Kommt Bewegung ins Wärmerecht? – Bundesregierung äußert sich zum Hauptgutachten der Monopolkommission

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​​​​​​​veröffentlicht am 6. August 2025​​


Bereits dreimal wurde in den letzten Jahren ein Novellierungsentwurf für die AVBFernwärmeV veröffentlicht. Keiner der Entwürfe wurde allerdings verabschiedet. Sowohl die Novellierung der AVBFernwärmeV als auch die kartellrechtliche Einordnung des Fernwärmemarktes und die Preisregulierung sind Themen, mit denen sich die Politik immer wieder befasst. Der Ausbau der Wärmenetze in Deutschland steigt kontinuierlich an. Dieser Prozess wurde durch den Gesetzgeber mit dem Wärmeplanungsgesetz und den Änderungen im Gebäudeenergiegesetz bewusst gesteuert, um die vorgegebenen Klimaziele im Gebäudesektor erreichen zu können.  Mithilfe der Wärmeplanung soll aufgezeigt werden, welche Möglichkeiten zur klimaneutralen Wärmeversorgung innerhalb eines bestimmten Gebiets kosteneffizient sind und perspektivisch zur Verfügung stehen. Viele Kommunen und Stadtwerke haben ihre Wärmeplanung bereits begonnen oder fangen gerade damit an. Die Planung und der entsprechende Ausbau von Fernwärmenetzen sind dabei ein geeignetes und beliebtes Mittel, um die Wärmeplanung für einzelne Gebiete umzusetzen.


Für Verbraucher stellt der Anschluss an ein Fernwärmenetz oft die einfachste Möglichkeit der Wärmeversorgung dar, da sie so die Verpflichtungen nach dem Gebäudeenergiegesetz zur Einhaltung von Dekarbonisierungsvorgaben auslagern können und sich selbst um nichts mehr kümmern müssen.

Dabei wird immer wieder die Stellung der Fernwärmeversorgungsunternehmen in ihren Netzgebieten diskutiert: Sind einzelne Netze Monopole und wie soll damit umgegangen werden?

Bereits am 1. Juli 2024 hat die Monopolkommission ihr 25. Hauptgutachten zum Wettbewerb 2024 (BT-Drucksache 20/12265) dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie überreicht. In dem Gutachten werden unterschiedlichste Bereiche der Wirtschaft und ihre jeweilige Wettbewerbsfähigkeit beleuchtet. Dazu gehört auch der Fernwärmemarkt.

Die Monopolkommission ist ein unabhängiges Fachgremium, dass die Bundesregierung zu verschiedenen aktuellen wettbewerbspolitischen Fragen berät. Sie gilt als Beratungs- und Kontrollinstanz hat jedoch keinen unmittelbaren Einfluss auf den Gesetzgebungsprozess. Ihre Einschätzung ist daher für die Gesetzgebungsorgane nicht verpflichtend zu berücksichtigen.

Nach einer politisch turbulenten Zeit und Neuwahlen hat die Bundesregierung nun dazu Stellung genommen und ihre Einschätzung zum Bericht in einer Vorabfassung am 22. Juli 2025 veröffentlicht (BT-Drucksache 21/905).

Sowohl die Monopolkommission als auch die Bundesregierung erkennen die immer wichtiger werdende Rolle der Fernwärme – auch im Hinblick auf die Erreichung der Klimaziele – an. Gern geben wir Ihnen nachfolgend einen Überblick über die verschiedenen Positionen:
 

Die Position der Monopolkommission in ihrem 25. Hauptgutachten zum Wettbewerb 2024​​

Die Monopolkommission stuft den Fernwärmemarkt als natürliches Monopol ein, das einer weiteren Regulierung bedürfe. Damit schließt sie sich auch der bisherigen Einschätzung des Bundeskartellamtes an, das für die Einordnung einer marktbeherrschenden Stellung grundsätzlich zwischen einer Zeit vor der „Systementscheidung“ und einer Zeit danach abstellt, aber auch hervorhebt, dass in der Regel eine Einzelfallbetrachtung zur Beurteilung einer marktbeherrschenden Stellung erforderlich ist. Die Monopolkommission ist insbesondere der Ansicht, dass die Kundeninteressen eines höheren Schutzes bedürfen und der Fernwärmemarkt stärker reguliert werden sollte.

Hauptkritikpunkte am aktuellen Fernwärmemarkt sind aus Sicht der Monopolkommission fehlender Wettbewerb, intransparente Preisgestaltungen und fehlende Wechselmöglichkeiten für Verbraucher, wenn diese sich einmal für Fernwärme entschieden haben.

In ihrem Hauptgutachten schlägt die Monopolkommission daher verschiedene Lösungsansätze vor, um die vorhandene Monopolsituation zu regulieren und abzuschwächen. Dabei unterscheidet sie zwischen kurzfristigen und langfristigen Lösungsansätzen.

Als kurzfristige Lösungsansätze fordert die Monopolkommission die Schaffung einer Transparenzplattform, die Weiterentwicklung von Preisgleitklauseln und eine vereinfachte Price-Cap-Regulierung.

Aufbauend auf die bereits veröffentlichte Preistransparenzplattform (waermepreise.info) empfiehlt die Monopolkommission, für Fernwärmeversorgungsunternehmen eine Plattform für wesentliche Kennzahlen und Preisanpassungen verpflichtend zu machen, um bereits bestehende Transparenzvorgaben konsequent durchzusetzen und diese zu erweitern, beispielsweise in Form der Veröffentlichung eines Erlösvergleichs (erzielter Erlös pro verkaufter Menge Fernwärme, also Gesamterlös in Euro/Anzahl verkaufter Fernwärmeeinheiten in MWh).

Aus Sicht der Monopolkommission soll außerdem das Instrument „Marktelement“ weiter gestärkt werden. Dazu soll ein deutschlandweit einheitlicher Index eingeführt werden. Das Marktelement sei nach Ansicht der Monopolkommission aufgrund einer allgemeinen Entwicklung geeignet, mögliche Ausnutzungen einer Monopolstellung durch Fernwärmeanbieter zu unterbinden (wir haben uns mit diesem Thema bereits umfassend auseinandergesetzt: Ist das Marktelement (§ 24 Abs. 4 S. 1 AVBFernwärmeV) im Jahr 2024 noch zeitgemäß | Rödl & Partner)​.

Durch die Vorgabe einer Preisobergrenze für Fernwärmepreise sieht die Monopolkommission eine hinreichende Option, mögliche Monopolstellungen zu unterbinden.

Als langfristigen Lösungsansatz schlägt die Monopolkommission vor, Drittanbietern Zugang zum Fernwärmenetz zu eröffnen. Der Vorschlag orientiert sich mutmaßlich an der bereits erfolgten Umsetzung einer Durchleitungspflicht in Berlin (vgl. § 23 Berliner Klimaschutz- und Energiewendegesetz, EWG Bln).

Der Bericht der Monopolkommission ist nicht ohne Kritik geblieben. Zwar sehen viele Verbände die Transparenzvorgaben als richtig und notwendig an, weshalb eine Transparenzplattform vom Markt bereits geschaffen wurde. Zu großer Sorge in der Wärmebranche führt aber in erster Linie die Diskussion um eine Entgeltregulierung.
 

Stellungnahme Bundesregierung

Die Bundesregierung hat das Hauptgutachten der Monopolkommission aufgegriffen und dazu ebenfalls Stellung bezogen. Dabei lässt sie offen, ob sie Fernwärme als natürliches Monopol betrachtet. Zunächst weist die Bundesregierung auf die bereits vorhandenen gesetzlichen Rahmenbedingungen durch die AVBFernwärmeV und die dauerhafte Rechtsprechung des BGH hin. Gleichzeitig erkennt sie jedoch auch Handlungsbedarf, den Rechtsrahmen für Wärmelieferungen zu überarbeiten und zu modernisieren. Dabei sollen sowohl verbraucherschutzrechtliche Interessen als auch die Interessen der Versorgungsunternehmen angemessen berücksichtigt werden.

Die Einschätzung der Monopolkommission, dass Fernwärmeversorgungsunternehmen künftig durch die sinkende Relevanz von Gas und Heizöl mangels Alternativen eine noch stärkere Monopolstellung haben werden, teilt die Bundesregierung nicht. Sie stellt dabei klar, dass die Wärmeplanung keinen Anschluss- und Benutzungszwang darstellt. Wenn ein Gebiet als Wärmenetzausbaugebiet eingeordnet wird, hat dies keinen unmittelbaren Einfluss auf die Entscheidung des Gebäudeeigentümers, alternative Wärmeerzeugungsoptionen, wie beispielsweise Wärmepumpen, in Betracht zu ziehen. Auch sieht die Bundesregierung den Rückgang von Gas- und Ölheizung als Konsequenz der erforderlichen Dekarbonisierung.

Weiter stellt die Bundesregierung klar, dass eine Novellierung der AVBFernwärmeV notwendig ist, in der jedoch eine ausgewogene Interessenabwägung zwischen Verbraucherschutz und Investitionssicherheit für Wärmeversorger berücksichtigt werden muss.

Die Bundesregierung hinterfragt die Einstellung der Monopolkommission zum Marktelement, da ein angemessener Interessenausgleich durch eine höhere Gewichtung des Marktelements nicht gewährleistet ist, solange die Erzeugungs- und Gewinnstrukturen der einzelnen Versorger so unterschiedlich sind wie bisher. Die Bundesregierung erkennt auch das Risiko an, dass das Marktelement insbesondere bei weitgehend dekarbonisierten Netzen die Wärmepreise unnötig verzerren und im Zweifelsfall auch erhöhen könnte.

In ihrer Stellungnahme distanziert sich die Bundesregierung auch von einem einheitlichen Wärmemarktindex (wie noch in der Entwurfsfassung der AVBFernwärmeV vom 28.11.2024 vorgesehen) bzw. einer deutlichen Beschränkung der zu verwendenden Marktelement-Indizes. Ein Qualitätswettbewerb der Indizes untereinander könnte so nicht mehr stattfinden und auch regionale Gegebenheiten hinsichtlich geothermischer oder solarthermischer Quellen könnten so nicht mehr berücksichtigt werden.

Auch hinsichtlich des Vorschlages der Monopolkommission zur Einführung von Price-Caps vertritt die Bundesregierung eine differenziertere Auffassung. Sie sieht in einer solchen Regelung keinen effektiven Schutz vor ungerechtfertigt hohen Fernwärmepreisen. Eine einheitliche Obergrenze lässt sich durch die strukturellen Unterschiede der bereits vorhandenen Wärmenetze schon jetzt aus Sicht der Bundesregierung nicht abbilden, bei zunehmendem Ausbau dürfte dies perspektivisch noch schwieriger werden.

Inwieweit die Bundesregierung Eingriffe ins Marktdesign erwägt und gesetzlich verankern will, lässt sie in der Stellungnahme noch offen. Einen Drittzugang zum Netz erkennt sie als bereits etabliert an. Dies gesetzlich auszuarbeiten wäre aus Sicht der Bundesregierung jedoch ein komplexes Unterfangen, dass einiger Vorlaufzeit bedarf und aktuell wohl nicht von der Regierung als Vorhaben priorisiert wird.

Durch die Stellungnahme der Bundesregierung wird deutlich, dass diese sowohl den Verbraucherschutz als auch die Notwendigkeit des Investitionsschutzes für Wärmeversorger berücksichtigen möchte. Ebenfalls geht auch hervor, dass die energiepolitischen Ziele nicht hinter dem Wunsch einer preislichen Regulierung zurückstehen sollen.
 

Ausblick auf die Novellierung der AVBFernwärmeV

Die Legislaturperiode der Bundesregierung hat gerade erst begonnen. Wann ein neuer Entwurf für die AVBFernwärmeV veröffentlicht wird, lässt sich derzeit nicht absehen. In ihrer Stellungnahme hat sich die Bundesregierung jedoch bereits intensiv mit dem Wärmemarkt befasst, sodass man unter Umständen bereits erste Rückschlüsse auf die Zielrichtung eines neuen Novellierungsentwurfs ziehen kann.

Derzeit steht die Regierung einer pauschalen Stärkung des Marktelements noch skeptisch gegenüber. Die Einführung weiterer gesetzlicher Vorgaben für das Verhältnis von Markt- und Kostenelement will sie jedoch prüfen. Hierzu scheint sie sich noch keine abschließende Meinung gebildet zu haben.

So kann man aufgrund der Einschätzung der Bundesregierung davon ausgehen, dass die Vorgaben zur Gewichtung des Marktelements entgegen dem letzten Entwurf der AVBFernwärmeV nicht verschärft werden. Zum einen sieht die aktuelle Bundesregierung hier das Risiko einer Preisverfälschung, die sich auch zu Lasten der Verbraucher auswirken kann. Dies ist ein nicht unwahrscheinliches Risiko. Zum anderen steht sie der Verwendung eines festgelegten Index für das Marktelement kritisch gegenüber. Ein solcher war im letzten Novellierungsentwurf noch vorgesehen, wobei Abweichungsmöglichkeiten für dekarbonisierte Netze und andere Sonderfälle nur schwer ableitbar waren. Dies könnte im nächsten Entwurf bereits anders sein.

Auch wird von der Bundesregierung eine Lücke im aktuellen Rechtsrahmen gesehen, was die Motivation von Fernwärmeversorgungsunternehmen betrifft, in die Dekarbonisierung ihrer Netze zu investieren. Neue Vorgaben könnten hier die Investitionssicherheit stärken und damit die Motivation für neue Investitionen erheblich erhöhen. Dies wäre ein wichtiges Zeichen, dass die Politik die Schwierigkeiten der Dekarbonisierung auch im Wärmebereich anerkennt und berücksichtigt.

Hinsichtlich der Transparenzvorgaben weist die Bundesregierung ausdrücklich auf Art. 21 der EU-Richtlinie zur Energieeffizienz (RL 2023/1791, EED) hin und benennt die AVBFernwärmeV ausdrücklich als mögliche Plattform für die Umsetzung in nationales Recht. Dabei geht es um grundlegende vertragliche Rechte, die den Endkunden eingeräumt werden sollen und bei Vertragsschluss ersichtlich sein müssen.
 

Fazit:

In vielen Punkten sind sich die Monopolkommission und die Bundesregierung uneinig. Die Novellierung der AVBFernwärmeV dürfte jedenfalls ein Spagat zwischen den Interessen von Verbrauchern und Versorgungsunternehmen werden. Es ist zu erwarten, dass einige Änderungen auf Wärmeversorgungsunternehmen zukommen werden – insbesondere, was die bereits mehrfach angekündigte Vertiefung von Informations- und Veröffentlichungspflichten angeht. Wann und in welchem Umfang dies der Fall sein wird, lässt sich allerdings leider auch weiterhin nicht abschätzen.

Die Bundesregierung vertritt in ihrer Stellungnahme jedoch einige interessante Ansätze, die wir weiter im Blick behalten werden – gerne halten wir Sie diesbezüglich auf dem Laufenden!
 

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