Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall – Aufhebung der Karenzzeit und deren Auswirkungen für Arbeitgeber

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Unlängst nahm das Abgeordnetenhaus des Parlamentes der Tschechischen Republik eine Novelle des Arbeitsgesetzbuches an, mit der ab Juli 2019 die bisher geltende Karenzzeit für eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall aufgeboben wird. Bisher gilt, dass Arbeitnehmern für die ersten drei Tage einer zeitweiligen Arbeitsunfähigkeit keine sog. Lohnersatzleistungen seitens des Arbeitgebers zustehen. Sofern die angeführte Novelle in Kraft tritt, werden Arbeitgeber verpflichtet sein, kranken Arbeitnehmern über die gesamten ersten vierzehn Tage einer zeitweiligen Arbeitsunfähigkeit Lohnersatzleistungen auszuzahlen, was zweifelsohne Kostensteigerungen für die Arbeitgeber nach sich ziehen wird.

Laut der bisher geltenden rechtlichen Regelung haben zeitweilig arbeitsunfähige Arbeitnehmer während der ersten 14 Krankheitstage Anspruch auf sog. Lohnersatzleistungen für versäumte Schichten und für Feiertage, für die ihnen anderenfalls Lohnersatzleistungen zustehen würden. Die Höhe der durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer gewährten Lohnersatzleistungen beträgt 60 Prozent seines Durchschnittsverdienstes, für dessen Berechnung vom vorherigen Kalenderquartal ausgegangen wird. Ab dem 15. Krankheitstag erhält der Arbeitnehmer Krankengeldleistungen vom tschechischen Staat. Die gegenständlichen Ersatzleistungen erhält der Arbeitnehmer jedoch nicht für die ersten drei Arbeitstage einer zeitweiligen Arbeitsunfähigkeit (Fehltage), längstens jedoch für die ersten 24 nicht gearbeiteten Stunden im Rahmen des Schichtplans. Für die derartige Karenzzeit erhält der Arbeitnehmer auch keine Leistungen durch den tschechischen Staat. Eine ähnliche Regelung gilt in zahlreichen europäischen Ländern.

  • ​Sinn einer Karenzzeit

Zur Frage der Karenzzeit stehen sich in der tschechischen Rechtsordnung zwei konträre Auffassungen gegenüber. Der bisherige Zustand wird wegen einer ungerechten Sanktionierung von Arbeitnehmern im Krankheitsfall oft kritisiert – vor allem sozial Schwache und Arbeitnehmer mit niedrigen Einkommen an der Grenze zum Mindestlohn und deren Familien kann ein Verdienstausfall über drei Tage empfindlich treffen. Nicht selten arbeiten Arbeitnehmer in diesen Fällen daher trotz Krankheit weiter oder nehmen anstelle einer zeitweiligen Arbeitsunfähigkeit Urlaub, um einen Verdienstausfall zu vermeiden.

 

Demgegenüber kann eine entsprechende Karenzzeit viele Arbeitnehmer von einem unbegründeten Missbrauch einer kurzfristigen Arbeitsunfähigkeit und einem „Simulieren” einer Krankheit abhalten und sie stattdessen zur Arbeit motivieren. Arbeitgeber begrüßen dies selbstverständlich. Aus den Statistiken folgt, dass nach Einführung der aktuellen Bedingungen für Lohnersatzleistungen während einer Arbeitsunfähigkeit die Anzahl kranker Arbeitnehmer und die Anzahl von Fehltagen sank, während sich die Dauer einer Arbeitsunfähigkeit im Schnitt deutlich verlängerte. Dies deutet darauf hin, dass es sich zuvor häufig um fingierte Krankheiten handelte. Jedoch kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich auch die Anzahl von Personen erhöhte, die trotz Krankheit weiterarbeiten. Viele Arbeitgeber sind sich dieses Umstandes bewusst und bieten Ihren Arbeitnehmern ein Benefit in Form sog. „Sick Days” oder die Möglichkeit eines Home Office.

 

  • Folgen der Aufhebung der Karenzzeit

Falls die Karenzzeit aufgehoben wird und den Arbeitgebern erneut die Pflicht erwächst, ihren Arbeitnehmern Lohnersatzleistungen in Höhe von 60 Prozent ihres Durchschnittsverdienstes auch für die ersten drei Krankheitstage zu bezahlen, können die Arbeitgeber zurecht eine erhebliche Steigerung ihrer Lohnkosten erwarten. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Krankenstände sprunghaft ansteigen werden und vor allem der Anteil kurzzeitiger Arbeitsunfähigkeiten, und zwar auch fiktiver, deutlich zunehmen wird. Die Arbeitgeber werden für ihre kranken Arbeitnehmer Vertretungen organisieren, oder aber mit Blick auf den aktuellen Arbeitskräftemangel in einigen Branchen anderen Arbeitnehmern Überstunden und Wochenend- oder Feiertagsarbeit anordnen müssen. Dies wird über den Rahmen der Leistungen für die ersten drei Tage einer zeitweiligen Arbeitsunfähigkeit hinaus Auswirkungen auf die Lohnkosten haben und Aufwendungen für die Organisierung, Anwerbung und Schulung neuer Arbeitnehmer nach sich ziehen, von einer niedrigeren Produktivität neuer oder einspringender Arbeitnehmer ganz abgesehen.

 

Faktisch droht daher eine verminderte Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, die die Kostensteigerungen durch Verteuerungen ihrer verkauften Produkte und erbrachten Dienstleistungen werden abdämpfen müssen, was zu einer Verschlechterung des Unternehmensumfeldes führen kann. Kleine und mittlere Unternehmen könnten in Existenznot geraten, erhebliche Auswirkungen werden auch Produktionsunternehmen spüren. Als eine gewisse Kompensierung für Arbeitgeber wird eine Senkung des Arbeitgeberbeitrages zur Krankenversicherung diskutiert, und zwar um 0,2 Punkte von 2,3 auf 2,1 Prozent. Nach Berechnungen wird diese Ermäßigung die zu erwartende Kostensteigerung für Arbeitgeber im Zusammenhang mit der Auszahlung von Lohnersatzleistungen bereits ab dem ersten Tag einer zeitweiligen Arbeitsunfähigkeit jedoch keinesfalls abfangen.

 

  • Abschluss

Zu der gegenständlichen Novelle des Arbeitsgesetzbuches wird nun auch der Senat, die zweite Kammer des tschechischen Parlamentes, Stellung nehmen. Sollte die Aufhebung der Karenzzeit Gesetzkraft erlangen, wird die überwiegende Anzahl der Arbeitgeber – vor allem kleine und mittlere Produktionsunternehmen – entsprechende Auswirkungen spüren. Die Unternehmensführungen werden sich selbstverständlich um eine Minimierung der Kosten bemühen und neue Lösungen im Bereich Beschäftigung und HR suchen. Bei Interesse an weiteren Informationen zum gegenständlichen Themenbereich oder an Beratungsleistungen hierzu stehen wir Ihnen selbstverständlich gern zur Verfügung.

Kontakt

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JUDr. František Geršl

Attorney at Law (Tschechische Rep.)

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