Ausbaukurs im Planungs- und Genehmigungsrecht: Was ergibt sich aus dem Koalitionsvertrag für die 21. Legislaturperiode?

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​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 30. April 2025


Der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD kündigt mit dem Titel „Verantwortung für Deutschland“ auch im öffentlichen Recht einen neuen Reformschub für die 21. Legislaturperiode an. Insbesondere im Planungs- und Genehmigungsrecht, im Umweltrecht und im öffentlichen Baurecht sollen Neuerungen für mehr Dynamik sorgen.

Bei der Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren wird der bereits von der Ampel-Koalition eingeschlagene Pfad fortgesetzt. Zusätzlich sollen Verwaltungsverfahren durch verstärkte Digitalisierung erleichtert und beschleunigt werden, Infrastrukturvorhaben sollen durch eine Reduzierung der Verfahrensstufen vorangetrieben und Genehmigungsverfahren verkürzt werden. Im Kreislaufwirtschaftsrecht sollen erstmalig verpflichtende Wiederverwendungsquoten verankert werden. Außerdem soll eine Regelung über das Ende der Abfalleigenschaft in die Ersatzbaustoffverordnung eingefügt und Anlagen für die verstärkte Nutzung von Recycling-Baustoffen ermöglicht werden.

Die geplanten Maßnahmen dienen nicht allein der Prozessbeschleunigung, sondern sollen auch das Verhältnis von Umweltschutz, Bürgerbeteiligung und Investitionsdynamik neu austarieren. Darüber hinaus wird der bereits eingeschlagene Kurs zur verstärkten Digitalisierung von Staat und Verwaltung nicht nur fortgesetzt, sondern deutlich erweitert. Verwaltungsprozesse sollen nach dem Prinzip der konsequenten Digitalisierung und „Digital-Only“ in weiten Bereichen effizienter gestaltet werden. Auch der gezielte Einsatz von künstlicher Intelligenz soll zu ihrer Automatisierung und Beschleunigung beitragen.

Der kürzlich veröffentlichte Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD markiert damit eine bedeutende Weichenstellung für die Entwicklung des öffentlichen Rechts in den kommenden Monaten und Jahren. 

Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung

Laut Koalitionsvertrag soll eine grundsätzliche Überarbeitung des Planungs-, Bau-, Umwelt-, Vergabe- und (Verwaltungs-)Verfahrensrechts zu einer Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren in den Bereichen Verkehr, Infrastruktur und Bauen beitragen. Der nationale „Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung“ soll fortgesetzt und eine europäische Initiative zur Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung gestartet werden. Tatsächlich dürfte bereits jetzt in verschiedenen Bereichen eine fristgerechte Umsetzung europäischer Initiativen zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren nur noch mit erheblichen Anstrengungen möglich sein. Im Übrigen haben sich Bund und Länder bereits im Herbst 2023 auf ein umfangreiches Paket mit konkreten Arbeitsaufträgen geeinigt, um Gesetze Verordnungen und Regelungen für eine Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren und Bürokratieabbau auf den Weg zu bringen. Ein erster Monitoring-Bericht der Bundesregierung und der Länder vom 18. Juni 2024 (2024-06-20-mpk-planungsbeschleunigung-bericht-data.pdf) konstatierte, dass bis Juni 2024 bereits mit 80 % der Aufträge aus dem Pakt begonnen worden sei, 30 % der Aufträge seien bereits abgeschlossen. Im Februar 2025 gab die Bundesregierung bekannt, inzwischen seien 90 % der Vorhaben des Bundes im Rahmen des Beschleunigungspaktes umgesetzt oder zumindest in Arbeit (Beschleunigungspakt zwischen Bund und Ländern | Bundesregierung).

Laut dem neuen Koalitionsvertrag soll es nun in verschiedenen Bereichen weiter vorangehen. So soll etwa für komplexe Infrastrukturvorhaben ein einheitliches Verfahrensrecht („one-for-many“) geschaffen werden. Außerdem soll eine Multikodierung von Flächen es im Raumordnungsrecht und in der Bauleitplanung ermöglichen, Flächen mit verschiedenen Nutzungen zu belegen. Dies ermöglicht nicht nur eine verbesserte Nutzbarkeit von Flächenpotentialen, sondern kann auch zur Vermeidung langwieriger Planungsänderungsverfahren beitragen.

Darüber hinaus sollen Reduzierungen von Verfahrensstufen und bei der Beteiligung der Öffentlichkeit und der Träger öffentlicher Belange sowie die fakultative Ausgestaltung von Erörterungsterminen zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren beitragen. Die Plangenehmigung soll zum Regelverfahren für den Ersatzneubau von Infrastrukturvorhaben werden. Identische, erweiterte und vollseitige Ersatzneubauten sollen bei Infrastrukturvorhaben von der Pflicht der Planfeststellung ausgenommen werden. Für wesentliche Infrastrukturvorhaben soll darüber hinaus die Möglichkeit des vorzeitigen Maßnahmenbeginns zur Aufrechterhaltung einer funktionierenden Infrastruktur zugelassen werden.

Soweit dies ohne irreparable Schäden praktikabel erfolgen kann, sollen darüber hinaus in verschiedenen Fachbereichen Genehmigungsfiktionen eingeführt werden. Für Projekte der Daseinsvorsorge sieht der Koalitionsvertrag einen Vorrang öffentlicher Belange im Planungsrecht vor. Das Verbandsklagerecht vor den Verwaltungsgerichten soll reformiert, gestrafft und auf die tatsächliche Betroffenheit beschränkt werden.

Die Fortführung der Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung steht in direkter Kontinuität zur letzten Legislaturperiode. Neu ist jedoch die stärkere Betonung von automatischen Verfahrensfolgen (Genehmigungsfiktion) und die Systematisierung beschleunigter Verfahrensarten für bestimmte Projektkategorien.

Umwelt, Klimaschutz und Erneuerbare Energien

In den Bereichen Umwelt und Ernährung soll zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit, der Ernährungssicherheit und der Ressourcenschonung laut Koalitionsvertrag vorrangig auf Freiwilligkeit, Anreize und Eigenverantwortung gesetzt werden. Nach EU-Recht zulässige Spielräume für Vereinfachungen von Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) sollen etwa durch eine Anhebung der Schwellenwerte für Vorhaben mit UVP-Pflicht und eine Aussetzung der UVP-Vorprüfung für Änderungsgenehmigungen ausgenutzt werden. Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz soll mit Fokus auf die unmittelbare Betroffenheit bei Klage- und Beteiligungsverfahren angepasst und das Umwelt-Informationsgesetz verschlankt werden.

Durch eine zeitnahe Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie III (RED III) sollen die Potentiale der Erneuerbaren Energien gehoben werden. In der Tat ist hier Eile geboten. Die Bestimmungen der Richtlinie (EU) 2023/2413 sind von den Mitgliedstaaten grundsätzlich bis spätestens 21. Mai 2025 umzusetzen. Der Entwurf eines Umsetzungsgesetztes wurde nach der Länder- und Verbändebeteiligung bereits im Juli 2024 vom Bundeskabinett beschlossen. Aktuell ist das Gesetz jedoch noch nicht in Kraft. Es bleibt daher abzuwarten, welche der ursprünglich geplanten Maßnahmen nun fortgeführt werden.

Beim Ausbau der Windenergie soll jedenfalls an den Zwischenzielen des Windflächenbedarfsgesetzes für 2027 festgehalten werden. Die Flächenziele für 2032 sollen hingegen evaluiert werden. Im Übrigen müssen dem Koalitionsvertrag zufolge die Belange von Natur und Artenschutz bereits im Rahmen der Regionalplanung frühzeitig einbezogen werden. Dies dürfte nicht zuletzt mit Blick auf die Kerninhalte der RED III zu einer zusätzlichen Beschleunigung in Genehmigungsverfahren führen.

Im Übrigen soll beim Arten- und Naturschutz bundeseinheitlich der Populationsansatz zur Anwendung kommen. Eine Gefährdung bzw. Beeinträchtigung einzelner Individuen einer geschützten Art könnte Vorhabenträgern dann nicht mehr ohne Weiteres entgegengehalten werden.

Im Grundsatz wird damit die Linie der Vorgängerregierung fortgesetzt, Umwelt- und Planungsrecht stärker zu verzahnen. Neu ist der deutliche Trend, rechtliche Anforderungen (insbesondere im Artenschutz) quantitativer und damit für Vorhabenträger kalkulierbarer zu fassen. Der Koalitionsvertrag bekennt sich ausdrücklich zu einem “pragmatischeren” Umweltrecht.

Neuerungen im Öffentlichen Baurecht

Auch das öffentliche Baurecht steht im Fokus der Reformen. Im Bereich Bauen und Wohnen sollen Wohnungsbau und Eigentumsbildung durch eine Investitions-, Steuerentlastungs- und Entbürokratisierungsoffensive angekurbelt werden. Nutzungskonflikte zwischen Wohnen, Gewerbe und Landwirtschaft sollen durch eine Weiterentwicklung von TA-Lärm und TA-Luft aufgelöst werden. Der Wohnungsbau soll in einer ersten Novelle des Baugesetzbuches innerhalb der ersten 100 Tage nach Regierungsantritt durch Einführung eines „Wohnungsbau-Turbos“ und die Erleichterung von Lärmschutzfestsetzungen gestärkt werden. Darüber hinaus sollen die Vorschriften über den Umwandlungsschutz nach § 250 BauGB verlängert und die Bestimmung der Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt für fünf Jahre verlängert werden. In einer weiteren Baurechtsnovelle sollen sodann grundlegende Reformen zur Beschleunigung des Bauens vorgenommen werden. Ein Kernanliegen der angehenden Koalitionspartner stellt dabei laut Koalitionsvertrag die Stärkung des gemeindlichen Vorkaufsrechts dar. Um eine nachteilige Ausstrahlwirkung auf die Umgebung zu vermeiden, soll das Vorkaufsrecht für Kommunen in Milieuschutzgebieten und bei Schrottimmobilien gestärkt werden. Im Übrigen soll der preislimitierte Vorkauf für solche Immobilien vereinfacht werden. Kommunen sollen damit erleichterte Möglichkeiten erhalten, bestimmte Grundstücke zum Verkehrswert zu erwerben, wenn dieser den vereinbarten Kaufpreis unterschreitet. Grundsätzlich kommt bei Ausübung des kommunalen Vorkaufsrechts der Grundstückserwerb zu den zwischen Käufer und Verkäufer vereinbarten Bedingungen zustande. Kommunen haben bereits nach aktueller Rechtslage die Möglichkeit, den zu zahlenden Betrag nach dem Verkehrswert zu bestimmen, wenn der vereinbarte Kaufpreis den Verkehrswert überschreitet. Allerdings können Wertermittlungsspielräume zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Ob und inwieweit die Koalitionspartner nun Erleichterungen für Kommunen vorsehen möchten, bleibt daher abzuwarten. Schließlich soll laut Koalitionsvertrag die Umgehung des kommunalen Vorkaufsrechts durch Share Deals verhindert werden. Bereits in der im Herbst 2024 mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der integrierten Stadtentwicklung geplanten BauGB-Novelle war der Versuch unternommen worden, das kommunale Vorkaufsrecht entsprechend zu erweitern. Dieser Entwurf setzte jedoch nicht bei der Anteilsübertragung, sondern bei der Einbringung einer Immobilie in die Gesellschaft an und wurde daher vielfach als verfehlt kritisiert. Wie dies künftig ausgestaltet werden soll, ist dem Koalitionsvertrag nicht zu entnehmen.

Auch im Übrigen finden sich im Koalitionsvertrag einige bekannte Maßnahmen wieder. So hatten sich Bund und Länder bereits im Herbst 2023 auf einen Pakt zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsprozessen im Bau („Bau-Turbo-Pakt“ –​ BMWSB – Startseite – Der Bau-Turbo-Pakt für Deutschland) geeinigt. Durch eine befristete Sonderregelung im Baugesetzbuch sollte bei Einverständnis der örtlichen Gemeinde durch die Nutzung eines „Bau-Turbos“ auf die Aufstellung eines Bebauungsplans verzichtet werden können. Nutzungsänderungen sollten durch landesrechtliche Regelungen unter bestimmten Voraussetzungen genehmigungsfrei gestellt werden. Auch die Einführung eines Gebäudetyps E („E“ wie einfach) war bereits Gegenstand des Bund-Länder-Paktes.

Die im Koalitionsvertrag vorgesehenen Maßnahmenpläne stellen damit eine logische Fortsetzung der Wohnraumschaffungspolitik der vergangenen Legislaturperiode dar. Allerdings sollen die Rahmenbedingungen für die kommunale Selbstverwaltung und die aktive Baulandmobilisierung künftig weiter gestärkt werden.

Fazit

Der neue Koalitionsvertrag ist im Bereich des öffentlichen Rechts von klaren Zielen geprägt: Beschleunigung, Digitalisierung und Effizienzsteigerung. Viele Vorhaben greifen bereits bestehende Reformlinien auf. Nun geht es darum, möglichst zeitnah Rechtssicherheit für anstehende Entscheidungen kommunaler Planungsträger sowie der Investoren vor Ort zu schaffen. Für alle beteiligten Akteure empfiehlt sich eine sorgfältige Begleitung der anstehenden Gesetzgebungsverfahren, um etwa deren Auswirkungen auf Planungs- und Ausbaustrategien frühzeitig einschätzen und darauf reagieren zu können.


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Victoria von Minnigerode

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