Dieser Verfahrensschritt entspricht in betriebswirtschaftlicher Hinsicht dem Sanierungskonzept nach IDW S 6. Um den nachhaltigen Fortbestand des Unternehmens zu erreichen, muss das Unternehmen wettbewerbsfähig und refinanzierungsfähig sein.

 


Abbildung 1: Vom Grob- zum Vollkonzept; In Anlehnung an IDW S 15.

 

Schlüssigkeit Finanzplan

Nach dem IDW S 15 hat der Finanzplan auf einem aktuellen Finanzstatus aufzusetzen und aufzuzeigen, dass das Unternehmen in den nächsten sechs Monaten durchfinanziert ist. Die Umsetzung der im Finanzplan aufgeführten Maßnahmen muss hierbei überwiegend wahrscheinlich sein. Um betriebswirtschaftlich nicht sinnvolle Maßnahmen auszuschließen, sind insbesondere die Finanzierungsquellen darzustellen.

Als Grundlage der Planung hat der Gutachter auch die Vollständigkeit und Geeignetheit der Rechnungslegung und Buchführung zu beurteilen. Für die Aufstellung der Planung sind die grundsätzlichen Praxishinweise des IDW zu beachten.

 

Voraussetzungen nach § 51 Abs. 1 StaRUG

Neben einer vollständigen und schlüssigen Restrukturierungsplanung sowie einem Finanzplan sind im § 51 Abs. 1 StaRUG weitere Voraussetzungen kodifiziert, die für die Anordnung einer Stabilisierungsanordnung erforderlich sind. Diese sollten nach dem IDW S 15 ebenfalls im Rahmen der Bescheinigung beurteilt werden.

 

Nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG sollten keine Hinweise bekannt sein, aus denen sich ergibt, dass die Erklärungen hinsichtlich potentieller Zahlungsrückstände, vorheriger Stabilisierungsanordnungen oder Verletzungen der Offenlegungspflichten in wesentlichen Punkten auf unzutreffenden Tatsachen beruhen. Erläuternd führt der IDW S 15 hierzu aus, dass geringfügige Abweichungen irrelevant sind und eine Wesentlichkeit vorliegt, wenn die Erfolgsaussichten der Restrukturierung erheblich beeinträchtigt werden.


Des Weiteren dürfen nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG keine Umstände darüber bekannt sein, dass die Restrukturierung aussichtslos ist, weil keine Aussicht darauf besteht, dass ein Restrukturierungsplan/-konzept von den Planbetroffenen angenommen oder vom Gericht bestätigt werden würde. Aufgabe des Gutachters ist es demnach nach dem IDW S 15 durch sachgerecht aufgearbeitete Informationen ausreichend Transparenz zu schaffen. Der Gutachter hat sich hierfür ein Bild davon zu machen, ob das – nach wirtschaftlichen Maßstäben zu beurteilende – voraussichtliche Verhalten der Planbetroffenen zu einer Aussichtslosigkeit der Restrukturierung führt und dies darzulegen.


Des Weiteren dürfen nach § 51 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG keine Informationen darüber bekannt sein, dass der Schuldner noch nicht drohend zahlungsunfähig ist. Der Gutachter hat daher nach den Konkretisierungen des IDW den Nachweis einer höchstens drohenden Zahlungsunfähigkeit zu führen. Hierbei ist i. d. R. auf einen Zeithorizont von 24 Monaten abzustellen und das Verhalten opponierender Gläubiger zu beurteilen.


Letztlich dürfen nach § 51 Abs. 1 Nr. 4 StaRUG auch keine Umstände darüber bekannt sein, dass die Stabilisierungsanordnung nicht erforderlich ist, um das Restrukturierungsziel zu erreichen. Beispielhaft hierfür führt der IDW S 15 den Fall auf, indem Gläubiger auch außerhalb des Verfahrens zu Sanierungsmaßnahmen bereit wären.

Aus dem Newsletter

Kontakt

Contact Person Picture

Vincenzo Di Vincenzo

MBA

Associate Partner

+49 221 949 909 513

Anfrage senden

Wir beraten Sie gern!

Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu