Netzentgelte auf dem Prüfstand: Die BNetzA diskutiert Einspeiseentgelte

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​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 25. Juni 2025
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Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat am 12. Mai 2025 ein Diskussionspapier zur Festlegung einer neuen „Allgemeinen Netzentgeltsystematik Strom“ (kurz: AgNes) veröffentlicht. Damit startet ein umfassender Reformprozess, in dessen Rahmen das bestehende System der Netzentgelte in Deutschland grundlegend überarbeitet werden soll – Ziel ist es, die Kostenverteilung innerhalb des Stromnetzes an die Herausforderungen der Energiewende anzupassen. Eine der Herausforderungen der Energiewende ist der Ausbau der erneuerbaren Energien und der Netzanschluss zahlreicher dezentraler Einspeiser – vor diesem Hintergrund findet sich unter den zahlreichen Aspekten, die die BNetzA zur Diskussion stellt, auch die mögliche Einführung von netzgebundenen Umlagen o. ä. für Einspeiser. In der Branche herrscht weitgehende Einigkeit darüber, dass eine grundlegende Reform notwendig ist. Dennoch ist zu erwarten, dass insbesondere die Vorschläge zur Einbindung der dezentralen Einspeiser in die Netzentgeltsystematik auf ein geteiltes Echo stoßen werden.


Status Quo:

Die aktuell geltende Systematik der Netzentgelte für den Zugang zu den Elektrizitätsversorgungsnetzen regelt die Verordnung über die Entgelte für den Zugang zu Elektrizitätsversorgungsnetzen (Stromnetzentgeltverordnung – StromNEV).

Netzentgelte werden gegenüber von Netznutzern erhoben für die Nutzung der Netz- oder Umspannebene, an die der Netznutzer direkt angeschlossen ist, sowie für alle vorgelagerten Netz- und Umspannebenen. Die Netzentgelte werden dabei für den Strombezug erhoben – Stromeinspeiser zahlen keine Netzentgelte.

Jedoch verursacht (auch) der Netzanschluss der Einspeiser einen hohen Netzausbaubedarf und damit erhöhte netzgebundene Kosten für die Netzbetreiber.

Vor diesem Hintergrund hat die Bundesnetzagentur ein „diskussionsoffenes“ Verfahren angestoßen zur Neuordnung der Netzentgeltsystematik – denn die Bundesnetzagentur sieht aufgrund der Herausforderungen der Energiewende einen hohen Anpassungsbedarf für die Neuordnung der Netzkostenverteilung.

Das aktuelle Netzentgeltsystem wurde vor ca. 20 Jahren unter anderen Erwartungen entwickelt – die StromNEV gilt noch bis zum 31. Dezember 2028 und wird sodann in der aktuellen Fassung außer Kraft treten.

Positive Aspekte laut BNetzA: 

  1. Verursachungsgerechte Kostenverteilung: Bislang tragen Einspeiser – insbesondere Betreiber erneuerbarer Energieanlagen – keine direkten Netzentgelte. Das widerspricht dem sogenannten Verursacherprinzip, da auch Einspeisung Netzkosten verursacht, etwa durch Netzausbau oder Redispatch-Maßnahmen zur Netzstabilisierung. Die BNetzA argumentiert, dass eine Beteiligung der Einspeiser an den Netzkosten zu einer gerechteren und kostenreflexiveren Finanzierung führen würde. 
  2. Erweiterung der Finanzierungsbasis: Die Energiewende erfordert massive Investitionen in die Netzinfrastruktur – laut BNetzA rund 360 Milliarden Euro bis 2045. Eine breitere Finanzierungsbasis, die auch Einspeiser einbezieht, soll helfen, diese Kosten solidarisch und nachhaltig zu tragen.
  3. Vermeidung von Fehlanreizen: Das aktuelle System kann Fehlanreize setzen, etwa zur Eigenversorgung oder zur Einspeisung an netztechnisch ungünstigen Standorten. Einspeiseentgelte könnten hier lenkend wirken, indem sie Standortwahl beeinflussen, Flexibilität fördern und Netzengpässe reduzieren helfen.​

Die Diskussion ist noch im Gange, und es bleibt abzuwarten, wie die endgültige Regelung aussehen wird und welche Auswirkungen sie auf die Branche haben wird.  Bereits heute lohnt sich jedoch ein Blick auf die europäischen Nachbarländer – hat dies im Rahmen eines Workshops zu AgNes getan. Die Ansätze zur Netzkostenverteilung auf Einspeiser variieren stark:
 

Vergleich europäischer Modelle (Verteilnetzebene)

Nur pauschal: Frankreich, Malta, Niederlande.
Pauschal und arbeitsbasiert: Österreich und Norwegen.
Pauschal und leistungsbasiert: Belgien (Wallonische Region) und Estland.
Pauschal, arbeitsbasiert und leistungsbasiert: Finnland.
Nur arbeitsbasiert: Belgien (Region Flandern).
Nur leistungsbasiert: Lettland, Slowakei, Serbien. 
 

Auf Ebene der Übertragungsnetzbetreiber

​Nur pauschal: Niederlande.
Pauschal und arbeitsbasiert: Norwegen.
Nur arbeitsbasiert: Österreich, Belgien, Bulgarien, Dänemark, Frankreich, Rumänien. 
Nur leistungsbasiert: Irland, Lettland, Slowakei. 
Arbeitsbasiert und leistungsbasiert: Finnland, Serbien.
 
Deutschland ist laut BNetzA derzeit das einzige Land in dieser Übersicht, das ein negatives Einspeiseentgelt aufweist.
 
Mit dem Diskussionspapier zur allgemeinen Netzentgeltsystematik Strom (AgNes) hat die Bundesnetzagentur einen bedeutenden Reformprozess angestoßen, der das deutsche Netzentgeltsystem grundlegend verändern könnte. Die Einführung von Einspeiseentgelten stellt dabei einen zentralen, aber auch kontrovers diskutierten Aspekt dar. Während die BNetzA vor allem auf eine verursachungsgerechte Kostenverteilung, eine breitere Finanzierungsbasis und die Vermeidung von Fehlanreizen abzielt, zeigen internationale Beispiele, dass es vielfältige Modelle zur Beteiligung von Einspeisern an Netzkosten gibt.

Deutschland steht mit seinem bisherigen Sonderweg – einem negativen Einspeiseentgelt – europaweit allein da. Die Reform bietet somit die Chance, das System stärker an europäischen Standards auszurichten und gleichzeitig die Herausforderungen der Energiewende effizienter zu bewältigen. Wie die konkrete Ausgestaltung letztlich aussehen wird, bleibt abzuwarten – klar ist jedoch: Die Diskussion ist eröffnet, und sie wird die Branche noch intensiv beschäftigen.​


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