Umsatzsteuerliche Organschaft zwischen zwei Schwestergesellschaften, BFH v. 02. Dezember 2015 V R 15/14

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​Aufgrund eines fehlenden gesonderten Antrags- oder Feststellungsverfahrens hält der BFH, trotz erheblicher Bedenken des EuGH, an dem Merkmal der finanziellen Eingliederung fest. Nach Ansicht des BFH sei dies die einfachste Möglichkeit zur Feststellung der Durchgriffsmöglichkeiten des Organträgers auf die Organgesellschaft.

 

Kontext der Entscheidung

Nachdem der EuGH in seiner Entscheidung Larentia+Minerva, Az. C-108/14, schon ausgeführt hat, dass die einzelnen Voraussetzungen der umsatzsteuerlichen Organschaft nicht gleich stark ausgeprägt sein müssen, musste sich der BFH nunmehr mit der Frage befassen, ob eine umsatzsteuerliche Organschaft auch zwischen zwei Schwestergesellschaften möglich sein kann.
  

Laut nationalem Recht muss eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sein (Organschaft). Bei einer solchen Konstellation, wie hier, ist insbesondere die Frage der finanziellen Eingliederung problematisch. Eine finanzielle Eingliederung setzt grundsätzlich eine eigene Mehrheitsbeteiligung des Organträgers an der juristischen Person voraus (BFH, Urteil vom 22. November 2001 - V R 50/00).
  

Dies kann sich dabei grundsätzlich sowohl aus einer unmittelbaren Beteiligung als auch aus einer mittelbaren Beteiligung über eine von einer Tochtergesellschaft gehaltenen Beteiligung ergeben. Da es kein Antrags- oder Feststellungsverfahren im Hinblick auf eine umsatzsteuerliche Organschaft existiert, muss es dem Organträger aufgrund der Eingliederung möglich sein, die nach der Abgabenordung ihm obliegende Verantwortung für die Umsatzstätigkeit der mit ihm verbundenen juristischen Person zu übernehmen. Dies setzt in Form der Eingliederung i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG Durchgriffsmöglichkeiten im Unternehmen einer Person – die für die Abgabe der Steueranmeldungen und -erklärungen notwendigen Informationsansprüche gegen die Organgesellschaft voraus.
  

Ohne eigene Mehrheitsbeteiligung ist die Person des Organträgers nicht eindeutig bestimmbar. Daran würde auch eine Zusammenrechnung aufgrund familiärer Verbundenheit mehrerer Gesellschafter nichts ändern. Gleiches gilt auch für eine Stimmbindungsvereinbarung, sofern diese nicht im Gesellschaftsvertrag der möglichen Organgesellschaft vereinbart ist.
  

Der EuGH hat in seiner Entscheidung Larentia+Minerva ausgeführt, dass das Unionsrecht die Regelungen der umsatzsteuerlichen Organschaft nicht allein den Personen vorbehält, die sich in einem Unterordnungsverhältnis zum Organträger befinden. Auf eine Unterordnung darf nach Ansicht des EuGH nur ausnahmsweise abgestellt werden, wenn dies für die Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen erforderlich und geeignet ist.

 

Der BFH stellt zwar zutreffend fest, dass die Anforderungen des nationalen Rechts zwar über die Anforderungen der MwStSystRL hinausgehen und damit grundsätzlich nicht mit der MwStSystRL vereinbar wären. Jedoch begründet der BFH das Erfordernis des Merkmals der finanziellen Eingliederung mit der Vermeidung von Steuermissbräuchen. Da es an im nationalen Recht gerade an der Möglichkeit fehlt die Durchgriffsmöglichkeit des Organträgers gesondert feststellen zu lassen, kann dieses Erfordernis nach Ansicht des BFH nur durch das Merkmal der finanziellen Eingliederung objektiv feststellen.
   

Für die Praxis bedeutet dies, dass Leistungsbeziehungen zwischen Schwestergesellschaften weiterhin steuerbar sind. Inwieweit eine satzungsmäßige Stimmrechtsbindung zu einem anderen Ergebnis führen kann, hat der BFH leider offengelassen. Es besteht jedoch die Hoffnung, dass der fünfte Senat des BFH in seiner Entscheidung die Anmerkungen des EuGH aus der Entscheidung Larentia+Minerva, aufgreift und fortentwickelt. Bis dahin verbleibt es jedoch bei der aktuellen Rechtslage. Sofern die Leistungsbeziehungen zwischen den Schwestergesellschaften zu erheblichen positiven Effekten im Falle einer umsatzsteuerlichen Organschaft führen würden, so sollte über eine Umstrukturierung der bestehenden Beteiligung ernsthaft nachgedacht werden.

 

Autoren: Marcel Reinke und Nicole Maußhammer

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