Neues BAFA-Merkblatt stromkostenintensive Unternehmen veröffentlicht – Löschen kleiner Feuer oder Buschfeuerzündeln an der EEG-Umlageentlastung?

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Das BAFA hat mit einem neuen Merkblatt „Stromkostenintensive Unternehmen 2018” grundlegende, bisher praktizierte Auslegungsgrundsätze geändert. Viele bisher entlasteten Unternehmen sollten deshalb durch die Inanspruchnahme von gerichtlichem Rechtsschutz versuchen Zeit zu gewinnen, um nach Konstituierung einer neuen Bundesregierung auf eine politische Lösung durch eine Bestandschutz- und Härtefallgesichtspunkte wahrende gesetzlichen Regelung zu drängen. 

 

​Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) hat auf seinem ersten „Informationstag Besondere Ausgleichsregelung” am 26. Februar 2018 eine neues BAFA-Merkblatt „Stromkostenintensive Unternehmen 2018” veröffentlicht. Mit dem neuen Merkblatt wird die Verwaltungspraxis des BAFA festgeschrieben, sodass grundsätzlich mehr Rechtssicherheit entstehen sollte. In zahlreichen Auslegungsfragen weicht das 74-seitige BAFA-Merkblatt aber von den bisher praktizierten Grundsätzen ab. Demnach ist damit zu rechnen, dass viele bisher entlastete Unternehmen nach den neuen Auslegungsgrundsätzen zukünftig nicht mehr entlastet werden und die unterbrechungsfreie EEG-Umlageentlastung bei Umstrukturierungen künftig erschwert wird.


Der Leiter der BAFA-Unterabteilung für die Besondere Ausgleichsregelung, Herr Stefan Krakowka, hat die Veranstaltung mit einem Shakespeare-Zitat eröffnet:


„Leicht wird ein kleines Feuer ausgetreten, Das, erst geduldet, Flüsse nicht mehr löschen.”


„Wer eilig will ein mächtig Feuer machen, Nimmt schwaches Stroh zuerst.” (William Shakespeare, Julius Cäsar, 1.A., 3. Sz.)

wäre unseres Erachtens das passendere Zitat gewesen. Mit seiner Absicht, Gestaltungsmöglichkeiten zur Bruttowertschöpfung einzuschränken, greift das BAFA nachvollziehbarerweise zunächst jüngere Gestaltungsfälle an, die aus sozial- und arbeitspolitischen Gründen „schwaches Stroh” sind. Auch die grundsätzliche ethische Frage, ob und wieweit abgabenrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten – häufig in Abhängigkeit von wirtschaftlichen und wettbewerblichen Zwängen – ausgeschöpft werden sollen und inwieweit Entlastungsmöglichkeiten Verteilungsgerechtigkeitsgrundsätzen entsprechen, machen die stromkostenintensiven Unternehmen zur Zeit angreifbar.


Mit seiner aktuellen Datenabfrage zu ungeeicht erfassten oder ungemessenen Selbstverbräuchen, die das BAFA nach seinen neuesten Auslegungsgrundsätzen Werkauftragnehmern, Mietern und sonstigen auf dem Betriebsgelände im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen tätigen Dritten zurechnen will (lesen Sie dazu unseren Beitrag aus dem Stadtwerke Kompass Nr. 07/2018)trifft das BAFA nicht nur Unternehmen, die in jüngster Zeit die Gestaltungsspielräume der §§ 64 EEG 2017 ff. nutzen, sondern auch viele Unternehmen, die klassische stromkostenintensive Unternehmen sind. Diese müssen derartige Tätigkeiten Dritter oft aus technischen, wirtschaftlichen oder branchenüblichen Gründen beauftragen, vertrauen seit vielen Jahren in den Bestand der bisherigen BAFA-Verwaltungspraxis und könnten nun bei einem – möglicherweise rückwirkenden – Entzug der EEG-Umlagebefreiung leicht in eine existenzbedrohende Schieflage geraten. So hat das BAFA auf seinem Informationstag ausdrücklich sog. „Produktionsgesellschaften” als missbräuchliche Trickserei bezeichnet, obwohl es gleichzeitig anerkannt hat, dass derartige Organisationsmodelle aus steuerrechtlichen, mitbestimmungsrechtlichen und internationalen bilanzierungstechnischen Gründen seit vielen Jahren verbreitet sind und in der Bescheidungspraxis des BAFA bisher anerkannt wurden.


Das BAFA hat sich ausdrücklich vorbehalten, wie es die Ergebnisse der Datenerhebung behandeln will. Dies wiederum erhöht die Verunsicherung zum Umgang mit der aktuellen Abfrage als unzulässigem Ausforschungsnachweis. Nach den Grundsätzen der Gleichbehandlung und Selbstbindung der Verwaltung ist allerdings rechtlich kaum noch vertretbar, dass das BAFA vorbehaltlich einer Überarbeitung des neuen Merkblattes 2018 sowohl die noch nicht beschiedenen Anträge der betroffenen Unternehmen als auch die zukünftigen Anträge 2018 antragsgemäß bescheiden kann und bereits erteilte Begrenzungsbescheide bis zur rechtlich noch ungeklärten zeitlichen Grenze des Bestandsschutzes aufheben wird. Insofern können sich die Absichtserklärungen des BAFA schnell zu einem Flächenbrand in der stromkostenintensiven Unternehmen-Branche entwickeln. Vor diesem Hintergrund bleibt zu hoffen, dass eine neue Bundesregierung hier schnell neue politische Leitlinien vorgibt. Alle betroffenen Unternehmen sind deshalb aufgerufen, jetzt richtig auf die Datenabfragen zu reagieren, durch Ausnutzung der Rechtsschutzmittel Zeit zu gewinnen und über ihre Verbände auf eine schnelle politische Lösung der Problematik zu drängen. Bei wirtschaftlichen Fragen von existenzbedrohender Bedeutung für das einzelne Unternehmen und ganze Wirtschaftszweige dürfen Änderungen der Verwaltungspraxis nicht auf dem „Eschborner Landrecht” eines BAFA-Merkblatts beruhen. Sollte wirklich ein politischer Wille zur Belastung und möglicherweise Verdrängung deutscher stromkostenintensiver Unternehmen in Billiglohn- und Kohlestromländer bestehen, bedarf es hierfür unseres Erachtens aus verfassungsrechtlichen Gründen zumindest einer gesetzlichen Regelung mit angemessenen Übergangs- und Härtefallregelungen.


Kommen Sie auf unsere Informationsveranstaltung „EEG-Umlageentlastung für stromkostenintensive Unternehmen” am 19. April 2018 und diskutieren Sie mit uns die aktuellen Entwicklungen der Praxis der EEG-Begrenzungsantragstellung.

 

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Joachim Held

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