Die Haftung des Geschäftsführers nach der Novelle des Gesetzes über die Handelskorporationen oder Die Sorgfalt des ordentlichen Kaufmanns im Zeichen der Pandemie

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Die zweite Welle des Coronavirus hat Europa fest im Griff, täglich erfahren wir über neue Massnahmen, die eine weitere Ansteckung und die daraus vielleicht resultierende Überlastung des Gesundheitssystems verhindern sollen. Anordnungen zur Schliessung von Geschäften, Masken- und Abstandspflichten, Änderung von Einreisebestimmungen, Förderprogramme, temporäre Steuererleichterungen, Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen – jedes Mittel wird genutzt, um den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung zu gewährleisten und damit einem Kollaps der Krankenhäuser vorzubeugen. Um die daraus resultierenden ökonomischen Auswirkungen auf die Unternehmen zu begrenzen (und damit auch Arbeitsplätze zu sichern) wurde neben der staatlichen Absicherung von Darlehen (Programm COVID III) auch durch das am 13.11.2020 unter der Nr. 460/2020 in Kraft getretene Lex COVID II die Suspension der Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages verlängert, falls der Vermögensverfall im wesentlichen auf die Massnahmen im Zuge der Eingrenzung der Epidemie zurückzuführen ist und nicht bereits vor dem Inkrafttreten der COVID Massnahmen bestand.

  

Bei dieser letztgenannten Regelung ist darauf hinzuweisen, dass es sich dabei lediglich um eine Beschränkung der einem Geschäftsführer drohenden Folgen im Verhältnis zu externen Gläubigern der Gesellschaft handelt, da sich an den Insolvenztatbeständen (Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit) nichts ändert. Auch wurde nicht die in der ersten Pandemiephase geltende Einschränkung der Rechte eines Gläubigers zur Stellung eines Insolvenzantrages gegen einen Schuldner verlängert. Ob also die Stellung eines Insolvenzantrages oder zumindest die Einleitung eines gegenwärtig möglichen ausserordentlichen Moratoriums in Betracht kommt und ggf für die Gesellschaft vorteilhafter ist, obliegt der Beurteilung durch das Statutarorgan.

 

In dieser Situation kommt es mit der Novelle des Gesetzes über die Handelskorporationen Nr. 90/2012 Slg. (nachfolgend HGB CZ), die am 1. Januar 2021 in Kraft treten wird, zu einer Änderung und Verschärfung in den Bestimmungen zu der Haftung von Statutarorganen im Insolvenzfall.

 

Nach der neu gefassten Regelung des § 66 HGB CZ ist ein Statutarorgan im Falle, dass ein Verstoss gegen seine Pflichten zu dem Vermögensverfall der Gesellschaft beitrug und über das Verfahren zur Abwicklung der Insolvenz entschieden wurde, verpflichtet, nach einer entsprechenden Entscheidung des Insolvenzgerichts auf Antrag des Insolvenzverwalters (welche in einem Inzidenzverfahren im Rahmen des Insolvenzverfahrens zu treffen ist) der Gesellschaft sämtliche Beträge herauszugeben, die er aus oder in Zusammenhang mit seinem Geschäftsführervertrag in den letzten zwei Jahren vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erhielt. Darüber hinaus kann er im Konkursfalle verpflichtet werden, eine sogenannte „Ergänzung der Passiva der Gesellschaft“ vorzunehmen, d.h., der Geschäftsführer hat der Gesellschaft den Unterschiedsbetrag zwischen dem Wert des vorhandenen Vermögens und dem Gesamtbetrag der Schulden zu ersetzen. Dabei soll das Gericht berücksichtigen, in welchem Verhältnis das Handeln des Statutarorgans zu der unzureichenden Höhe des Vermögens beitrug.

 

Nach § 69 HGB CZ trifft diese Pflicht auch alle ehemaligen Mitglieder des Statutarorgans oder sonstige Personen, die eine vergleichbare Position innehatten, unbeachtlich ihrer tatsächlichen Position oder ihres Verhältnisses zur Gesellschaft.

 

Ausgangspunkt der Haftung des Statutarorgans ist also ein Verstoss gegen seine Pflichten, insofern neben der allgemeinen Pflicht zur Einhaltung gesetzlicher Vorschriften im wesentlichen die Pflicht, mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu handeln. Nach wie vor gilt, dass bei Fragen hinsichtlich der Einhaltung dieser gesetzlich verankerten Anforderungen der Geschäftsführer die Beweislast trägt, dass sein Handeln den anzulegenden angemessenen Sorgfaltsmasstäben entsprach.

 

Dieser ohnehin bereits allgemein auslegungsbedürftige Rechtsbegriff der „Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns“ führt insbesondere im Lichte der aktuellen Pandemie und der oben beschriebenen geradezu hektischen Regelungsaktivität des Gesetzgebers sowie der Regierung zu einer für den Geschäftsführer schwer zu beherrschenden Komplexität. Dieses Risiko für einen Geschäftsführer wird durch die gesetzliche Verwendung der Formulierung, dass der Geschäftsführer „durch seinen Verstoss gegen seine Pflichten zum Vermögensverfall der Gesellschaft beitrug“, noch weiter, denn grundsätzlich wird jede operative Entscheidung durch den Geschäftsführer verantwortet, sei es, dass er selbst sie traf oder aber für die Kontrolle des Entscheidenden zuständig ist.

 

Ob also eine permanente Prüfung der aktuellen Situation des Unternehmens durchgeführt wird, es sich um Fragen der Generierung zusätzlicher Liquidität aufgrund von Kreditlinien oder staatlichen Unterstützungsleistungen handelt, eine Senkung von Kosten durch Kurzarbeit oder Aussetzung von Mietzahlungen bezweckt wird, Lieferungen durch Kommunikation mit Suppliern oder die Kontrolle von Logistikketten sichergestellt werden sollen oder ein Monitoring der Bonität von Kunden erfolgt, alle diese Aktivitäten (oder aber auch ein Verzicht darauf) stellen damit genauso ein potentielles Haftungsrisiko für einen Geschäftsführer dar wie die Abfassung und Veröffentlichung von innerbetrieblichen Richtlinien zur Minimierung einer Ansteckungsgefahr, die interne Organisation des Betriebs zur Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit trotz eventueller Covidfälle oder die Sicherstellung von Kontaktlisten unter Einhaltung von Datenschutzrichtlinien.

 

Aus unserer Sicht kann ein Mitglied eines Statutarorgans dieser Vielzahl potentieller Haftungsrisiken einzig dadurch begegnen, dass seine Entscheidungen und Handlungen aufgrund einer geprüften Datenlage fallen, seine Gründe nachvollziehbar sind und diese Faktenbasis und Erwägungen dokumentiert werden, so dass im Falle einer Prüfung möglicher Ansprüche gegen den Geschäftsführer dieser den Entlastungsbeweis führen kann. Diese indirekte Erhöhung des erforderlichen Dokumentationsaufwands gerade in diesen wirtschaftlich unsicheren Zeiten geht sicherlich zu Lasten der zu einer nachhaltigen Aufrechterhaltung, Kontrolle und Entwicklung des operativen Geschäfts zur Verfügung stehenden Kapazitäten eines Statutarorgans. Ob der Gesetzgeber dies mit seiner Novelle bezweckte, darf unserer Meinung nach getrost bezweifelt werden.

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Hans-Ulrich Theobald

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