Berliner Klimaschutz- und Energiewendegesetz: Ein Schritt in Richtung Fernwärmeregulierung?

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​veröffentlicht am 14. September 2021


Am 19. August 2021 hat das Berliner Abgeordnetenhaus eine grundlegende Novelle des Berliner Klimaschutz- und Energiewendegesetz (EWG Bln) verabschiedet. Die Novelle enthält neben einer Anhebung der Berliner Klimaschutzziele ehrgeizige Klimaschutzvorgaben für öffentliche Gebäude und Fahrzeugflotten sowie regulative Schritte hin zu einer CO2-freien Fernwärmeversorgung. Berlin führt damit als erstes Bundesland eine Form der Fernwärmeregulierung ein.


Worum geht es?

Berlin hat sich mit dem Energiewende- und Klimaschutzgesetz ambitionierte Klimaziele gesetzt. Stärker reguliert werden darin vier Bereiche: Energie, öffentliche Gebäude, Verkehr und Wirtschaft.
In Berlin werden ca. 1,5 Millionen Haushalte mit Fernwärme versorgt. Da die Wärme derzeit noch überwiegend durch das Verbrennen von fossilen Brennstoffen (insbesondere Steinkohle) produziert wird, ist der Anteil der Fernwärmeerzeugung an den Gesamtemissionen Berlins nicht zu unterschätzen (ca. 16 Prozent). Eines der zentralen Ziele der Gesetzesnovelle ist deshalb eine Dekarbonisierung der Berliner Fernwärme. Konkret bedeutet das, dass Vattenfall und die wenigen kleineren Anbieter dazu verpflichtet werden, bis 2030 40 Prozent des Fernwärmebedarfs und bis 2050 den vollständigen Fernwärmebedarf aus erneuerbaren Energiequellen und unvermeidbarer Abwärme zu decken. Die Erstellung und Veröffentlichung eines Fahrplans bis zum 30.06.2023 ist für Fernwärmeversorger verpflichtend.


Abnehmen soll den Plan eine Landesregulierungsbehörde für Fernwärme, die der Senat neu gründen wird. Der Behörde sollen bei Verstoß gegen diese Vorgaben Sanktionsmöglichkeiten bis zu einer Million Euro zur Verfügung stehen. Darüber hinaus soll die Landesregulierungsbehörde weitreichende Befugnisse bezüglich des Netzzugangs und der Preiskontrolle erhalten. Auch neue umfangreiche Informationspflichten der Fernwärmeversorger sind vorgesehen.


Zudem findet sich in der Novelle die bisher bundesweit einmalige Regelung, dass Produzenten klimaschonender Wärme einen gesetzlichen Anspruch darauf haben, die erzeugte Wärme in die Netze einspeisen zu dürfen. Damit entsteht in Berlin erstmalig eine spezialgesetzliche Fernwärmeregulierung losgelöst von den allgemeinen kartellrechtlichen Erwägungen zum Netzzugang. Demnach müssen Betreiber allgemeiner Wärmeversorgungsnetze Anlagen in räumlicher Nähe, die nicht nur geringfügige Mengen klimaschonender Wärme erzeugen, auf Verlangen des Anlagenbetreibers unverzüglich und vorrangig zu diskriminierungsfreien Bedingungen an ihr Wärmeversorgungsnetz anschließen. Ein Netzanschluss kann dann nur mit Genehmigung der Regulierungsbehörde für Fernwärme verweigert werden, wenn der Anschluss an das Wärmeversorgungsnetz technisch nicht mit vertretbarem Aufwand möglich ist oder für den Betreiber des allgemeinen Wärmeversorgungsnetzes wirtschaftlich unzumutbar ist. Darüber hinaus sind Betreiber allgemeiner Wärmeversorgungsnetze verpflichtet, klimaschonende Wärme nach Wahl des Anlagenbetreibers zu diskriminierungsfreien Bedingungen abzunehmen und angemessen zu vergüten.


Daneben finden sich in der Gesetzesnovelle neue Informationspflichten für Betreiber allgemeiner Wärmeversorgungsnetze, die der Transparenz von Fernwärmedaten dienen sollen. Demnach sind Netzbetreiber verpflichtet, bis spätestens zum 31.12.2022 Informationen über den Anteil der einzelnen Energieträger an dem Gesamtenergieträgermix der im letzten Jahr transportierten Wärme, die daraus resultierenden CO2-Emissionen der transportierten Wärme sowie den Primärenergiefaktor und eine Bilanz über die im Fernwärmenetz entstehenden Wärmeverluste im Internet zu veröffentlichen und jährlich zu aktualisieren.


Die neue Gesetzesfassung tritt in Kraft, sobald sie im „Gesetz- und Verordnungsblatt von Berlin” verkündet wird.


Signalwirkung auch für andere Bundesländer?

Getrieben durch aktuelle Entwicklungen auf EU-Ebene und sind die ehrgeizigen klimapolitischen Ziele Berlins umweltpolitisch begrüßenswert. Auf nationaler Ebene kam weitere Spannung in das Thema „Klimaschutz” durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur ersten Fassung des Bundes-Klimaschutzgesetzes (wir berichteten) und dessen Novelle.


Wie das Beispiel in Berlin zeigt, folgen die Bundesländer den europa- und bundespolitischen Entwicklungen und aktualisieren ihrerseits die eigenen Klimaschutzvorgaben. Allerdings fehlt es teilweise an der Berücksichtigung, ob die ambitionierten politischen Vorgaben und Zeitpläne überhaupt in der Praxis umsetzbar sind. In Berlin sind durch den Anspruch auf Netzzugang für „grüne” Wärme Auseinandersetzungen zur technischen Umsetzbarkeit vorprogrammiert.


In Bayern hat der Zehn-Punkte-Plan der Bayerischen Klimaschutzoffensive neue Entwicklungen losgetreten. Bayern soll demnach bis spätestens 2050 das erste klimaneutrale Bundesland werden und seine Treibhausgasemissionen pro Einwohner bis zum Jahr 2030 um mindestens 55 Prozent senken. Um diese hochgesteckten Ziele zu erreichen, sind bisher in erster Linie die CO2-Reduktion durch Energieeinsparung, die CO2-Vermeidung durch energetische Sanierungen und durch Verringerung des Verkehrsaufkommens geplant.


Die anderen Bundesländer dürften zunächst abwarten, inwieweit die noch zu gründende Berliner Fernwärmeregulierungsbehörde einen tatsächlichen Mehrwert für die Überwachung der verbraucher- und klimaschutzpolitischen Regelungen bringt. Die Zukunft wird zudem zeigen, ob auch andere Bundesländer dem Berliner Weg nacheifern und über vergleichbare Ansprüche auf Netzzugang für klimaschonend erzeugte Wärme den Druck auf Bestandswärmenetzbetreiber zur Dekarbonisierung ihrer eigenen Erzeugung erhöhen werden. 

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