BGH: Recht und Pflicht zur einseitigen Anpassung von Preisänderungsklauseln gem. § 4 Abs. 1 und 2 AVBFernwärmeV

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veröffentlicht am 24.05.2022

 

Die Rechtmäßigkeit verschiedener Ausgestaltungen von Preisänderungsklauseln in Fernwärmelieferungsverträgen und die gesetzlichen Möglichkeiten der einseitigen Vertragsanpassungen bleiben auch weiterhin ein brisantes Thema. So hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 06.04.2022 (VIII ZR 295/20) nun das erste von zahlreichen anhängigen Verfahren entschieden, in denen Ansprüche gegen ein Energieversorgungsunternehmen geltend gemacht werden, welches in einem Berliner Wohngebiet über 700 Kunden mit Fernwärme beliefert. Auch am Land- und Kammergericht Berlin werden in diesem Zusammenhang derzeit noch weitere Rechtsstreitigkeiten geführt.

 

Sachverhalt

Das betroffene Fernwärmeversorgungsunternehmen beliefert die Kläger seit 2009 auf Grundlage von Allgemeinen Versorgungsbedingungen im Sinne des § 1 Abs. 1 AVBFernwärmeV mit Fernwärme. Hiernach stellt die Beklagte ihren Kunden einen verbrauchsunabhängigen Bereitstellungspreis und einen verbrauchsabhängigen Arbeitspreis in Rechnung. Für beide Preise sind Preisänderungsklauseln im Vertrag vorgesehen, auf deren Grundlage jährliche Anpassungen erfolgen.


Im Januar 2019 entschied das Kammergericht in einem anderen gegen das Fernwärmeversorgungsunternehmen gerichteten Rechtsstreit, dass die auf den Arbeitspreis bezogene Preisänderungsklausel den Transparenzanforderungen des § 24 Abs. 4 Satz 2 AVBFernwärmeV nicht genüge und damit sämtliche in den Allgemeinen Versorgungsbedingungen enthaltenen Anpassungsklauseln nach § 139 BGB unwirksam seien. Unter Berufung auf dieses Urteil verlangten nachfolgend mehrere Kunden von dem Fernwärmeversorgungsunternehmen die Rückerstattung erhöhter Wärmeentgelte. Ab Mai 2019 legte das Fernwärmeversorgungsunternehmen deshalb seinen Abrechnungen eine einseitig geänderte Preisanpassungsformel zum Arbeitspreis zugrunde, welche sie zuvor öffentlich bekannt gegeben hatte.

 

Entscheidung

Der VIII. Zivilsenat des BGH hat entschieden, dass es sich bei in Allgemeinen Versorgungsbedingungen enthaltenen Preisänderungsklauseln zum Arbeitspreis einerseits und zum Bereitstellungs- beziehungsweise Grundpreis andererseits im Regelfall um inhaltlich voneinander trennbare Vertragsklauseln handelt, die jeweils Gegenstand einer gesonderten Wirksamkeitsprüfung nach § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV sind. Nach Maßgabe des § 306 Abs. 1 BGB (als bei formularmäßigen Bestimmungen gegenüber § 139 BGB vorrangiger Regelung) führt deshalb die Unwirksamkeit einer dieser Preisänderungsklauseln nicht zugleich zur Unwirksamkeit der anderen Anpassungsklausel. Da die von der Beklagten in ihren Vertragsbedingungen vorgesehene Preisänderungsklausel zum Bereitstellungspreis als solche den Anforderungen des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV entspricht, können die Kläger mithin keine Rückzahlung des insoweit geleisteten Wärmeentgelts verlangen. Ihre hierauf gerichtete Revision blieb deshalb ohne Erfolg.


Der Entscheidung der Vorinstanz erteilte der BGH außerdem insoweit eine Absage, als dem Fernwärmeversorgungsunternehmen eine Befugnis zur Anpassung der für unwirksam befundenen Preisanpassungsklausel zum Arbeitspreis allgemein abgesprochen worden war. Der BGH stellte klar, dass Fernwärmeversorgungsunternehmen im Fall einer unwirksamen Preisänderungsklausel gem. § 4 Abs. 1 und 2 AVBFernwärmeV in Verbindung mit § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV grundsätzlich berechtigt und gegebenenfalls sogar verpflichtet sind, diese auch während eines laufenden Versorgungsverhältnisses mit Wirkung für die Zukunft einseitig an die Angemessenheits- und Transparenzanforderungen des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV anzupassen. Denn nur so könne für die typischerweise langfristig angelegten Wärmeversorgungsverhältnisse durchgängig eine kosten- und marktorientierte Preisbemessung und damit ein angemessener Ausgleich der Interessen von Versorger und Kunden gewährleistet werden.

 

Dies hatte der Senat grundlegend bereits mit seinem Urteil vom 26.01.2022 (VIII ZR 175/19) entschieden. Das Urteil vom 06.04.2022 bestärkt diese Rechtsprechung und sorgt damit für weitere Rechtssicherheit bei der Anwendung des gesetzlichen allgemeinen Leistungsbestimmungsrechts gem. § 4 Abs. 1 und 2 AVBFernwärmeV.

 

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Martina Weber

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