Singulär genutzte Betriebsmittel III: Es kommt auf eine auf die konkrete Entnahmestelle bezogene Betrachtungsweise an

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Autoren: Dr. Thomas Wolf und André Rosner 

​(BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2018 – EnVR 42/17)

 

Für die Anwendung von § 19 Abs. 3 StromNEV kommt es auf eine auf die konkrete Entnahmestelle bezogene Betrachtungsweise an. Nur so kann eine klare und sachgerechte Abgrenzung des Anwendungsbereichs von § 19 Abs. 3 StromNEV gewährleistet werden. Eine bloße mittelbare „Nutzung” der Betriebsmittel von Dritten steht der Vereinbarung eines Sonderentgeltes nach § 19 Abs. 3 StromNEV nicht entgegen, da in diesem Zusammenhang eine Gesamtbetrachtung ausscheidet.

 

Nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) bereits mit den Entscheidungen vom 15. Dezember 2015 (Singulär genutzte Betriebsmittel I) und vom 24. Januar 2017 (Singulär genutzte Betriebsmittel II) zu Fragen der Voraussetzungen und Anforderungen des § 19 Abs. 3 EnWG Stellung genommen hat, konkretisiert der nunmehr veröffentlichte Beschluss vom 9. Oktober 2018 (Singulär genutzte Betriebsmittel III) diese noch weiter.

 

Leitsätze des BGH

  1. Bei der Frage nach der singulären Nutzung von Betriebsmitteln nach § 19 Abs. 3 StromNEV ist eine anschlussbezogene Betrachtung vorzunehmen.
  2. Der Vereinbarung eines individuellen Netzentgelts nach § 19 Abs. 3 StromNEV steht nicht entgegen, dass die singulär genutzten Betriebsmittel einer Netz- oder Umspannebene vom Anschlussnetzbetreiber zur Versorgung weiterer, nicht unmittelbar an die Betriebsmittel angeschlossener Netzkunden genutzt werden.
  3. Für die singuläre Nutzung eines Betriebsmittels ist es auch unerheblich, ob im (n-1)-Fall das nachgelagerte Netz des Anschlussnetzbetreibers zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit des Netznutzers erforderlich ist.

 

Wesentliche Argumentation des BGH

Für die Prüfung der Voraussetzungen eines individuellen Netzentgelts nach § 19 Abs. 3 StromNEV kommt es allein darauf an, dass an die betroffenen Betriebsmittel keine weiteren Netznutzer unmittelbar angeschlossen sind. Daher ist es unerheblich, ob die singulär genutzten Betriebsmittel einer Netz- oder Umspannebene vom Anschlussnetzbetreiber zur Versorgung weiterer, nicht direkt an diese Betriebsmittel angeschlossener Netzkunden genutzt wird oder ob im (n-1)-Fall das nachgelagerte Netz des Anschlussnetzbetreibers zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit des Netznutzers erforderlich ist. Eine bloß mittelbare „Nutzung” von Betriebsmitteln über Netze Dritter oder das Netz des nachgelagerten Netzbetreibers steht der Einräumung eines Sonderentgeltes wegen singulär genutzter Betriebsmittel nicht entgegen.


Maßgeblich ist eine auf die konkrete Entnahmestelle bezogene Betrachtungsweise. Nach § 19 Abs. 3 StromNEV hat der Netznutzer einen Anspruch auf ein individuelles Netzentgelt, sofern er sämtliche in einer Netz- oder Umspannebene von ihm genutzten Betriebsmittel ausschließlich selbst nutzt. Die Ansicht, dass hier eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen sei, trifft nach Auffassung des BGH nicht zu. Diese Tatbestandsvoraussetzung bezieht sich auf die konkrete – und als weitere Voraussetzung: ausschließliche – Nutzung eines oder mehrerer Betriebsmittel durch den Netznutzer, der die Vereinbarung eines individuellen Netzentgelts begehrt. Sie steht damit zu der konkreten Entnahmestelle in untrennbarem Zusammenhang.


Die Nutzung von Betriebsmitteln durch nachgelagerte, nicht unmittelbar an die betroffenen Betriebsmittel angeschlossene Netznutzer schließt die singuläre Nutzung durch einen anderen Netznutzer daher nicht aus. Denn nach dem transaktionsunabhängigen Punktmodell kommt es gerade nicht auf den physikalischen Weg an, den der vom Nutzer entnommene Strom nimmt. Vielmehr kann Nutzer der Betriebsmittel nur sein, wer unmittelbar an diese angeschlossen ist.


Für die Anwendbarkeit des § 19 Abs. 3 StromNEV ist es ebenso unerheblich, wenn das singulär genutzte Betriebsmittel an die unterspannungsseitige Sammelschiene eines nicht eigensicheren Umspannwerks des vorgelagerten Netzbetreibers angeschlossen ist. Zwar kann es dann im (n-1)-Fall zu einer Speisung der unterspannungsseitigen Sammelschiene über das unterlagerte Netz des Anschlussnetzbetreibers kommen. Dann nutzt aber nicht der Netznutzer dieses Netz, sondern der dem Anschlussnetzbetreiber vorgelagerte Netzbetreiber nimmt es in Anspruch, um seiner Pflicht einer (n-1)-sicheren Konfiguration seines Umspannwerks gerecht zu werden. Dem Netznutzer, der die Voraussetzungen des § 19 Abs. 3 StromNEV erfüllt, kann dies mangels rechtlicher Grundlage nicht zugerechnet werden.


Bedeutung für die Praxis

Mit seiner nunmehr dritten Entscheidung im Hinblick auf singulär genutzte Betriebsmittel schafft der BGH weitere Rechtssicherheit bei der Anwendung der Privilegierung für singulär genutzte Betriebsmittel nach § 19 Abs. 3 StromNEV. Dieser Beschluss setzt die Entscheidungsreihe „Singulär genutzte Betriebsmittel” fort und bringt mehr Transparenz in die Branche und stärkt zugleich nachgelagerte Verteilnetzbetreiber. Die auf eine konkrete Entnahmestelle bezogene Betrachtungsweise führt zu einer sachgerechten Abgrenzung des Anwendungsbereichs von § 19 Abs. 3 StromNEV. 

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