Erste Abhilfeklagen gegen Wärmeversorger

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​​​​​​​​veröffentlicht am 27. März 2024


Der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv) hat zwei Sammelklagen in Form von Abhilfeklagen gegen Fernwärmeversorgungsunternehmen erhoben, da er der Auffassung ist, die Unternehmen hätten die Preise in ihren Versorgungsgebieten in den letzten Jahren in unzulässiger Weise erhöht. Wir geben Ihnen einen Überblick über das neue Klageverfahren.

Das Verbraucherrechtedu​rchsetzungsgesetz

Seit dem 13. Oktober 2023 gilt das Gesetz zur gebündelten Durchsetzung von Verbraucherrechten (VDuG), das zur Umsetzung der EU-Verbandsklagenrichtlinie 2020/1828 von deutschen Gesetzgeber eingeführt wurde. Das Gesetz regelt den kollektiven Rechtsschutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern gegen Unternehmen in Form der bereits etablierten Musterfeststellungsklage und der Abhilfeklage. Abhilfeklagen gab es im deutschen Recht bislang nicht.

Durch die Abhilfeklage können qualifizierte Verbraucherverbände nun gegen Unternehmen auf direkte Leistung zugunsten derjenigen Verbraucher, die sich rechtzeitig ins Klageregister eingetragen haben, wie z.B. Schadensersatz oder Rückerstattung klagen. Rechtzeitig bedeutet dabei bis zum Ablauf von drei Wochen nach Schluss der mündlichen Verhandlung im Abhilfeklageverfahren.

Ein Verbraucherverband gilt dann als qualifiziert, wenn er beim Bundesamt für Justiz registriert ist und bestimmte Anforderungen, z.B. im Hinblick auf seine Finanzierung erfüllt.

Durchgesetzt werden können „im Wesentlichen gleichartige Ansprüche“ von Verbraucherinnen und Verbrauchern gegen Unternehmen. Beispiele dafür wären der Einbau fehlerhafter Bauteile durch einen Automobilhersteller, Schadensersatz wegen Flugverspätungen oder die unrechtmäßige Gebührenerhebung durch Banken. Dabei müssen die Ansprüche von mindestens 50 Verbraucherinnen und Verbrauchern potenziell betroffen sein.

Erste Verfahren g​​egen Fernwärmenetzbetreiber

Erste Verfahren gegen Energieunternehmen wurden bereits eingeleitet. So hat der vzbv die Fernwärmenetzbetreiber E.ON und Hansewerk Natur verklagt.

Im Fall der Klage gegen E.ON hat der vzbv die Abhilfeklage zusätzlich mit einer Musterfeststellungsklage verbunden. Der Verband vertritt die Auffassung, dass die durch den Versorger verwendeten Preisgleitklauseln nicht die geltenden rechtlichen Anforderungen erfüllen und deshalb in der Vergangenheit liegende Preiserhöhungen auf Grundlage der Preisgleitklauseln rechtswidrig waren. Dem Verband geht es explizit um Preissteigerungen nach dem Jahr 2020, auch weil vorherige Jahre der Verjährung unterliegen dürften. Zuvor hatte der BGH bereits in einem anderen Verfahren entschieden, dass eine Geltendmachung der Unwirksamkeit etwaiger Preisänderungsklauseln nur innerhalb eines Zeitraumes von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung berücksichtigt worden sei, möglich ist. Der vzbv nimmt an, dass dies auch bei den angestrebten Abhilfeklagen gilt.

Sollte der vzbv Erfolg haben, drohe eine rückwirkende Anpassung der seit 2021 erstellten Abrechnungen der verklagten Unternehmen und damit einhergehend direkte Rückerstattungen für teilnehmende Verbraucherinnen und Verbraucher.

Bisher stehen noch keine Termine für die mündlichen Verhandlungen fest, die Klageregister für die Klagen wurden jedoch bereits vom Bundesamt für Justiz eröffnet. Sollten die Entscheidungen der jeweils zuständigen OLG gegen die Fernwärmeunternehmen ausfallen bliebe für sie noch in nächster Instanz der BGH.

Relevanz für Fer​nwärmeversorger

Das Vorhandensein von „im Wesentlichen gleichartigen Ansprüchen“ ist auch im Fernwärmeversorgungsbereich regelmäßig gegeben. Gerade kleine Wärmeversorger können aber aufatmen, weil sie aufgrund der Schwelle von mindestens 50 potenziell betroffenen Verbraucherinnen und Verbrauchern eher nicht mit der Abhilfeklage konfrontiert werden sollten. Größere Wärmeversorger sollten sich aber gerade dann auf das Tätigwerden von Verbraucherschutzverbänden vorbereiten, wenn sie Zweifel an der Wirksamkeit ihrer Preisgleitformel haben oder im Vergleich zu anderen Wärmeversorgern hohe Preise abrufen.

Trotz mittlerweile gefestigter BGH-Rechtsprechung bleiben Preisanpassungen ein häufiger Streitpunkt zwischen Verbrauchern. Auch angesichts der neuen Instrumente, die Verbrauchern zur Verfügung stehen, und des zunehmenden Drucks durch Politik und Verbraucherschutzverbände, sollten Fernwärmeversorgungsunternehmen ihre verwendeten Preisgleitklauseln regelmäßigen Prüfungen unterziehen und bei Feststellung der Unwirksamkeit umgehend anpassen. Dabei gilt es, bereits vorbeugend Kalkulationsgrundlagen und Ermittlungsgrundlagen für die Preisgleitformeln sorgfältig zu dokumentieren und strenge Maßstäbe bei Anpassungsvorhaben und Kalkulationen anzulegen. Wir empfehlen, sich bereits jetzt auf das Tätigwerden von Verbraucherschutzverbänden und etwaige Abhilfeklagen vorzubereiten. 

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Martina Weber

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