Selbstanzeige von Scheinselbstständigkeit: Folgen für Sozialversicherung und Lohnsteuer

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veröffentlicht am 26. Juli 2017
von Susanne Hierl

 

In Sachverhalten, in denen Sozialversicherungsbetrug im Raum steht und die Verantwortlichen in den Unternehmen sich die Frage stellen, ob sie die Sachverhalte aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht den Behörden offenlegen sollen, sind auch im Hinblick auf den Informationsaustausch zwischen den Behörden einige Besonderheiten zu beachten.
 

 

  

In jüngerer Vergangenheit greifen die Behörden (insbesondere der Zoll und im Zusammenspiel damit die Rentenversicherungsträger) die Themenstellungen der Scheinselbständigkeit vermehrt auf. In den Sach­verhalten geht es darum, dass vermeintlich Selbständige als Arbeitnehmer im Sinn der Sozial­ver­sicherung zu qualifizieren sind und somit für sie Sozialversicherungsbeiträge an die Sozialkassen hätten entrichtet werden müssen. Es stellt sich also in Unternehmen die Frage, ob die Sachverhalte nicht „im vorauseilenden” Gehorsam – selbst in strittigen Fällen oder Grenzfällen – zur Anzeige gebracht werden sollen.

 

Anzeige „nur” an den Sozialversicherungsträger

Tragen sich Unternehmen mit den Gedanken, ist festzuhalten, dass es hier zwar vordergründig meist um nicht abgeführte Sozialversicherungsbeiträge geht, jedoch auch die Thematik der Lohnsteuer nicht übersehen werden darf. Auch Themenstellungen der Umsatzsteuer (z.B. aufgrund falsch gestellter Rech­nungen bzw. zu Unrecht erstattete Vorsteuerzahlungen) können gegeben sein.

 

Grundsätzlich ist bemerkenswert, dass – anders als bei steuerlichen Sachverhalten – bei „Aufdeckung” von sozialversicherungsrechtlichen Themen, die im Unternehmen vernachlässigt wurden, es in nur sehr engen Grenzen, die meist nicht vorliegen, eine „strafbefreiende Selbstanzeige” nach dem Gesetz gibt. Bei Aufdeckung sind die gesamten Sozialversicherungsbeiträge (also Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge) vom Arbeitgeber an die Sozialversicherungsbehörden zu entrichten. Das Gesetz erlaubt eine Inan­spruch­nahme der Arbeitnehmer nur für die letzten 3 Monate für Zwecke der Sozialversicherung; darüber hinaus­gehende Beträge hat der Arbeit­geber vollumfänglich zu tragen. Die vom Arbeitgeber übernommenen Arbeitnehmerbeiträge zur Sozial­ver­sicherung stellen ihrerseits wieder einen geldwerten Vorteil dar, der der Lohnversteuerung und auch der Sozialversicherung zu unterwerfen ist.   

 

Aufdeckung an die Steuerbehörden spätestens bei der Lohnsteuerprüfung

Wie bei einer regulären Sozialversicherungsprüfung sind die eigens aufgedeckten Sachverhalte spätestens bei der nächsten anstehenden Lohnsteuerprüfung auch dem Finanzamt vorzulegen. Auch eine Weiter­leitung der Anzeige an die Finanzbehörden kann nicht ausgeschlossen werden. Damit stellt sich die Frage, ob die Sach­verhalte auch gleichzeitig dem zuständigen Betriebsstättenfinanzamt zur Anzeige zu bringen sind. Das ist eindeutig mit „Ja” zu beantworten. Meist sind die Sachverhalte in der steuerlichen Betrachtung weniger schwerwiegend, da davon auszugehen ist, dass die „Selbständigen” ihre persönliche Steuerschuld mit der jeweiligen Einkommenssteuererklärung beglichen haben. Das ist aber – besonders in grenzüberschreitenden Fällen bzw. bei Selbständigen, die mit dem deutschen Steuersystem nicht vertraut sind – oft nicht selbstverständlich.

 

Praxistipp

Derartige Anzeigen sind daher stets gut aufeinander abzustimmen und idealerweise den betroffenen Behörden gemeinsam und unter Hinweis auf die Anzeigen an die anderen Behörden zur Kenntnis zu bringen. Nur so können böse Überraschungen im Zusammenhang mit Selbstanzeigen vermieden werden und vermeintlich gut gemeinte Offenlegungen bei Behörden werden nicht zu einem Bumerang für das Unternehmen, seine Verantwortlichen und deren  betroffene „Mitarbeiter”.

 

Fazit

In den Fällen, in denen sich ein Unternehmen dazu entschließt, Sachverhalte, die einen Scheinselb­ständigen betreffen, den Sozialversicherungsbehörden anzuzeigen, ist stets auch eine Vorlage an das zuständige Betriebsstättenfinanzamt anzuraten. Eine enge Abstimmung zwischen den Verantwortlichen im Unternehmen und auch eine gute Information der Mitarbeiter ist daher anzuraten.

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Thorsten Beduhn

Rechtsanwalt, Steuerberater, Diplom-Kaufmann

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