Beihilfe oder Nicht-Beihilfe – EuGH stellt Übertragbarkeit der EEG-Entscheidung auf KWKG in Frage?

​In seiner neuesten Entscheidung zur beihilferechtlichen Genehmigungsbedürftigkeit des litauischen Erneuerbare-Energien-Fördersystems hat sich der EuGH erneut mit dem Begriff der „staatlichen Mittel” beschäftigt. Er stellte klar, dass die Mittel eines Fördersystems bei einer Zwangsabgabe ähnlichen Zahlungsverpflichtung als staatlich gelten, wenn sie von einer staatlich kontrollierten Stelle verwaltet werden.

Dies wirft neue Grundsatzfragen hinsichtlich der EU-beihilferechtlichen Einstufung des deutschen EEG auf. Insbesondere stellt sich die Frage, ob die EU-beihilferechtliche Freistellung des EEG 2012 aufgrund der zentralen Stellung des BAFA als Fördermittelgenehmigungsbehörde im KWKG übertragbar ist.

Erneute Diskussion des Merkmals „staatliches Mittel”

Das in Litauen bestehende System zur Finanzierung sog. Dienstleistungen von allgemeinem Interesse im Elektrizitätssektor (DAIE) fördert insbesondere die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien und aus KWK-Anlagen. Die Mittel zur Sicherung der DAIE werden von den Verteiler- und Übertragungsnetzbetreibern beim Stromendverbraucher und Eigenerzeuger erhoben und an einen Mittelverwalter weitergeleitet, der als (un)mittelbar staatlich kontrollierte Einrichtung die Mittel an die Erbringer der DAIE verteilt.

Die zu errichtenden Beträge werden per staatlichem Beschluss festgelegt, gegen diesen richtet sich die Ausgangsklage.

Im Ausgangsverfahren der Vorabentscheidung geklagt haben litauische KWK-Anlagenbetreiber, die den erzeugten Strom selbst verwenden oder an Unternehmen in ihrem Betriebsgebiet liefern. Die Kläger argumentieren, dass die Vorschriften zum DAIE-System eine staatliche Beihilferegelung seien.
Diese Auffassung hat der EuGH (Urteil vom 15.05.2019 – C.-706/17) nunmehr im Ergebnis bestätigt.

Umlage als staatliche Beihilfe?

Voraussetzung für die Einstufung von Zahlungsansprüchen als staatliche Beihilfe i.S.d. Art. 107 Abs. 1  AEUV ist die Qualität der Zahlung als eine dem Staat zurechenbare Begünstigung von Unternehmen aus (un)mittelbar staatlichen Mitteln.

Der EuGH führte aus, dass die Zurechenbarkeit bereits dadurch gegeben sei, dass das litauische DAIE-System seinen Ursprung in Gesetzen und Regierungsbeschlüssen findet. Der EUGH argumentiert zudem, dass aufgrund von Rechtsvorschriften erbrachte Beiträge als staatliche Mittel im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV zu qualifizieren sind, wenn die Verwaltung der Mittel selbst nicht von staatlicher Stelle erbracht wurde. Ein staatlicher Auftrag zur Verwaltung sei ausreichend.

Die Verteilung der DAIE-Mittel unterliegt durch staatlichen Beschluss festgelegten Berechnungsvorgaben, durch die die zuständige staatliche Kommission den spezifischen Betrag pro verbrauchter kWh auf Grundlage des ElektrizitätsG festlegt. Damit ist die staatliche Kontrolle auch bei der Verwaltung der DAIE-Mittel laut EuGH gegeben.

Im Ergebnis hat der EuGH festgestellt, dass die Mittel zur Finanzierung des DAIE-Systems als staatliche Mittel im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV zu qualifizieren sind und daher dem EU-Beihilferecht unterliegen.

Übertragung auf das deutsche EEG

Durch das aktuelle Urteil des EuGH wird die Rechtsprechung zum EEG 2012 zur Einordnung des Begriffs „staatliches Mittel” i.S.d. Beihilfenverbots in ihren hauptsächlichen Punkten zwar einerseits bestätigt, andererseits aber durch die Auseinandersetzung mit der Funktion von Behörden in privatwirtschaftlich organisierten Fördersystemen weiterentwickelt:
Bei der beihilferechtlichen Beurteilung der Systematik des EEG 2012 hatte der EuGH trotz Feststellung von Zwangsabgabe ähnlichen Zahlungspflichten den Beihilfencharakter verneint – die Betroffenen setzten hier ausschließlich ihre unternehmenseigenen Mittel ein, die nur von Unternehmen verwaltet und bewirtschaftet werden. Eine staatlich kontrollierte Verwaltung war im Fall des EEG 2012 zu verneinen, da die Übertragungsnetzbetreiber die Mittel aus der EEG-Umlage selbstständig verwalteten und selbst der Systemvollzug ohne direkte Aufsichts- und Eingriffsbefugnisse der Bundesnetzagentur nur über die zivilgerichtliche Durchsetzbarkeit EEG-rechtlicher Ansprüche geregelt war.

Ob dies aber mit einem von der Bundesnetzagentur administrierten Ausschreibungsverfahren, an dessen Ende eine verwaltungsgerichtlich überprüfbare Zuschlagsentscheidung steht und die der Bundesnetzagentur im Zusammenhang mit der weiteren Projektrealisierung Kontroll- und Rücknahmeansprüche einräumt, immer noch gilt, wird nun wohl einer weiteren unionsrechtlichen Aufarbeitung bedürfen.

Bedeutung für Regelungen der KWK-Anlagen

Nach der EuGH-Entscheidung zum EEG 2012 wurde zunächst allgemein von einer Übertragbarkeit der Entscheidung auf das deutsche Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz (KWKG) ausgegangen. Entsprechend hat die Bundesregierung bereits den fehlenden Beihilfecharakter durch die Streichung beihilferechtlicher Genehmigungsvorbehalte in der jüngsten KWKG-Novellierung vollzogen. Die neueste Entscheidung des EuGH lässt an dieser Auffassung nun zumindest zweifeln.

Da, im Gegensatz zum EEG 2012 im Fördersystem des KWKG die Zulassung durch das BAFA eine zentrale Rolle spielt, ist hier das Merkmal des „staatlichen Mittels” aufgrund einer mittelbaren staatlichen Verwaltung der privatwirtschaftlichen Fördermittel nicht ebenso leichtfertig abzuweisen.

Fazit

Nach jahrelanger Unsicherheit über den Beihilfecharakter des EEG und der Genehmigungsfähigkeit der zahlreichen EEG- und KWKG-Novellen ging mit der Entscheidung des EuGH zum EEG 2012 vom März 2019 ein Aufatmen durch die deutsche Erneuerbare Energien- und KWK-Branche. Das bereits im Mai 2019 ergangene Urteil zum litauischen ElektrizitätsG legt jetzt den Schluss nahe, dass diese Euphorie wohlmöglich verfrüht war.

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