Schon wieder die Inventur. Sind die Grundsätze hinreichend?

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  • ​Einleitend:

Marktführer und Unternehmen, die auf dem modernen Markt erfolgreich sind, unternehmen intensive Schritte, um die Effizienz der innerbetrieblichen Prozesse durch den Abbau von zeitaufwendigen Tätigkeiten zu steigern. Und die Inventuren kosten immer viel Zeit. In den Zeiten, in denen der Personalmangel immer markanter ist, möchten auch kleine oder neu gegründete Gesellschaften die Inventurdauer verkürzen und den Inventurablauf vereinfachen. Zu den häufig gestellten Fragen gehört, ob für die ordnungsmäßige Inventurdurchführung die Einhaltung der allgemeinen Regelungen des Rechnungslegungsgesetzes hinreichend ist oder interne Richtlinien und -anweisungen erforderlich sind. 

​Begriffsbestimmung

Für die Erstellung des Jahresabschlusses sind die Bestandsaufnahmen – körperliche Inventuren und Buchinventuren einschließlich deren Auswertung – unerlässlich. Die Bestandsaufnahmen sind die elementare Voraussetzung für alle Aufzeichnungen – und selbstverständlich auch für die Buchführung. Es ist kaum vorstellbar, dass der Nachweis der bilanzierten Aktiv- und Passivposten oder des Kassenbestands anders erfolgt als durch den Abgleich mit Buchhaltungsunterlagen, das Zählen, die Ermittlung des vorhandenen Bestandes oder die Prüfung der künftigen Nutzung von Wirtschaftsgütern.

Die tschechischen Bilanzierungsvorschriften sind so gestaltet, dass die allgemeinen Regelungen und Anweisungen im Rechnungslegungsgesetz enthalten sind. Dieses Gesetz schreibt die Grund­sätze ordnungsmäßiger Buchführung vor und soll die in der Praxis angewandten oder bereits bewährten Prozesse verallgemeinern bzw. direktiv regeln. Die Bewertungs- und Buchungsmethoden im Einzelnen sollten für alle Größenklassen durch die Durchführungsverordnungen oder erläuternde Vorschriften, zu denen z.B. die Rechnungslegungsstandards oder Gutachten des Tschechischen Instituts für Buchhalter gehören, geregelt werden.

Die Inventuranweisung, -durchführung und -auswertung haben nach der Fachliteratur nach folgenden Grundsätzen zu erfolgen:

a)     Vollständigkeit  
b)     Richtigkeit  
c)     Nachprüfbarkeit  
d)     Einzelerfassung und Einzelbewertung des Inventars 
e)     Wesentlichkeit und
f)      Periodengrundsatz 


Periodengrundsatz

Der letztgenannte Periodengrundsatz ist allgemein bekannt und klar – zu einem Zeitpunkt des Geschäftsjahres, in der Regel zum Bilanzstichtag, sind die Salden zu prüfen. Der Periodengrundsatz ist mit dem Grundsatz der Unternehmensfortführung bzw. mit der Aufzeichnungspflicht eng verbunden -  eine bestimmte Periode ist von einer anderen streng zu trennen, was wiederum für die periodengerechte Gewinnermittlung wichtig ist.

Eine ordnungsgemäße Bestandsaufnahme ist nach dem Rechnungslegungsgesetz zum Bilanzstichtag bzw. zu einem außerordentlichen Zeitpunkt, zu dem das Geschäftsjahr endet, durchzuführen. Körperliche Inventuren dürfen jedoch auch permanent (permanente Inventur) oder innerhalb von vier Monaten vor oder von zwei Monaten nach dem Bilanzstichtag durchgeführt werden (d.h. innerhalb eines großzügigen Zeitraums von sechs Monaten vor oder nach dem Bilanzstichtag). Nach dem Periodengrundsatz ist die Inventur mindestens einmal jährlich durchzuführen. Nach dem Periodenabgrenzung sind die bei einer nachverlegten Inventur festgestellten Inventurdifferenzen dem Geschäftsjahr zuzuordnen, für das der Jahresabschluss erstellt wird.

Die o.g. Argumente und Gründe sind in der Regel klar, nur der letzte Punkt wird oft falsch ausgelegt: „Wird die Inventur zum 28. Februar durchgeführt, ist es offensichtlich, dass einige Inventurdifferenzen erst im neuen Geschäftsjahr entstehen konnten und dem vorausgehenden Geschäftsjahr nicht zuzuordnen sind“. Dieser Ansatz stützt sich oft darauf, dass das Lagernebenbuchhaltungsprogramm es nicht ermöglicht, die Inventurdifferenzen dem „alten Jahr“ zuzuordnen (es dürfen keine Buchungen im abgelaufenen Geschäftsjahr vorgenommen werden). Obwohl nicht ermittelt werden kann, zu welchem Zeitpunkt und aus welchen Gründen die Inventurdifferenzen entstanden sind, sind die Inventurdifferenzen kraft Gesetzes dem Geschäftsjahr zuzuordnen, für das die Bestandsaufnahme vorgenommen wird.

Obwohl es auf den ersten Blick nicht offensichtlich ist, ist der Grundsatz der Periodenabgrenzung für die Form und den Inhalt der Inventurauswertung maßgeblich. Da der Bestand zum Bilanzstichtag zu bestätigen ist, muss der Buchbestand zum Abschlussstichtag mit dem Bestand der Lagernebenbuchhaltung bzw. einer anderen Nebenbuchhaltung und dem bei der Stichtagsinventur ermittelten Bestand abgeglichen werden. Die Ergebnisse der Bestandsaufnahme müssen ausgewertet und protokolliert, ausgeglichen und verbucht werden, des Weiteren müssen die Verwechslungen geprüft und andere erforderliche Unterlagen erstellt werden. Bei einer vor- oder nachverlegten Inventur müssen selbstverständlich die Lagerein- und -ausgänge fortgeschrieben bzw. rückgerechnet werden. 


Vollständigkeit der Bestandsaufnahme

Man sollte jedoch mit dem ersten Punkt – dem Grundsatz der Vollständigkeit – begonnen werden. Das entsprechende Kapitel des Rechnungslegungsgesetzes (das Bestandaufnahme der Vermögensgegenstände und Schulden heißt) beginnt mit der Vollständigkeit sämtlicher Vermögensgegenstände und Schulden (vgl. den § 29 Abs. 1). Auf den Grundsatz der Vollständigkeit wird im Rechnungslegungsgesetz oft verwiesen – der Bestand der Vermögensgegenstände und Schulden muss bei einer körperlichen Bestandsaufnahme oder einer Buchinventur festgestellt und in einem Bestandsverzeichnis geführt werden (vgl. §30 Abs. 1), die Bestandaufnahme eines jeden Vermögensgegenstandes muss nach § 30 Abs. 2 RlG mindestens einmal jährlich durchgeführt werden und die Inventur soll sich nach § 30 Abs. 12 RlG auch auf andere Vermögensgegenstände und Schulden sowie die Unterbilanzkonten erstrecken. 

Der Grundsatz der Vollständigkeit hängt mit dem Fair Value Prinzip und dem Grundsatz der Richtigkeit eng zusammen. Warum dieses Prinzip als erster Inventurgrundsatz genannt wird, ist nicht ganz klar. Sollten z.B. die Vorräte richtig verbucht werden, ist es offensichtlich, dass alle Artikel zuerst aufzunehmen sind. Es ist auch offensichtlich, dass die Bilanzierung der Vorräte (bzw. der Vermögensgegenstände und Schulden) erst nach der Inventur erfolgen kann. Die Aussagefähigkeit der Bilanz wird durch die Buchungsfehler selbstverständlich mehr betroffen als durch die Bewertungs- oder Bilanzierungsfehler – zuerst sind die vorhandenen Vermögensgegenstände und Schulden zu ermitteln, anschließend ist über ihren Wertansatz zu entscheiden. Die Vollständigkeit ist, aus welchem Grund auch immer, mit Vorräten und Verbindlichkeiten verbunden.

Der Grundsatz der Vollständigkeit erstreckt sich nicht nur auf die Bestandaufnahme von Vermögensgegenständen und Schulden. Er gilt auch für die Auswertung aller bekannten und wesentlichen Informationen, Prüfung von Risiken und drohenden Verlusten und nicht zuletzt für die Aufstellung einer unverkürzten Bilanz. Diese Aspekte sind meistens für den Wertansatz und die Bilanzierung von Bedeutung. Es ist nicht maßgeblich, ob es sich um Geschäftsfälle handelt, die schon verbucht wurden oder um künftige Preise für aktuell erteilte Aufträge. Wichtig ist, über diese Informationen zu verfügen, sie richtig auszuwerten und ihre Rolle zu prüfen. Daher sind für den Wertansatz der Vorräte u.a. Informationen über die aktuell erteilten Bestellungen und abgeschlossenen Verträge, Angaben über nicht erledigte Reklamationen oder anhängige Gerichtsverfahren, Gewährleistungsansprüche, jedoch auch steuerliche und rechtliche Sachverhalte, gesetzliche Vorschriften oder Pfandrechte von Bedeutung. Die richtige Bewertung und Bilanzierung ist erst nach Auswertung aller relevanten Informationen und Risiken möglich. Es ist nicht überraschend, dass immer wieder Rückstellungen für schwebende Geschäfte gebildet werden, obwohl noch keine Rohstoffe bestellt wurden. Die Bildung dieser Rückstellungen ist bei Vertriebs- und Produktionsunternehmen üblich, wobei der Grundsatz der vollständigen Bilanzierung der Vorräte zum Ausdruck kommt.

Der weitere Grund für die Annahme, dass der Grundsatz der Vollständigkeit von größerer Bedeutung ist als andere Grundsätze, liegt im Verrechnungsverbot. Aufwendungen dürfen nicht mit Erträgen, Posten der Aktivseite nicht mit Posten der Passivseite saldiert werden. Das Rechnungslegungsgesetz und die zusammenhängenden gesetzlichen Vorschriften ermöglichen Ausnahmen vom Verrechnungsverbot. Im Vorratsbereich sind vom Verrechnungsverbot die Verwechslungen ausgenommen. Die Verwechslungen sind durch den Rechnungslegungsstandard 007 – Inventurdifferenzen – geregelt, nach dem die Verwechslungen dasselbe Geschäftsjahr betreffen müssen und vor allem nicht vorsätzlich sein dürfen. Solche Verwechslungen können bei gleichartigen Artikeln oder Artikelgruppen aus Versehen entstehen. Der Nachweis der Verwechslungen ist diskutabel. Es ist fraglich, wie zwischen den vorsätzlichen und nicht vorsätzlichen Verwechslungen unterschieden wird. Nach dem Rechnungslegungsstandard ist bei Verwechslungen nachzuweisen, dass sie nicht vorsätzlich entstanden sind.

Das bedeutet, dass auch nach einer nicht fachkundigen Beurteilung eine Verwechslung vorliegt, die offensichtlich, eindeutig und nach überwiegender Auffassung nicht vorsätzlich ist. Unter den Umständen und nach dem Charakter der Vorräte, der Art und Weise der Lagerung, der Ein- und Auslagerungen und der Lagernebenbuchhaltung muss es ersichtlich sein, dass die Verwechslungen ohne Absicht erfolgt sind. Es ist nur schwer zu erklären, dass das Lesegerät einen anderen Strichcode erkennt als der Lagerverwalter, der den Strichcode beim Lagereingang nach der Verpackung ermittelt hat - und manchmal auch wiederholend. Die Beurteilung von Verwechslungen sollte durch mehrere Mitarbeiter vorgenommen werden. Die Inventurauswertung – nicht nur die Bestandsverzeichnisse, sondern vor allem das Inventurprotokoll - sollte von allen Beteiligten unterzeichnet werden. Die Unterschrift hat eine besondere psychologische Wirkung, da sich die Mitarbeiter der Verantwortlichkeit mehr bewusst sind als bei einer verbalen Äußerung. Darüber hinaus wird durch die Unterschiften die Aussagekraft der Inventurprotokolle erhöht. Aus demselben Grund unterzeichnet der Geschäftsführer bei der Jahresabschlussprüfung die Vollständigkeitserklärung. Jedoch Vorsicht – die Vollständigkeitserklärung ersetzt jedoch nicht die nicht unterschriebene Inventurauswertung.

Wir haben bereits in der April-Ausgabe unseres Mandantenbriefs zum Thema Inventuren darauf hingewiesen, dass bei permanenten sowie Stichtagsinventuren der Bestand des Geschäftsjahres immer wieder unvollständig aufgenommen wird. Bei einer stichprobenartigen Prüfung kann jeder Artikel mit derselben statistischen Wahrscheinlichkeit ausgewählt werden und sollte mindestens einmal jährlich aufgenommen werden. Wie ersichtlich, bedeutet die Vollständigkeit auch die Prüfung aller Lagerorte.


Fazit

Wir können bestätigen, dass bei der Bestandaufnahme von Vorräten zwei Grundsätze von großer Bedeutung sind – Periodenabgrenzung und Vollständigkeit. Die meisten Fehler entstehen durch die Verstöße gegen diese Grundsätze. Für die Beseitigung von unwichtigen oder wichtigen Buchungs- und Bewertungsfehlern sollten beide Grundsätze bekannt sein und richtig verstanden werden. Weitere Grundsätze, die bei den Bestandsaufnahmen zu beachten sind, werden wir Ihnen in nächsten Ausgaben darstellen.

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Ing. David Trytko, Ph.D.

Auditor (Tschechische Rep.)

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