Gasmangellage: Gesetzliches Preisanpassungsrecht auch für Fernwärmeversorgung?

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veröffentlicht am 06. Juli 2022

 

Das Bundeswirtschaftsministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat einen Entwurf zur Ergänzung der Verordnung über allgemeine Bedingungen zu Versorgung mit Fernwärme (AVBFernwärmeV) durch ein einseitiges Preisbestimmungsrecht zur Weitergabe der erhöhten Fernwärmeerzeugungskosten bei einer Gasmangellage veröffentlicht. Es bleibt aber zu hoffen, dass der Referentenentwurf im weiteren Verordnungsgebungsverfahren noch nachgebessert wird, um den besonderen Anforderungen der Fernwärmeversorgung Rechnung zu tragen.


Mit der Novellierung des Energiesicherungsgesetz (EnSiG) hat der Gesetzgeber ein umfassendes Instrumentarium zur Reaktion auf eine Gasmangellage geschaffen. Hierzu gehört auch ein gesetzliches Preisbestimmungsrecht (§ 24 EnSiG), um die bei einer Marktknappheit erwartbaren Beschaffungspreissteigerungen kurzfristig an die Kunden weitergeben zu können. Mit der jetzt angekündigten EnSiG-Umlage sollen diese Kosten gleichmäßiger und über einen breiteren Verteilerkreis auf alle Erdgaskunden verteilt werden. (Lesen Sie hierzu unseren Artikel zur Einführung der Gas-Umlage)

 

Auch für die Fernwärmeversorgung wird im Fall einer Gasmangellage mit stark steigenden Beschaffungs- und Erzeugungskosten gerechnet. Zum einen sind Fernwärmeerzeuger als Erdgas-Bezieher von den Kostensteigerungen des EnSiG betroffen. Darüber hinaus befürchten Fernwärmeversorger aber erhebliche Kostensteigerungen aus dem Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz (EKBG). Nach den bisher nur als Verordnungsermächtigung bestehenden Vorgaben des EKBG, müssen Betreiber erdgasbefeuerter Stromerzeugungsanlagen damit rechnen, dass der Betrieb bei einer Gasmangellage beschränkt wird (dort § 50f Nr. 2 EnWG-E). Demnach können auch erdgasbetriebene Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, die neben Strom ebenfalls Wärme erzeugen, von derartigen Betriebsbeschränkungen betroffen sein. Aus Gründen der Versorgungssicherheit sind KWK-Anlagen zwar häufig durch redundante Wärmeerzeugungsanlagen abgesichert (sog. „Reserve- und Spitzenlastanlagen“). In der Regel führt der Einsatz von Reserve- und Spitzenlastanlagen zu einer geänderten Kosten- und Erlösstruktur und ökologischen Qualität der Fernwärme.


Von den Branchenverbänden und in der Bundestagsdebatte vom 24.06.2022 wurde diese Problematik bereits kritisiert. Die Bundesregierung hat jetzt mit einem Vorschlag zur Änderung der Verordnung über Allgemeine Bedingungen zur Versorgung mit Fernwärme (AVBFernwärmeV) reagiert. Danach soll auch in der Fernwärmeversorgung eine schnelle Weitergabe der gestiegenen Kosten durch ein gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht ermöglicht werden (§ 24 Abs. 5 AVBFernwärmeV n.F.). Zunächst knüpft das Preisanpassungsrecht des § 25 Abs. 5 AVBFernwärmeV n.F. nur an ein bereits vertraglich vereinbarte Preisanpassungsrechte an. Nachdem der BGH sich restriktiv zu einem gesetzlichen Preisbestimmungsrecht aus § 4 Abs. 2 AVBFernwärmeV geäußert hat, bleiben hier häufig nur automatische Preisgleitklauseln. Diese sind aber in der derzeitigen Situation im Zweifel nicht geeignet, um unvorhergesehene, kurzfristige und extreme Kostenveränderungen zu erfassen. Alleine das im Verordnungsentwurf enthaltene Recht zur kurzfristigeren Ausübung fernwärmevertraglicher Preisanpassungsrechte löst das Problem der hohen Belastung durch extrem steigenden Fernwärmeerzeugungskosten nicht. Eine Lösung würde nur ein einseitiges Preisbestimmungsrecht bieten, welches neben den vorhandenen Preisgleitklauseln ausgeübt werden kann. Bei unkalkulierbaren Entwicklungen ist das einseitige Preisbestimmungsrecht im Vergleich zu automatischen Preisgleitklauseln als flexibleres Preisanpassungsinstument besser geeignet, die kurzfristigen, von der allgemeinen Marktentwicklung entkoppelten Kostensteigerung bei einer Gasmangellage sachgerecht zu erfassen.

 

Denn die Sachlage in der Fernwärmeversorgung ist ungleich komplexer als in der Erdgasversorgung, da Fernwärmeversorger und Fernwärmekunden häufig technisch, wirtschaftlich und rechtlich voneinander abhängig sind. Deshalb werden Fernwärmeversorgungsverhältnisse von langen Bindungsfristen geprägt. Insofern ist das Kontroll- und Kündigungsrecht des § 24 Abs. 6 AVBFernwärmeV weder praktikabel noch sachgerecht. Denn es liegt in der Natur automatischer Preisgleitklauseln, dass sie bei einer extremen Veränderung der Kostensituation durch eine Gasmangellage nicht mehr den Anforderungen der Rechtsprechung an eine hinreichende Kostenorientierung entsprechen.

 

Der Verordnungsentwurf sieht zwar als Reaktionsmöglichkeit ein Kündigungsrecht des Kunden vor. Dieses führt aber weder für den Fernwärmeversorger, der seine Fernwärmeversorgunganlagen in der Regel nicht anderweitig refinanzieren kann noch für den Fernwärmekunden, der in der Regel kurzfristig keine alternative Wärmebezugsquelle hat, zu einer praktikablen Lösung. Vielmehr sind dann sog. „faktische Versorgungsverhältnisse“ durch die Fortsetzung des Bezugs mit Streit über die angemessene Höhe der Entgelte vorprogrammiert.


Insofern wirft der Verordnungsentwurf, der also an die gesetzliche Preisanpassung Kontroll- und Kündigungsrechte knüpft, noch einige Fragen in Bezug auf das Verhältnis zu den bestehenden vertraglichen Preisanpassungsinstrumenten und die Refinanzierungssicherheit auf und damit an die praxistaugliche Anwendung auf.

 

Das Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz soll am 06.07.2022 im Bundestag behandelt werden, die Änderungen an der "AVBFernwärmeV" bis zum 08.07.2022 vom Bundesrat verabschiedet werden, damit die Regelungen bereits nach dem 21. Juli, bei einer Andauer der bis dahin als vorübergehend angekündigten Stilllegung der Pipeline "Nord Stream 1", angewendet werden können. Es bleibt zu hoffen, dass der Referentenentwurf im Verordnungsgebungsverfahren noch nachgebessert wird.

 

Rödl & Partner wird in einer aktuellen Webinar-Veranstaltung  zum aktuellen Stand des Gesetzgebungsverfahrens und dessen Auswirkungen auf die Fernwärmeversorgung informieren!

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