Steuerdaten ohne Grenzen: Die Vernetzung nationaler und internationaler Behörden

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veröffentlicht am 26. Juli 2017

 

Die Globalisierung geht mit einer weltweiten Mobilität von Personen, Gütern, aber auch Kapital einher und stellt die nationalen Steuerbehörden vor neue Herausforderungen. Ein Zugriff auf Steuerdaten, der an den Ländergrenzen endet, würde unweigerlich zu einem Informationsdefizit bei den Steuer­behörden und in letzter Konsequenz zu einer geringeren Steuerfestsetzung bzw. einer weniger effizienten Bekämpfung von Steuerhinterziehung führen. Dem will man in Zukunft mit einem unmittelbaren und unbürokratisch schnellen Austausch von Steuerdaten über die Länder­grenzen hinweg begegnen. Zugleich muss auch auf nationaler Ebene verhindert werden, dass Gesetzes­verstöße aufgrund fehlender Zuständigkeit der ermittelnden Behörde und mangelnden Informa­tions­austausches nicht verfolgt werden können. Eine Vernetzung der nationalen Behörden ist Pflicht, die der internationalen die Kür!
 

 

 
Schneller und effizienter Datenaustausch: Autobahn statt Landstraße

Nationale Behörden und andere Institutionen tauschen sich in nicht unerheblichem Umfang untereinander über steuerrelevante Informationen aus. Teilweise sind sie sogar gesetzlich verpflichtet, die Ermittlungs­behörden zu informieren, falls Erkenntnisse über eine (mögliche) Steuerstraftat vorliegen. Gemeinsame Ermittlungsgruppen aus Zoll- und Steuerfahndungsbeamten, Kriminalbeamten sowie Vertretern der Bundesagenturen ermöglichen es, die bestehenden Kompetenzen und Kapazitäten sehr effektiv zu bündeln und dadurch noch effektiver Ermittlungsmaßnahmen vorzunehmen. In der Praxis erfolgt der häufigste Informationsaustausch zwischen den Zoll- und Finanzbehörden bei Prüfungen durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS):

  

Decken die Zollbeamten auf, dass Arbeitgeber Mindestlöhne nicht zahlen und/oder Beiträge zur Sozial­versicherung nicht vollständig oder zu spät entrichten, liegt die Frage nach der Erfüllung steuerlicher Pflichten nahe, deren Überprüfung grundsätzlich den Finanzämtern obliegt. Der Zoll leitet dann die Information sowie die persönlichen Daten des Steuerpflichtigen nicht nur an das Finanzamt, sondern auch die Sozial­versicherungs­träger und Krankenkassen zum Abgleich weiter.
 

Beispiel:
Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) erscheint völlig überraschend auf der Baustelle des Bauunter­nehmers Findig. Sie stellen fest, dass mehrere ausländische Bauarbeiter ohne Arbeitsgenehmigung beschäftigt werden und die Arbeiter zudem ohne ausreichende schützende Ausrüstung, wie z.B. Schutzhelme am Sonntag auf der Baustelle tätig sind. Für die Arbeiter können auch keine ausreich­enden Nachweise vorgelegt werden, dass sowohl der Mindestlohn bezahlt wird und auch die Sozial­versicherungsbeiträge ordnungsgemäß abgeführt wurden. Es wird nicht nur ein Verfahren wegen Hinterziehung von Sozialversicherungsbeiträgen eingeleitet, sondern es wird auch das zuständige Finanzamt informiert, da der Verdacht der Hinterziehung von Lohnsteuer besteht. Die FKS beim Zoll führt das Verfahren wegen des Dumpinglohns. Hier zeigt sich eindrucksvoll die behördliche Zusammenarbeit.

 
Und auch im grenzüberschreitenden Verkehr bleiben die Zollbeamten wachsam. Stoßen die Zöllner bei Grenzkontrollen auf Barvermögen (obwohl bis zu 10.000 Euro Barvermögen an den Grenzen zum Drittland nicht angemeldet werden müssen) oder sogar auf die Kontoauszüge einer ausländischen Bank, erfolgt umgehend eine sog. Kontrollmitteilung an das zuständige Wohnsitzfinanzamt der kontrollierten Person, bei dem ein Abgleich dieser Erkenntnisse mit der Steuerakte weiteren Ungemach in Form von Ermittlungsmaßnahmen heraufbeschwören kann.
 

Umgekehrt können die Finanzämter ihre Erkenntnisse übers sog. Kontenabfragen, auch den anderen Behörden, wie z.B. Zoll- und Sozialbehörden zur Verfügung stellen. Auch Banken sind verpflichtet, dem Bundeszentralamt für Steuern jeweils bis zum 1. März des Jahres personenbezogene Daten der Steuer­pflichtigen und deren Daten über Freistellungsaufträge oder Erstattungsanträge in Bezug auf Kapitalerträge mitzuteilen. Das Bundeszentralamt für Steuern gleicht die Daten mit denjenigen ab, die u.a. durch die Sozialbehörden ihrerseits zu den Leistungsempfängern zur Verfügung gestellt wurden. Hat der Leistungs­empfänger einen Zinsfreistellungsauftrag gestellt, lässt das auf ein höheres Vermögen schließen, welches u.U. bei den Sozialbehörden verschwiegen wurde Dadurch lassen sich u.a. das Erschleichen von BaföG sowie Arbeitslosenhilfe sehr effektiv aufdecken.

 
Der Steuerpflichtige ist gläsern; es existiert kaum ein Lebensbereich im finanziellen Umfeld, der von den Behörden nicht eingesehen werden kann. Dabei muss der Steuerpflichtige von der Durchführung der Maßnahmen nicht informiert werden: Dazu gehören u.a. Meldungen der Notare an das zuständige Finanzamt über Grundbucheintragungen, Grundstücksgeschäfte, die Gründung, Umwandlung oder Auflösung von Kapital­gesellschaften, aber auch Meldungen der Rentenversicherungen über die Höhe der Rentenbe­züge sowie Mitteilungen der Versicherungsunternehmen über die Auszahlung von Versicherungssummen und Leib­renten. Doch nicht nur nationale Behörden vernetzen sich untereinander. In immer stärkerem Umfang erfolgt auch ein internationaler Informationsaustausch mit ausländischen Behörden. Das bereits bestehende  nationale Verkehrsnetz für den Datenaustausch wird demnächst auf internationaler Ebene durch eine Datenautobahn entsprechend erweitert: Staatlich teuer eingekaufte Steuer-CDs waren gestern. Denn demnächst müssen Finanzinstitute Informationen über ausländische Konten den Herkunfts­staaten der Geldanleger mitteilen. Mit Hilfe des neuen globalen Standards vom 21. Juli 2014 für den sog. Automatischen Informationsaustausch (AIA) soll der Intransparenz der Finanzströme entgegen­gewirkt und der Kampf gegen die grenzüberschreitende Steuerhinterziehung aufgenommen werden. Sage und schreibe 101 Staaten, darunter alle wichtigen Finanz­zentren, haben sich zur Teilnahme am automatischen Informationsaustausch bekannt. Los geht es in mehr als der Hälfte dieser Staaten noch in diesem Jahr.

  

Bis September 2017 werden persönliche Informationen der Steuer-Ausländer, wie Name, Geburtsdatum, Anschrift und Kontonummern an die nationalen Steuerbehörden gemeldet. Auch die Jahres-Endsalden der Finanzkonten sowie Kapitalerträge und Veräußerungserlöse müssen Banken und Investmentfonds automatisch an den Wohnsitzstaat des Kontoinhabers melden.

 
Der automatische Informationsaustausch soll in Zukunft eine schnelle und effektive Datenautobahn im Hinblick auf steuerlich relevante Daten weltweit und eine einfachere Verfolgung von Steuerhinterziehung über Landesgrenzen hinweg sicherstellen. Die Anzahl der vor dem Zugriff der Finanzverwaltung vermeintlich „sicheren Häfen” für Vermögensanlagen wird immer geringer, der Fahndungsdruck wird weiter zunehmen.


Informationsaustausch zu Verbrauchsteuern

Aber nicht nur im Bereich der Mehrwertsteuer, der Zollsätze, der direkten Steuern und Pflichtsozial­bei­trägen, die durch den automatischen Informationsaustausch erfasst werden, sondern auch im Hinblick auf die Verbrauchsteuern, u.a. für Alkohol und Tabakwaren, wurde ein umfassender Informationsaustausch beschlossen, um insbesondere dem noch weiter verbreiteten Verbrauchsteuerbetrug einen Riegel vorzuschieben.

 

Hierzu waren die EU-Verordnung 2073/2004 des Rates und die Richtlinie 2004/106/EG des Rates verabschiedet worden, welche nicht nur den Informationsaustausch bei Anfragen durch die Finanzämter aus den einzelnen EU-Ländern regelt, sondern den Beamten sogar länderübergreifende Ermittlungen und Prüfungen ermöglicht.
 

Bekämpfung des internationalen Mehrwertsteuerbetrugs

Die Ermittlungen über Ländergrenzen hinweg werden auch zunehmend im Bereich der Bekämpfung des internationalen und organisierten Mehrwertsteuerbetrugs eingesetzt: Zum einen erfolgt dies durch ein Netzwerk von Steuerfahndungsexperten aus den einzelnen EU-Ländern , die Hand in Hand im Kampf gegen Steuer­hinterziehung zusammenarbeiten, zum anderen durch den Einsatz hoch effizienter IT-Systeme, die nur dem Ziel eines effektiven, schnellen Informationsaustausches und der Verminderung des Verwaltungsaufwandes bei den Behörden dienen.

 
Üblicherweise werden vermehrt Gestaltungen untersucht, denen der Ruch eines sog. Umsatzsteuer­karussells anhaftet. Durch Gestaltungen diverser Art werden die Länder um Umsatzsteuer betrogen. Dabei wird häufig eine Reihe von vermeintlichen Unternehmen in der Leistungskette hintereinander geschaltet. Mehrfaches Passieren der Leistung über die Ländergrenzen soll derart Verwirrung stiften, dass es den Finanzbehörden, insbesondere bei plötzlichem Verschwinden der „Reihenunternehmer” vom Markt, nicht ermöglicht werden soll, in Erfahrung zu bringen, wer nun aus dem sog. Karussell ausgestiegen ist und es versäumte, die entsprechende Umsatzsteuer abzuführen.

 
Die Abfrage der Unternehmer, die an einem derartigen Umsatzsteuerkarussell beteiligt sind, erfolgt häufig länderübergreifend und mit maschineller Unterstützung. Es werden Namen, Gewerbeanmeldung und Sitz der Gesellschaft überprüft. Oftmals auch mit profanen Mitteln, wie Google Maps. Das genügt den Finanzbe­hörden häufig, um sich ein Bild zu verschaffen; alles Weitere wird dann z.B. mittels Umsatzsteuer-Sonderprüfungen oder gar Fahndungsprüfungen näher konkretisiert.


In dem elektronischen Datenpool ZAUBER beim Bundesamt für Finanzen werden nicht nur die Scheinfirmen, sondern auch alle Fälle fingierter Rechnungen erfasst, so dass ein Datenabgleich wahrhaft zauberhaft schnell erfolgen kann.

 
Kampf gegen Steuerhinterziehung und Geldwäsche

Angesichts der Entwicklung kann von einem „Aufrüsten” der Finanzbehörden im Kampf gegen schwere Steuerhinterziehung und Geldwäsche gesprochen werden. Das wurde in der Vergangenheit bereits durch das Gesetz zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung vom 29. Juli 2009 und das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Geldwäsche und Steuerhinterziehung vom 28. April 2011 deutlich.    
 

Die Vierte Geldwäscherichtlinie, die nunmehr in Deutschland bereits Ende Juni 2017 in nationales Recht umgesetzt wurde, ist ebenfalls Teil des Aktionsplans, der erheblich verschärfte Standards zur Verhinderung von Geldwäsche setzt. Dazu gehören u.a. auch die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, nationale Register zur Feststellung der tatsächlichen Eigentümer von juristischen Personen, Trusts und Stiftungen einzu­führen und Dritten bei einem berechtigten Interesse zugänglich zu machen. Künftig sollen die nationalen Register  auch elektronisch miteinander verknüpft werden, um ein weiteres Tor zum Daten­austausch zwischen den Mitgliedstaaten zu öffnen!

 
Zugleich werden Verstöße gegen die Vorgaben der Vierten Geldwäscherichtlinie in Zukunft wesentlich schärfer sanktioniert werden. So können bei wiederholten Verstößen den Betroffenen Unternehmen Geldbußen in Millionenhöhe auferlegt werden.

 
Neu ist auch die Vorgehensweise des „naming and shaming” – eine Art öffentlicher Pranger: Das sieht vor, dass im Falle von bestandskräftigen Geldbußen seitens der Aufsichtsbehörden die Daten der Unternehmen und der verantwortlichen Personen veröffentlicht werden, gegen die ein Bußgeld verhängt worden ist. Dass dies mit einem erheblichen Reputationsschaden für die betroffenen Unternehmen verbunden sein dürfte, steht außer Frage.

 

Fazit  

Die Welt ist offensichtlich ein Stück kleiner geworden – insbesondere für Steuerpflichtige mit der Affinität zur nicht immer legalen Steueroptimierung. Ebenso schrumpft der zeitliche Korridor, der z.B. noch für Abgabe einer wirksamen Selbstanzeige bleibt, um dadurch Straffreiheit zu erlangen! Betroffene sollten sich offenbaren, solange es noch straffrei möglich ist.

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Dr. Christine Varga-Zschau

Rechtsanwältin, Geldwäschebeauftragte

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