Die Geschichte der Buchführung in den böhmischen Ländern

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  • Die Geschichte der Buchführung in den böhmischen Ländern

In der vergangenen Ausgabe des Mandantenbriefs haben wir einen Abriss der Geschichte der Buchführung weltweit dargelegt. Mit dem vorliegenden Artikel konzentrieren wir uns auf die Geschichte der Buchhaltung in den böhmischen Ländern bzw. der Tschechoslowakei und Tschechien.

 

Bis zum Jahr 1918 wurde in den böhmischen Ländern im Rahmen der Habsburger Monarchie das deutsche Buchführungssystem verwendet. In der staatlichen Verwaltung kam die sog. kameralistische Buchführung zum Einsatz. Hierbei handelte es sich um eine einfache Buchführung, bei der Einnahmen und Ausgaben erfasst wurden. Vermögensgegenstände wurden in Nebenbüchern geführt.

 

Nach dem Zerfall Österreich-Ungarns wurden für die böhmischen Länder sämtliche Rechtsvorschriften der alten Monarchie übernommen – hierunter auch das österreichische Handelsgesetzbuch von 1862. Weder in diesem noch in einer anderen Vorschrift waren jedoch die Art und Weise einer Buchführung oder aber die Führung konkreter Bücher festgeschrieben. Möglich war daher eine Wahl zwischen einer einfachen und einer doppelten Buchführung. Als Bücher gemäß dem Handelsgesetzbuch galten nur Inventar und Bilanz.

 

Im Jahr 1920 wurde das erste tschechischsprachige Lehrbuch zur Buchführung für Hochschulen aufgelegt. In den Jahren 1936–1940 folgte ein fünfbändiges Wörterbuch für die Bereiche Handel und Technik, Buchhaltung und Steuern.

 

Nach dem Zweiten Weltkrieg stand im Mittelpunkt der wirtschaftlichen Entwicklung die zentrale Planung. 1946 erging das Gesetz Nr. 116/1946 über die einheitliche Organisierung der Unternehmensbuchführung, mit dem Buchführung, Kalkulation und Budgetführung vereinheitlicht wurden. Eine Vereinheitlichung erfolgte jedoch nicht im Rahmen der gesamten Tschechoslowakei, sondern lediglich nach einzelnen Unternehmenstypen. Die Buchführung sollte den Belangen der Planung in den Unternehmen und den jeweiligen Branchen dienen. Die Regierungsverordnung Nr. 205/1946 verankerte lediglich die Verpflichtung zur doppelten Buchführung. Es wurden zwei Kontenarten eingeführt: Vermögenskonten, auf denen Vermögen und Kapital erfasst wurden, und Ergebniskonten für Aufwendungen und Erträge.

 

In den Jahren 1947–1949 wurden sechs Buchführungssysteme verankert, die in Form von Verordnungen als verbindliche Richtlinien der Finanzbuchhaltung galten. Die entsprechenden Methoden galten für Unternehmen in Abhängigkeit von den jeweiligen Branchen – etwa für Industriebetriebe, für Unternehmen des Fremdenverkehrs oder für Geldinstitute. Die zentrale Änderung infolge der Ausgabe der gegenständlichen Richtlinien bestand in der Vereinheitlichung von Kontenplänen, da die Unternehmen bis zu diesem Zeitpunkt Kontenpläne nach eigenem Ermessen festlegten. Neu eingeführt wurde auch der Begriff des Geschäftsjahres („Buchungsjahr”), wobei der letzte Tag dieses Jahres als Bilanzstichtag bezeichnet wurde. Zu diesem Tag bestand die Pflicht einer Erstellung eines Jahresabschlusses bestehend aus Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung.

 

Das Ministerium für Finanzen der Tschechoslowakei gab verbindliche Richtlinien, Verordnungen und Weisungen zur Buchführung oder zur Unternehmensbuchhaltung aus. In der Unternehmensbuchhaltung wurden insbesondere innerbetriebliche Aufwendungen und Erträge, Kalkulationen, Budgets und die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens über einen kurzfristigen (nach Monaten) und einen langfristigen Zeitraum (Jahr) verfolgt. Diese Richtlinien, Verordnungen und Weisungen hatten Gesetzeskraft. Die Bücher konnten auf zwei Ebenen geführt werden: als Finanzbuchhaltung für das gesamte Unternehmen oder als Unternehmensbuchhaltung für die einzelnen innerbetrieblichen Kostenstellen.

 

Ab den fünfziger Jahren wurden dann aus der Sowjetunion übernommene Buchführungsmetoden angewendet, insbesondere im Zusammenhang mit neuen Grundsätzen der zentralen Planung. Das Gesetz Nr. 108/1951 über die Organisierung der volkswirtschaftlichen Evidenz formulierte die Notwendigkeit einer sog. volkswirtschaftlichen Evidenz bestehend aus operativ-technischen Erfassungen, Buchführung und Statistik. Die Buchführung sollte in diesem Rahmen Unterlagen zur Leitung der jeweiligen Unternehmen und der Volkswirtschaft als ganzer zur Verfügung stellen. Die Buchführung bestand in diesen Jahren lediglich aus der Unternehmensbuchhaltung.  

 

Der Zeitraum der Jahre 1971–1991 galt als Ära eines „einheitlichen Systems der sozial-wirtschaftlichen Informationen” mit der Buchführung als einem komplexen System eben dieser Informationen. Die Funktion der Buchführung wurde um eine analytische Funktion erweitert und bewertete das Wirtschaftsgebaren der Unternehmen. Am wichtigsten in diesem Zusammenhang waren die Bilanz als Übersicht über die wirtschaftlichen Mittel zum Bilanzstichtag und die Gewinn- und Verlustrechnung, die aus drei Teilen bestand: aus Erträgen, als Materialaufwendungen und der Aufteilung des Bruttoeinkommens.

 

Negative Auswirkungen auf Buchführung und innerbetriebliche Führung hatten die Forcierung der Planerfüllung und ein System an materiellen Interessen. Hauptfunktion der Buchführung wurde die Kontrolle der Planerfüllung.

 

Nach der Wende 1989 und dem Übergang zur Marktwirtschaft erwies sich das bisherige System der Buchführung als ungeeignet und musste durch ein neues System ersetzt werden, welches auf Eigentumsbeziehungen gründete. Hauptziel der neuen Buchführung war nicht nur eine möglichst effektive Unternehmensführung, sondern auch die Gewährleistung einer Vergleichbarkeit von Daten im nationalen und internationalen Kontext. Das neue System der Buchführung basierte auf bewährten internationalen Buchführungsgrundsätzen – die neue Buchführung war der deutschen und der französischen Buchführung am ähnlichsten. Zum 1. Januar 1992 trat das Buchführungsgesetz Nr. 563/1991 in Kraft – die neue Buchführung sollte ein getreues und wahres Bild über die Vermögens- und Finanzlage von Gesellschaften und über deren Ergebnisse geben. Das tschechische Buchführungsgesetz gilt mit zahlreichen Novellierungen bis heute und wurde etwa um die Verordnung Nr. 500/2002 und die tschechischen Buchführungsstandards für Unternehmen ergänzt.

 

  • Quellen:

FIALA, Josef. Dějiny účetnictví. Praha: Pragotisk, Peroutka a spol., 1935.

JANHUBA, Miloslav. Základy teorie účetnictví. Praha: Oeconomica, 2005.

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Ing. Miroslava Bělohoubková

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