Sicherung der Liquidität im Wärmegeschäft trotz Preisexplosion bei Gas und Öl

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veröffentlicht am 10. Mai 2022

 

Die Gasbeschaffung für die Fernwärme ist seit Herbst 2021 zu einer großen Herausforderung geworden. Die aktuell sehr hohen Terminmarktpreise für kurzfristige Produkte, beispielsweise Frontmonat oder Quartalsprodukte, stellen Fernwärmeversorgungsunternehmen vor neue Herausforderungen. Wir zeigen in diesem Artikel, welche Bedeutung der Preisanpassungszyklus im Zusammenhang mit den stark gestiegenen Marktpreisen bekommen hat.


Ausgangssituation 2022

Wie in Abbildung 1 dargestellt, steigen seit Mitte 2021 die Brennstoffkosten von Energieversorgungsunternehmen sprunghaft an. Der extreme Preisanstieg der Terminmarktpreise spiegelt sich auch anhand der stark gestiegenen Indexwerte des Statistischen Bundesamtes wider (siehe Abbildung 1). Der Erzeugerpreisindex Erdgas, Börsennotierungen (GP09-352228100) ist im März 2022 im Vergleich zum Vorjahresmonat um das 6-fache angestiegen. Auch der Erzeugerpreisindex Erdgas, bei Abgabe an Wiederverkäufer (GP09-352227100), der von vielen Wärmeversorgern in den Preisgleitklauseln zur Weitergabe der Erdgaskosten an die Fernwärmekunden verwendet wird, ist im März 2022 im Vergleich zum Vorjahresmonat um das 1,7-fache angestiegen. Gleiches gilt für den Erzeugerpreisindex Heizöl, leicht (zur Erzeugung von Wärme oder Dampf, GP09- 192026007), welcher im März 2022 im Vergleich zum Vorjahresmonat den 1,3-fachen Wert angenommen hat.

Abbildung 1 Indexverläufe ausgewählter Brennstoffkostenindizes des Statistischen Bundesamts
(zum Vergrößern bitte anklicken)


Die stark gestiegenen Brennstoffkosten – und Preisindizes wirken sich auf die Kosten- und Erlössituation der Fernwärmeversorgungsunternehmen aus. Je nach Gestaltung der Preisanpassungszyklen, Beschaffungszeiträume und der Indexwahl kann es zu einer zeitlichen Diskrepanzen zwischen Kostenentstehung und Erlösgenerierung kommen. Dies gilt vor allem dann, wenn die Preisanpassung nicht mit dem Turnus der Beschaffung übereinstimmt. Dieser Effekt wird bei einer quartalsweisen Beschaffung und jährlichen Preisanpassung besonders deutlich. Wird kurzfristig beschafft, jedoch nur einmal jährlich angepasst, wird üblicherweise eine 12 –  3 – 12 oder 12 – 6 – 12 Logik angewendet. Das bedeutet, dass mit den Indizes über einen Zeitraum von 12 Monaten, mit einem Zeitversatz (auch Timelag genannt) 3 bzw. 6 Monaten der Preis für die nächsten 12 Monate gebildet wird. Die Hochpreismonate Oktober 2021 bis September 2022 kommen daher erst bei der Preisanpassung zum 01.01.2023 zum Einsatz, obwohl die Kosten schon jetzt in der Beschaffung entstehen. In Zeiten üblicher Marktschwankungen war der Zeitversatz in der Fernwärmepreisweitergabe größtenteils unproblematisch. Bei den derzeitigen Marktpreisen können Versorger in im Extremfall sogar in Liquiditätsschwierigkeiten kommen. Wie Liquiditätslücken aufgrund dieser Brennstoffkostenanstiege von Fernwärmeversorgern durch eine geeignete Preisanpassungsstrategie vermieden werden können, wird im Folgenden illustriert.


Wie Fernwärmeversorger Liquiditätslücken bei stark steigenden Brennstoffkosten durch eine quartalsweise Preisanpassung verhindern können

Wie in Abbildung 2 dargestellt, ist bei einer quartalsweisen Brennstoffbeschaffung und jährlichen Preisanpassung bei steigenden Preisen mit einer steigenden Liquiditätslücke zu rechnen. So zeigt sich, dass bei einer jährlichen Anpassung der Wärmepreise (grüne gestrichelte Linie im Diagramm) die Kostensteigerung im Laufe des Jahres erst zum Jahreswechsel zu steigenden Wärmepreisen führt. Die Brennstoffkosten können bei einer kurzfristigen Beschaffungsstrategie jedoch bereits im Laufe des Jahres stark ansteigen.


Abbildung 2 Steigende Liquiditätslücke bei quartalsweise steigenden Beschaffungskosten und jährlicher Preisanpassung

(zum Vergrößern bitte anklicken)

 

Insbesondere in den letzten beiden Quartalen (Quartal III & IV 2022 in Abbildung 2) führt dies bei gleichbleibend oder weiter steigenden Marktpreisen zu einer deutlichen Kostensteigerung bei gleichbleibenden Erlösen – eine zunehmende Liquiditätslücke entsteht. Insbesondere in Zeiten hoher Marktvolatilität kann dies die Gesamtliquidität des Fernwärmeversorgers gefährden. Somit ist neben der Kostenorientierung der Preisgleitformel auch auf den zeitlichen Zusammenhang von Änderung der Beschaffungskosten und Anpassungsturnus der Preisgleitformel zu achten.

 


Abbildung 3 Konstanter Liquiditätsversatz bei quartalsweise steigenden Beschaffungskosten und quartalsweiser Preisanpassung 

(zum Vergrößern bitte anklicken)


Wie in Abbildung 3 dargestellt, können Liquiditätslücken durch eine zur Beschaffung passende Wahl des Anpassungsturnus verhindert werden. Hierzu gilt es, den Turnus der Preisanpassung an den Beschaffungsrhythmus anzugleichen. Wie Abbildung 3 zeigt, steigen die Beschaffungskosten bei der kurzfristigen Beschaffungsstrategie im Laufe des Jahres erheblich (beispielhafte Darstellung). Aufgrund der quartalsweisen Beschaffung ist somit jeweils zum letzten Handelstag eines Quartals der Beschaffungspreis für das kommende Quartal bekannt. Erfolgt die Preisanpassung der Preisgleitformel ebenfalls je Quartal (grün gestrichelte Linie in Abbildung 3), so können die steigenden Brennstoffkosten durch steigende Wärmeerlöse kompensiert werden. Aufgrund des notwendigen Anpassungszeitraumes (Time-Lag) zur organisatorischen Umsetzung der Preisanpassung entsteht dabei lediglich ein kurzfristiger Liquiditätsversatz.

 

Schlussfolgerung

In Zeiten extremer Marktvolatilität ist umso wichtiger, dass die Fernwärmepreisgleitklauseln zeitlich und mengenmäßig die tatsächliche Beschaffungssituation der Fernwärmeversorgungsunternehmen widerspiegeln. Die Fernwärmeversorger sollten daher prüfen, ob der Index- und Beschaffungszeitraum deckungsgleich sind. Weiterhin muss darauf geachtet werden, dass die systemimmanenten, bisher akzeptierten Liquiditätslücken durch Timelags auch unter den derzeitigen Marktbedingungen getragen werden können.


Nicht nur auf Grund der rechtlichen Vorgaben, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen ist die Passung von Indizes und Beschaffungsstrategie für die korrekte Weitergabe enorm wichtig. Falls sich Liquiditätsengpässe abzeichnen, kann eine Überprüfung des zeitlichen Abgleichs von Beschaffungsrhythmus und Turnus der Preisanpassung weiterhelfen.


Falls sich durch die aktuelle Entwicklung der Beschaffungskosten bei Wärmeversorgen bei sonst gleicher Erzeugungsstruktur Liquiditätsschwierigkeiten abzeichnen, sollte daher kurzfristig geprüft werden, ob der Anpassungsrhythmus z.B. von jährlich auf quartalsweise angepasst werden kann. Damit können die Einnahmen aus den Kundenabschlägen kurzfristig gesteigert werden. Bei solchen Vorhaben sind allerdings die aktuellen Kundenverträge, das Messkonzept und die Auswirkung auf die Jahresabrechnung im Blick zu behalten.​

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